Bürokratiedschungel erschwert das Arbeiten in der Schweiz
In Verbindung mit dem schweizerischen Entsendegesetz, das für gleiche Arbeitsbedingungen in- und ausländischer Arbeitnehmer sorgen soll, hat die Schweiz mit flankierenden Maßnahmen für Unruhe in der deutschen Handwerkerschaft gesorgt. Das, was im ursprünglichen Geist als Maßnahme gegen Lohndumping gedacht war, sei jetzt zu einer deutlichen Benachteiligung für grenzüberschreitend tätige Handwerker geworden, beschreibt Sonja Zeiger-Heizmann, Arbeitsrechts-Beraterin der Handwerkskammer Konstanz, die momentane Situation. „Woran es einfach fehlt ist Transparenz, Kalkulierbarkeit und Verlässlichkeit, wenn es um die Berechnung von deutschen und schweizerischen Stundenlöhnen geht“, macht die Juristin auf eine nur sehr schwer zu durchschauende Vergleichbarkeit der tariflichen Arbeitsbedingungen aufmerksam.
Dass man mit dem schweizerischen Entsendegesetzes leben müsse, daran lässt Zeiger-Heizmann allerdings keine Zweifel aufkommen. So sei das Antragsverfahren über das Internet an das schweizerische Migrationsamt eine deutliche Verbesserung gegenüber früher. Es sei einfach und werde schnell zur Routine. Per E-Mail erhalte der Betrieb seine Bestätigung mit der er dann für die Arbeiten einreisen könne. Insgesamt sind so bis zu 90 Arbeitstage im Jahr möglich. Was darüber hinausgeht, muss über eine formelle Arbeitsgenehmigung geregelt werden. Unklar sind aber nach wie vor die Fälle, in denen der Handwerksbetrieb sehr schnell zum Kunden muss, wie etwa bei Notfällen. Hier empfiehlt Zeiger-Heizmann, auf jeden Fall eine auch kurzfristige Meldung mit dem Hinweis auf einen Notfall. Andernfalls drohen Strafen oder der Weg zum Kunden wird an der Grenze verwehrt.
Nach Verabschiedung des Entsendegesetzes kam es zunächst zu wenigen Problemen bei den Vergleichslöhnen. Allerdings verabschiedeten dann die Schweizer Behörden zur Überraschung der deutschen Handwerkerschaft kontinuierlich seit drei Jahren allgemeinverbindliche branchenspezifische Gesamtarbeitsverträge, komplett mit Lohn- und Manteltarif, Urlaubsregelung, Weihnachtsgeld und 13. Monatsgehalt, und machten diese zur Grundlage der Lohnberechnung auch für deutsche Betriebe, die in der Schweiz tätig sind. „Damit begannen die Probleme mit der Vergleichbarkeit erst richtig“, erläutert Sonja Zeiger-Heizmann das zunehmend komplizierte Verfahren, für das es bis heute keine allgemein gültige Berechnungsgrundlage gebe. Denn zum einen stimmen die Berufsbilder mit ihren fachlichen Branchenzuordnungen beider Länder nicht immer überein, so dass Unklarheit besteht, welcher Gesamtarbeitsvertrag überhaupt gelte. Zum anderen machen kantonal unterschiedliche Gesamtarbeitsverträge und regionale Sonderregelungen den Handwerkern in Deutschland das Leben schwer.
Unverhältnismäßig hohe Bußgelder
Ist der deutsche Handwerker auf der Baustelle, muss er auch mit dem Besuch der schweizerischen Kontrolleinrichtungen rechnen. Anfängliche Stichproben hätten sich deutlich verdichtet, erzählt Zeiger-Heizmann aus der Praxis. Während sie im Jahr 2006 von ca. 50 Betrieben über Kontrollen erfahren habe, seien es in diesem Jahr bereits über 400. Die Betriebe erhalten, teilweise auch ohne Stichprobenkontrolle die Aufforderung, detaillierte Unterlagen insbesondere für die Lohnabrechnung nachzureichen. Dies habe bei der Kammer auch zu wachsender Beratungsnachfrage von Firmen und Steuerberatern geführt. Werden die Lohnunterlagen unvollständig oder nicht den schweizerischen Lohnbedingungen gemäß eingereicht, so drohen Kontrollkosten und Konventionalstrafen in Höhe von mehreren Hundert Franken.
Neuerdings werden auch zusätzlich Bußgelder durch die kantonal zuständige Behörde verhängt. Im Vorjahr war noch kein Fall bekannt, in diesem Jahr sind es bereits gut zwei Dutzend. Dass für ein und den selben Vorgang zwei Strafen verhängt werden, ist kaum nachvollziehbar. Zudem stünden oft die tatsächlichen Lohndifferenzen (Entsendezuschlag) einem knapp 10fach höheren Betrag an Folgekosten gegenüber, schildert sie einen Fall mit gerade mal 84 Franken Lohnabweichung und über 700 Franken nachträglich geforderter Gebühren. „Hier ist keine Verhältnismäßigkeit mehr gegeben“, begründet Zeiger-Heizmann ihren Vorwurf, dass es offenbar nicht um Ahnung von Lohndumping, sondern vielmehr um bürokratische Hürden gehe, die dem Geist der Abkommen mit der EU widersprechen.
Informationen bei der Handwerkskammer Konstanz
Die Handwerkskammer Konstanz rät deshalb jedem Betrieb, sich bereits vor der Angebotsabgabe über den genauen Sachverhalt zu informieren, damit diese Mehrkosten auch eingeplant werden können. Erste Informationen zum Entsendegesetz sind auf der Homepage der Kammer zu finden. Auch hat Sonja Zeiger-Heizmann alle gängigen Gesamtarbeitsverträge aus der Schweiz für die Beratung vorliegen und für jede Branche eine Modellberechnung des Vergleichs-Arbeitslohns ausgearbeitet. Ein „Leitfaden Entsendegesetz“, der das Verfahren und auch branchenspezifische Fragestellungen behandelt, ist demnächst auch auf der Homepage verfügbar. Ferner ist die Broschüre “Unternehmen ohne Grenzen“ mit ersten Anhaltspunkte für die Ausführung von Aufträgen der Schweiz bei der Handwerkskammer Konstanz erhältlich.
Kalkulierbarkeit, Transparenz und Bürokratieabbau - dahin arbeitet die Kammer in verschiedenen bilateralen Verhandlungen. Zudem stehe man mit dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium wie den ebenfalls betroffenen Kammern in Österreich und Deutschland in engem Kontakt, beschreibt Zeiger-Heizmann die flankierenden Aktivitäten der Handwerkskammer Konstanz.
Informationen unter www.hwk-konstanz.de.