„Wenn Europa es ernst meint mit seinem Versprechen, für weniger Bürokratie und mehr Bürgernähe zu sorgen, muss das Abstimmungsergebnis korrigiert werden“, so Kammerpräsident Jöst in seinem Statement. Wörtlich: „Denn mit dem Beschluss hat die Politik im wahrsten Sinne über den Wirtschaftsbereich hinausgeschossen, auf den die Regulierung zielt.“ Wenn die Politik den Güter- und Personenferntransport besser kontrollieren wolle, müssten die Regulierungen dann auch von Anfang an gezielt auf diese Branche beschränkt werden und nicht andere Wirtschaftsbereiche belasten!
Das deutsche Handwerk erkenne die Notwendigkeit der Regulierung und Kontrolle von Lenk- und Ruhezeiten im Personen- und Güterfernverkehr zum Schutz der dort beschäftigten Berufskraftfahrer und anderer Verkehrsteilnehmer ausdrücklich an. Deshalb sei es richtig, Spediteure und andere Logistikunternehmen zum Einbau digitaler Tachographen zu verpflichten. „Völlig inakzeptabel aber ist, dass solche Regelungen dann auch andere Branchen massiv belasten“, so Jöst weiter.
„Denn im Handwerk stellt sich die Situation ganz anders dar als im Transportgewerbe. Um zu einer Baustelle zu gelangen oder die Brötchen an Backfilialen und Geschäfte auszuliefern, werden keine Berufsfahrer eingestellt, sondern die Handwerker setzen sich selbst hinters Steuer. Sie fahren also direkt zum Ausführungsort und erledigen dort den Auftrag – die Lenkzeiten spielen dabei eine völlig untergeordnete Rolle“, führt Jöst weiter aus.
Weiter: „Diese Dachdecker, Bäcker und Tischler wollen die Europaabgeordneten mit ihrer Entscheidung genauso wie Berufskraftfahrer im Fernverkehr behandeln, indem sie die Tachographenpflicht auf Fahrzeuge ab 2,4 Tonnen ausdehnen wollen.“
Zwar solle in Reaktion auf die Kritik des Handwerks nach dem Vorschlag des Verkehrsausschusses die Geltung der Tachographenpflicht im unteren Gewichtsbereich auf Internationale Transporte beschränkt werden. Aber gerade in den Grenzgebieten gehört grenzüberschreitende Tätigkeit auch im Handwerk zur normalen beruflichen Praxis in einem zusammenwachsenden Europa, womit sie nach aktueller Bewertung von den Änderungen betroffen wären. „Und aus Sicht des Handwerks wäre mit der vorgeschlagenen Änderung zudem nur der erste Schritt zu späteren weiteren Ausweitungen auch auf innerstaatliche Transportvorgänge im unteren Gewichtsbereich getan“, befürchte Jöst.
Dann wären allein in Deutschland in diesem Gewichtsbereich potenziell rund 2,5 Mio. zusätzliche Fahrzeuge betroffen. Viele davon sind im Handwerk und ähnlichen Branchen außerhalb des Fernverkehrs unterwegs. „Und für einen Betrieb fallen damit erhebliche Kosten an: Ausgaben von rund 1.500 € für den Einbau eines Tachographen, die Anschaffung von Kontrollkarten für das Unternehmen und seine Mitarbeiter, der Kauf von Software zur Datenverwaltung sowie regelmäßige Wartungs- und Auslesungspflichten“, erläutert der Mannheimer Kammerpräsident weiter.
Zwar solle die bisherige Handwerkerausnahme innerhalb eines Radius von 100 Kilometern bleiben. Allerdings müsse hier jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob die komplexe Handwerkerausnahme tatsächlich angewendet werden kann. Nach den bisher gemachten langjährigen Erfahrungen gebe es stets eine große Anzahl von Konstellationen im Betriebsalltag, die nicht unter die Ausnahme fallen. Auch diese Rechtsunsicherheit sei nicht zu akzeptieren.
Der einzige Lichtblick des Beschlusses ist die Schaffung einer verbesserten Ausnahmeregelung für das Baugewerbe: Statt den Geltungsbereich weiter auszudehnen, sollte dieser Weg weiter beschritten werden und auch die Handwerkerausnahme verbessert und in den weiteren Beratungen auf 150 km ausgeweitet werden.