Die Agentur für Arbeit setzt mit der bundesweiten Woche der Ausbildung ein Zeichen für die duale Ausbildung. Wie kann das Handwerk davon profitieren?
Klaus Hofmann: Wir freuen uns, dass die Aktionswoche auch 2023 wieder den Blick der Öffentlichkeit auf die Möglichkeiten der dualen Ausbildung lenkt. Wir im Handwerk sind, zusammen mit der Agentur für Arbeit, darum bemüht, kontinuierlich auf die Chancen aufmerksam zu machen, die unsere Berufe bieten. Das müssen wir auch, weil Nachwuchs im Handwerk dringend gebraucht wird.
Wie haben sich die Ausbildungszahlen beim Handwerk der Region zuletzt entwickelt?
Jens Brandt: Wir haben das vergangene Jahr mit einem leichten Plus abgeschlossen, was uns optimistisch stimmt. In Zahlen: Zum 31.12.2022 haben wir 1.662 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge gezählt. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 1,1 Prozent. Trotzdem haben wir bei der Gesamtzahl an Auszubildenden im Kammergebiet noch nicht die Zahl aus Vor-Corona-Jahren erreicht. Zum Ende 2022 hatten wir insgesamt 4.192 Auszubildende in unserem Kammergebiet, 2021 waren es 4.290 und 2020 4.378. Wir spüren zwar eine gewisse Erholung, weil sich die Neuabschlüsse an Lehrverträgen gut entwickeln, aber wir brauchen noch mehr.
Warum tun sich junge Menschen so schwer ins Handwerk zu kommen?
Klaus Hofmann: Ich würde nicht sagen, dass sie sich schwertun. Ich glaube eher, dass sie die Möglichkeiten der dualen Ausbildung und der handwerklichen Karrierechancen nicht zuallererst auf dem Schirm haben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht müde werden, darauf hinzuweisen. Wir haben jüngst erst auf der Jobs for Future im Februar die schöne Erfahrung gemacht, mit welch großem Interesse das Handwerk von jungen Menschen, aber auch von vielen Eltern, wahrgenommen wird, wenn es sich aktiv zeigt und zum Mitmachen und Ausprobieren einlädt. Die Ausbildungsmesse auf dem Mannheimer Maimarktgelände war sehr erfolgreich für uns. Das zeigt, dass eine Offenheit für die duale Ausbildung in Handwerksberufen besteht.
Trotzdem fehlt es ja ganz offensichtlich an Auszubildenden. Warum?
Klaus Hofmann: Das hat mehrere Gründe. Die demographische Entwicklung ist einer davon. Es kommen einfach weniger Schulabgänger nach. Auch während der Corona-Jahre sind junge Menschen verlorengegangen. Dieses Phänomen sehen wir nicht nur im Handwerk, auch andere Wirtschaftsbereiche sind betroffen. So öffnet sich zwangsläufig die Schere zwischen Lehrstellenangebot und Bewerbern. Zum Jahresende 2022 hatten wir noch 92 unbesetzte Lehrstellen im Kammergebiet bei uns gemeldet. Aktuell weist die Lehrstellenbörse 197 Ausbildungsplätze aus. Es werden aber noch Hunderte dazukommen, weil die Abfrage zur Zeit noch läuft. Im Umkehrschluss heißt das auch: Nie waren die Chancen für Schülerinnen und Schüler auf einen Ausbildungsplatz im Handwerk besser als heute.
Zuletzt war die „Bildungswende“ ein vielzitiertes Wort. Was soll sie bewirken?
Jens Brandt: Wir wünschen uns mehr Wertschätzung und mehr Anerkennung für die berufliche Bildung. Dabei geht es keineswegs darum, andere Bildungswege in Frage zu stellen. Der akademische Weg hat ebenso seine Berechtigung und ist genauso wichtig. Nicht minder wertzuschätzen ist aber auch die duale Ausbildung im Handwerk.
Haben Sie den Eindruck, dass hier schon etwas erreicht worden ist?
Jens Brandt: Unsere Ausbildungs- und Nachwuchssicherungsberatung berichtet, dass sich Schulabgänger und Eltern auf Messen häufiger ganz gezielt bei uns informieren und nicht mehr ausschließlich die Beratung an den Ständen der weiterführenden Schulen und anderen Institutionen suchen. Daraus mag man eine Tendenz zu einer größeren Offenheit für alle Karrierewege ablesen.
Was tut die Handwerkskammer, um die Ausbildung im Handwerk zu unterstützen?
Klaus Hofmann: Da gibt es vieles. Wir bieten eine umfassende kostenfreie Beratungsleistung sowohl für Schülerinnen und Schüler, Studierende oder deren Eltern als auch für unsere Ausbildungsbetriebe. Wir arbeiten eng mit Schulen zusammen und engagieren uns bei der Berufsorientierung. Wir haben die Online-Lehrstellenbörse und das Lehrstellenradar, wo Betriebe ihre Ausbildungs- und Praktikumsplätze einstellen und Lehrstellensuchende gezielt nach offenen Möglichkeiten recherchieren können. Und wir haben im vergangenen Jahr unter dem Slogan „Handwerk – Das isses!“ eine regionale Ausbildungskampagne auf die Beine gestellt, mit der wir nicht nur für die handwerkliche Ausbildung werben, sondern allen an der Ausbildung Beteiligten Hilfestellung und Informationen bieten. Auf der Landingpage zur Kampagne www.handwerk-das-isses.de finden Schüler, Eltern, Auszubildende, Lehrkräfte und Ausbildungsbetriebe Antworten auf ihre Fragen.
Vor welche Probleme stellt es das Handwerk, wenn der Bedarf an Nachwuchs nicht gedeckt werden kann?
Jens Brandt: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Grundstock für den künftigen Erfolg des Handwerks heute gelegt wird. Wenn wir unsere Aufgaben jetzt nicht erfüllen, werden wir in zehn Jahren vor sehr großen Problemen stehen. Jeder fehlende Auszubildende bedeutet eine fehlende Arbeits- bzw. Fachkraft und in der Folge auch fehlende potenzielle Betriebsgründungen oder Betriebsnachfolgen. Der Erfolg der Ausbildung ist also untrennbar mit dem Erfolg des Handwerks an sich verwoben.
Klaus Hofmann: Es darf nicht vergessen werden, dass wir alle in unserer Gesellschaft auf diesen Erfolg angewiesen sind. Handwerk stellt die Versorgung in vielen lebensrelevanten Bereichen sicher. Wir brauchen das Lebensmittelhandwerk, das Bauhandwerk, das Gesundheitshandwerk, das Dienstleistungshandwerk, um nur einige von vielen zu nennen. Dass all diese Handwerke in ihrer Struktur und mit ihren Leistungen funktionieren, ist bedeutsam für jeden einzelnen von uns. Die handwerkliche Ausbildung ist die Basis dafür.
Was sagen Sie jungen Leuten, um sie für die Ausbildung im Handwerk zu interessieren?
Jens Brandt: Dass ihnen Handwerk mit sinnstiftenden und zukunftssicheren Berufen Erfüllung und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten kann. Viele junge Menschen wollen einen Job, bei dem sie etwas bewirken können. Das geht im Handwerk in vielen Bereichen. Hier kann man beispielsweise in Bau-, Elektro- oder Klimaberufen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit Sorge tragen, man kann an der Sicherung von Lebensqualität für Menschen mit und ohne Handicap mitwirken, man kann individuell gestalten und technische Lösungen vorantreiben. Im Handwerk gibt es ungemein viele Zukunftsfelder.
Je mehr Möglichkeiten, desto schwerer fällt vielleicht die Orientierung. Welchen Tipp haben Sie für Berufsorientierende, die noch unentschlossen sind?
Klaus Hofmann: Wir haben auf www.hwk-mannheim.de einen „Berufe-Checker“, der zeigt, welcher Ausbildungsberuf im Handwerk am besten zu den eigenen Fähigkeiten und Vorlieben passt. Auch die Berater in der Handwerkskammer stehen mit Rat und Tat zur Seite. Außerdem: Ausprobieren – am besten bei einem Praktikum. Dabei kann man Beruf und Betrieb „hautnah“ kennenlernen.
Und wann ist die richtige Zeit für die Lehrstellensuche?
Klaus Hofmann: Schon jetzt und eigentlich immer. Die App „Lehrstellenradar 2.0“ bietet einen einfachen Zugang zu Ausbildungsbetrieben, freien Lehrstellen und Praktikumsplätzen in der Region, die sich leicht über eine Umgebungssuche finden lassen. Einfach auf unserer Website nachschauen, APP runterladen und los geht`s.