Der Umstieg in eine neue Energiezukunft sei auch in unserem Bundesland von zentraler Bedeutung für Wirtschaft und Umwelt, sagte Tschischka. Bis zu einer nachhaltigen Energiepolitik sei es aber noch ein weiter Weg. Wenn die Politik die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen wolle, dann spiele die energetische Gebäudesanierung eine zentrale Rolle. Er forderte stärkere finanzielle Anreize für mehr Energieeffizienz, Planungssicherheit in der Förderlandschaft und ein Energieversorgungssystem, das für alle Energieträger offen bleibt. Tschischka: "Dazu brauchen wir dezentrale Energiekonzepte." Die Förderung erneuerbarer Energien bilde die Grundlage für die künftige Energieversorgung. Der Ausbau müsse aber noch deutlich an Tempo zulegen. Dafür seien die Zusatzgewinne der verlängerten Laufzeiten der Kernkraftwerke einzusetzen.
Gleichzeitig griff Tschischka scharf die Marktstrategien der Energieversorger an: "Monopolisten nutzen ihre Marktdominanz zur Verdrängung handwerklicher Anbieter." Dem müsse das Land einen Riegel vorschieben. Der Verdrängungswettbewerb sei bereits in vollem Gange. Da würden Photovoltaikanlagen vertrieben, Kleinblock-heizkraftwerke zentral beschafft oder Wärmedämmverbundsysteme als Standardprodukte angeboten. Dem Handwerk bleibe lediglich noch die Ausführung von Montagearbeiten als Subunternehmer: "Diese Restrolle lehnen wir entschieden ab." Die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald werde bei der Politik nachdrücklich darauf drängen, dass überall dort, wo die Anbieter auch im öffentlichen Eigentum stehen, der Vorrang des privatwirtschaftlichen Anbieters gelten müsse. Energieversorger im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand hätten das Mittelstandsförderungsgesetz zu beachten. Dies müsse mit Blick auf die jetzigen Mehrheitsverhältnisse auch für die EnBW gelten. Das Handwerk habe keine Angst vor Konkurrenz, allerdings gehöre zu einem fairen Wettbewerb auch ein gewisses Maß an Chancengleichheit.
Entwicklungsdynamik und Qualität des Standortes Baden-Württemberg hingen in hohem Maße von der Infrastruktur und dabei ganz besonders von der Verkehrsinfrastruktur ab, betonte Tschischka weiter. Leider seien insbesondere im Wohnungs- und Verkehrsbau empfindliche Lücken zu beobachten. Das Land brauche eine ehrgeizige Innovationsoffensive, um nicht gegenüber anderen Bundesländern ins Hintertreffen zu geraten. Tschischka: "Wir dürfen nicht riskieren, dass Baden-Württemberg eines Tages im Verkehrsschatten liegt."
Bildung sei eine der derzeit größten politischen Baustellen, sagte Hauptgeschäftsführer Dieter Müller. Das Handwerk melde sich auf dieser Baustelle deutlich zu Wort, denn im baden-württembergischen Handwerk würden 2011 erneut wieder tausende von Ausbildungsplätzen nicht besetzt werden können. Einerseits fehle es an qualifizierten Bewerbern, andererseits zögen die Schülerströme immer stärker an der dualen Ausbildung vorbei. Gleichzeitig schlage der demografische Faktor zu. Von der Qualität der Berufsanfänger hänge aber die Zukunft einer ganzen Branche ab: "Denn nur aus guten Gesellen werden auch gute Handwerksmeister." Die duale Ausbildung müsse gestärkt und auch für leistungsstarke Schulabgänger wieder interessanter werden. Damit dies funktioniere, müsse die Berufsorientierung Pflichtthema in allen Schularten sein. Das Handwerk begrüße die neue Werkrealschule, vermisse aber insbesondere in der zehnten Klasse ein ausreichend differenziertes schulortnahes Angebot an Berufsfachschulen, das sich auf die handwerklichen Berufsfelder beziehe. Für leistungsstarke Auszubildende müsse an den beruflichen Schulen außerdem ein ausreichendes Angebot an Ergänzungsunterricht vorhanden sein. Als ersten positiven Ansatz bezeichnete er das vom Kultusministerium angedachte Wahlfach "Handwerk" in der zwölften Klasse der beruflichen Gymnasien.
Müller betonte, das Handwerk stelle sich auch der Ausbildung schwächerer Jugendlicher. Aber Handwerker seien nicht die neuen Nachhilfelehrer der Nation: "Das Ausbügeln sozialer und kognitiver Defizite darf nicht den Betrieben allein überlassen werden." Deshalb seien neue Formen der Kooperation und ausbildungsbegleitende Hilfen der Arbeitsverwaltung notwendig. Als großen Erfolg für das Handwerk bezeichnete Müller die Öffnung der Hochschulen. Sie müssten sich aber nun auch umgekehrt viel stärker dem Handwerk öffnen, dessen Inhaber und Mitarbeiter in die aktuellen technologischen Entwicklungen einbeziehen und Patenschaften übernehmen: "Die Hochschulen müssen raus aus ihrem Elfenbeinturm."
Die Wahlprüfsteine des Handwerks seien Pflichtlektüre für die Kandidaten aller Parteien, sagte Kammerpräsident Tschischka abschließend. Er kündigte an: "Handwerker werden ganz genau hinschauen, wer hinter dem Handwerk und damit hinter der Zukunft Baden-Württembergs steht."
Hinweis: Der Flyer zur Landtagswahl Baden-Württemberg am 27. März 2011 steht zum Download auf der Homepage der Handwerkskammer Mannheim unter www.hwk-mannheim.de bereit oder kann in gedruckter Form bei Stefanie Oser unter Tel.: 0621-18002-105 oder per E-Mail: oser@hwk-mannheim.de angefordert werden.