Dieser, durch das europäische Bildungsprogramm Erasmus+ auch finanziell geförderte, Lernaufenthalt ist nicht nur Ansporn für den Nachwuchs, andere Länder und Kulturen kennen zu lernen. Vor allem geht es darum, berufliche Erfahrungen außerhalb des eigenen Lehrbetriebs und Deutschlands zu sammeln.
Am heutigen Tag des Handwerks erhielten 27 junge Männer und Frauen in feierlichem Rahmen aus den Händen von Brita Meißner, Vorstand der Handwerkskammer Potsdam sowie des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer Potsdam, Ralph Bührig, ihre Europässe Mobilität. Dieser dokumentiert die gesammelten Erfahrungen und beruflichen Kompetenzen und ist ein anerkanntes Dokument.
Die Auszubildenden des Kammerbezirks Potsdam absolvierten in den vergangenen 12 Monaten ein mehrwöchiges Auslandspraktikum bei Partnern der Handwerkskammer Potsdam, über das Erasmus+-Projekt des OSZ „Eduard Maurer“, oder sie nahmen andere empfohlene Austauschangebote wahr. Ob Lehrling im Bäckerhandwerk, als Zahntechniker, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Maurer, Tischler oder Landmaschinenmechatroniker, ob Konditoren- oder Steinmetzazubi – alle brachten Erlebnisse mit, die ihr weiteres berufliches und persönliches Leben prägen. Dabei ging es nach England, Spanien, Italien, Dänemark, in die Niederlande, Türkei oder Frankreich.
Unter ihnen war auch Alexander Peglow, Auszubildender für Land- und Baumaschinenmechatronik in der KFL GmbH Löwenberg. Er wurde von seiner Chefin Claudia Degebrodt für seine gute Arbeit und guten schulischen Leistungen mit dem Auslandsaufenthalt belohnt. Als sie ihm den Vorschlag unterbreitete, war der angehende Land- und Baumaschinenmechatroniker zunächst einmal überrumpelt. Seine Eltern motivierten ihn, die Chance wahrzunehmen und das Abenteuer zu wagen. Dies und eine Nacht darüber geschlafen, und seine Entscheidung war gefallen. Im März führte ihn seine erste Auslandsreise drei Wochen ins spanische Malaga in einen Handwerksbetrieb für Gartengeräte. Alexander, 21, ist noch heute geflasht, denkt er an seine spanische Zeit zurück: „Das erste Mal völlig auf mich allein gestellt - klar hatte ich Bedenken und Zweifel, ob das wohl gut geht. Aber schon bei der Begrüßung waren diese vergessen, so herzlich wurden wir begrüßt und aufgenommen. Ich habe so vieles neu gelernt. Selbst die anfängliche Sprachbarriere war dank eines Crashkurses, Händen und Füßen, Mimik und Gestik und dem Googleübersetzer kein Problem mehr.“ Mit einem Mitbewohner verpflegte und organisierte er sich gemeinsam. Daraus entstand eine Freundschaft. Mit dem Zug ging es 20 Minuten zur Arbeit. „Ich habe mich super wohl gefühlt. Die spanischen Kollegen waren alle mega. Wir haben durch unseren Korrespondenten Antonio neben der Arbeit viel über Land, Leute und die Kultur erfahren und erleben dürfen. Für mich war es eine unglaubliche, wunderschöne Erfahrung, die ich keinesfalls missen möchte. Ich bin meiner Chefin und der Handwerkskammer so dankbar, dass sie mir dies ermöglicht haben.“ Als „Ritterschlag“ bezeichnet er besonders das Vertrauen seines spanischen Chefs, der ihn gleich am zweiten Tag einen Rasentraktormotor auseinander nehmen und überprüfen ließ. Für ihn ist klar: Wenn er ausgelernt hat, will er noch einmal zurückreisen und alle erneut besuchen.
Auch der Ausbildungsleiter der telent GmbH in Teltow, Stefan Bräsemann, machte bisher mit dem Erasmus+-Austauschprogramm für seine Lehrlinge durchweg gute Erfahrungen. Seit mehreren Jahren nutzt das Unternehmen die Betreuung durch die Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Potsdam und sendet jährlich zwei bis drei Auszubildende zu einem Auslandspraktikum nach England. Dabei schätzt der telent-Ausbildungsleiter die verlässliche Zusammenarbeit mit der HWK Potsdam. So stellte die Mobilitätsberaterin u.a. die Möglichkeiten, Vorteile und Rahmenbedingungen für einen solchen Austausch direkt im Unternehmen vor. 2018 zeichnete die telent GmbH auf diese Weise u.a. den Elektronikerazubi Nils Roessiger für seine schulischen und praktischen Leistungen aus. Auch Nils erhielt heute dafür seinen Europass. Für Bräsemann bietet das Programm durchaus eine win-win-Situation für den Betrieb selbst: „Die jungen Leute sammeln ja nicht nur Lebenserfahrungen. Ein solches Auslandspraktikum bedeutet einen Riesenbenefit für die Lehre selbst. Die Azubis kommen selbstbewusster, sprachlich gewandter, teamfähiger, reifer zurück. Diese Eigenschaften werden direkt in unseren Betriebsalltag transferiert, was natürlich dem Betrieb zugute kommt.“ Bei Nils Roessiger kommt dies besonders zum Tragen: Er lernt vorzeitig aus, bleibt dem Unternehmen erhalten und schließt seine Meisterschule direkt an die Ausbildung an. Die telent GmbH plant bereits die nächsten Aufenthalte, so bedeutsam ist dieses Instrument inzwischen für das Unternehmen.
Jeannette Kuplin, Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Potsdam, die das Projekt Erasmus+ und die Handwerksbetriebe betreut, motiviert anlässlich der diesjährigen Europassübergabe die Betriebe, eine solche Maßnahme aktiv zu nutzen: „Nicht nur die Azubis profitieren von diesem Austauschprogramm. Zusätzliche Fach- und Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen kommen dem Betrieb unmittelbar zugute. Die jungen Menschen werden offener für andere Arbeitsweisen und können sich an veränderte Situationen schneller anpassen. Zudem bindet man die jungen Menschen an das eigene Unternehmen, positioniert sich als attraktiver Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber. Erasmus+ ist also in Zeiten des Fachkräftemangels auch ein durchaus wichtiges Marketinginstrument. Wir unterstützen unsere Mitgliedsbetriebe bei der Antragstellung, sodass man die Bewerbung um die Fördergelder nicht scheuen muss. Wir organisieren einen Gastbetrieb, die Unterbringung und auf Wunsch eine Vor-Ortbetreuung in hoher Qualität.“
Erasmus+ ist das Programm für Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung. Dabei erhalten die Auszubildenden Stipendien, um im Ausland zu lernen, sich fortzubilden und zu arbeiten. So sollen Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden. Darüber hinaus hilft das Programm, den internationalen Blickwinkel zu schärfen.