"Dem Handwerk geht der Nachwuchs aus", verdeutlichte Möhrle die Problematik. Die Ursache sei allerdings nicht in einer abnehmenden Ausbildungsbereitschaft der Betriebe zu finden, sondern vielmehr im wachsenden Wettbewerb um immer weniger qualifizierte Bewerber. Und die wählten immer häufiger den rein schulischen Bildungsweg.
Deshalb habe das Handwerk zunächst die Pläne zu einer neuen Schulform begrüßt. "Von der stärkeren Berufsorientierung der Werkrealschule hatten wir uns eine Chance für das duale System erhofft", sagte Möhrle. Leider weise die neue Schulform gleich mehrere Schwachstellen auf, so Möhrle weiter. "Was von der ursprünglichen Idee übrig geblieben ist, können wir nicht wirklich akzeptieren."
Möhrle kritisiert insbesondere das Vorhaben, den Übergang zur Werkrealschule von der Mindestnote 3,0 in den Kernfächern abhängig zu machen. "Die neue Selektionsstufe steht im Gegensatz zur vollmundig angekündigten Gleichwertigkeit zum mittleren Bildungsabschluss." In diesem Punkt baue das Konzept auf die bekannten Mechanismen der Auslese. Übrig bleibe eine Werkrealschule als "Realschule 2. Klasse".
Kammerpräsident Möhrle wandte sich daher entschieden gegen diese Pläne: "Wir brauchen eine berufliche Werkrealschule, die der Realschule in allen Belangen gleichgestellt ist." Schließlich sei die neue Schule auf die Akzeptanz bei Schülern, Eltern, Lehrkräften und Betrieben angewiesen. "Warum sollte ein Schüler, der die Realschulempfehlung besitzt, freiwillig die Werkrealschule wählen?", gab Möhrle zu Bedenken. Von einer Gleichwertigkeit könne nicht gesprochen werden, solange die beiden Schularten sowohl im Hinblick auf die Grundschulempfehlung, als auch beim Übergang in weiterführende allgemein bildende Schulen nicht gleich behandelt werden.
Uneingeschränkter Hochschulzugang für Meister Eine andere bildungspolitische Entscheidung findet hingegen die ungeteilte Zustimmung des Handwerks. Mitte Juni trat das Gesetz zur Verbesserung des Hochschulzugangs beruflich Qualifizierter in Kraft. Es stellt den Meisterabschluss mit dem Abitur gleich. "Was das Handwerk seit langem fordert, ist nun Wirklichkeit", stellte Möhrle fest. Die Regelung stärke die Attraktivität der beruflichen Bildung.
Möhrle ging abschließend auch auf die Vergabewertgrenzen für öffentliche Ausschreibungen im Baubereich ein. Diese waren von der Landesregierung als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich erhöht worden. Diese Regelung soll nun zum Jahresende auslaufen. Möhrle kritisierte diese Entscheidung als "voreilig". Er empfahl, die Auswertung der vergangenen zwei Jahre abzuwarten, um zu sehen, ob sich diese "mittelstandsfreundliche" Regelung bewährt habe.
In diesem Zusammenhang begrüßte Möhrle die Fortführung des zwischenzeitlich wegen einer Haushaltssperre ausgesetzten Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien. "Verbraucher und Betriebe haben nun wieder Planungssicherheit." Gleichwohl beinhalte die neue Regelung einige Wermutstropfen. So fielen in Neubauten eingesetzte Anlagen aus der Förderung heraus, gleichzeitig würden die Anforderungen massiv verschärft. Der Anreiz für Hauseigentümer und Bauherren, auf erneuerbare Energien zu setzen, werde möglicherweise geringer, so Möhrle.