Konjunktur
In seinem Bericht an die Vollversammlung hatte Präsident Herrmann vor allem die konjunkturelle Situation im Kammerbezirk im Blick. Trotz der ausgebliebenen Frühjahrsbelebung seien die Handwerksbetriebe in der Region mit der aktuellen Geschäftslage überwiegend zufrieden. Nachdem die Wachstumsprognosen schon mehrfach nach unten korrigiert wurden, fehle es jedoch aktuell an Zuversicht, so Herrmann. Trotz der soliden Lage blickten zahlreiche Betriebe eher skeptisch auf die kommenden Monate. Danach bewerteten 64 Prozent der befragten Betriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb die Geschäftslage im zweiten Quartal als „gut“ (Vorjahresquartal: 68 Prozent). Unzufrieden waren 8 Prozent, ein Prozentpunkt weniger als vor 12 Monaten. Ein ähnliches Bild zeige sich bei den Erwartungen, denn quer durch alle Branchen rechnen derzeit 28,5 Prozent mit einem Umsatzplus, 18,6 Prozent erwarten einen weiteren Umsatzrückgang. Harald Herrmann: „Sicherlich sind die Vorlaufzeiten gegenüber dem letzten Jahr zurückgegangen, wenn man aber bedenkt, dass wir vor einem Jahr noch ca. 12 Wochen Vorlauf hatten und jetzt noch 4 bis 6 Wochen, sehe ich darin nicht die große konjunkturelle Katastrophe. Wir werden uns einfach den konjunkturellen Hausforderungen stellen müssen, was im Übrigen in der Vergangenheit schon mehrfach der Fall war. Wirtschaftliche Zyklen hat es immer gegeben und wird es immer geben, wir sind es einfach rückblickend auf die vergangenen 10 Jahre nicht mehr gewohnt.“
Gemeinsam Druck erhöhen
Angespannt bleibe die Lage der Baubetriebe, vor allem wegen des fehlenden Wohnungsbaus. Im Branchenvergleich liege die Stimmung des Bauhauptgewerbes derzeit auf dem letzten Platz aller befragten 8 Gruppen. Die Chancen auf einen baldigen Aufschwung schätzt die Bau- und Ausbaubranche indes gering ein. „Die baden-württembergischen Handwerkskammern reagierten mit Nachdruck auf die politischen Entscheidungen“, so Herrmann. Durch die Gründung der „Bau-Allianz“, der 8 Verbände angehören, werde der Druck auf die Landesregierung erhöht, Ansätze zu finden, um so schnell wie möglich die fehlenden 9 Millionen Quadratmeter Wohnfläche zu realisieren. „Alles, was das Land selbst zum Ankurbeln der Baukonjunktur tun kann, muss jetzt schleunigst auf den Weg gebracht werden. Und alles, was der Bund angekündigt hat, muss das Land von ihm einfordern“, so die Verbände Allianz aus Handwerk BW, Architektenkammer, Bauwirtschaft sowie den Vertretern der baufinanzierenden Banken, Sparkassen und Genossenschaftsverband. Die Landesregierung müsse endlich ihre Aktivitäten bündeln, damit die Unternehmen wieder eine gewisse Planungssicherheit haben.
Forderungen des Handwerks an die Politik
Herrmann sprach auch die Forderungen an die grün-schwarze Landesregierung an, die sich schwertue, noch innerhalb der ihr verbleibenden Zeit, große Themenbereiche wie Wohnungsbauförderung und die Verbesserung der beruflichen Bildung anzugehen. „Wir brauchen in vielen Bereichen sehr schnell zukunftsweisende und mutige politische Grundsatzentscheidungen. Dies gilt umso mehr für bundespolitische Entscheidungen sowie für Entscheidungen der EU-Kommissionen, mehr Einsatz beim Abbau von Bürokratie und mehr Verständnis für kleine Unternehmen in ihren Fokus zu stellen. Die Wähler haben bei der Europawahl einerseits jene Parteien geschwächt, die für die Belange der Wirtschaft wenig Verständnis gezeigt haben. Andererseits sind aber auch destruktive Kräfte gestärkt worden.“
Hauptgeschäftsführerin Christiane Nowottny startete ihren Bericht mit einem Thema, das ihr besonders am Herzen liegt.
Abgeschlossene Lehrverträge
Die Hauptgeschäftsführerin zeigte sich erfreut, dass mit Stand zum 30. Juni 2024 bereits 1.058 Jugendliche ihren Lehrvertrag im Handwerk abgeschlossen hätten. Das sei ein Plus von 8,85 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im baden-württembergischen Vergleich läge die Kammer über dem Durchschnitt, der bei einem Minus von 1,4 Prozent eingependelt hätte. Dennoch seien noch über 600 Lehrstellen, die in der Ausbildungsbörse verzeichnet sind, zu besetzen. „Abgerechnet wird zum Schluss wie Präsident Herrmann immer sagt, denn erst zum Jahresende wissen wir, wie es tatsächlich aussieht, wenn die Zahl der Lösungen von Ausbildungsverhältnissen in der Probezeit zum Tragen kommt“, fasst Nowottny zusammen.
Initiative „Erfolgreich ausgebildet – Ausbildungsqualität sichern“
Um die Zahl der in der Probezeit gelösten Ausbildungsverhältnisse zu verringern, wurde in der Kammer die Stelle einer Ausbildungsbegleitung geschaffen. „Unsere Mitarbeiterin unterstützt Auszubildende und Betriebe, um gefährdete Ausbildungsverhältnisse zu stabilisieren und die Zahl der Vertragslösungen zu verringern. Hintergrund der Förderung durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sind die jährlich mehr als 20 % an Ausbildungsverhältnissen, die aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig aufgelöst werden. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen bedeuten Vertragslösungen eine große, auch finanzielle Belastung. Gleichzeitig wird der Fachkräftebedarf in der Wirtschaft auch in den kommenden Jahren weiter steigen, während Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung weniger gefragt sind. Sie begleitet aktuell 22 Auszubildende in allen 5 Landkreisen aus unterschiedlichen Berufen“, berichtet Nowottny vom Projekt und fügt hinzu, dass das Ministerium die Förderung für die Jahre 2025 und 2026 verlängert und einen neuen Förderaufruf gestartet hätte.
Fachkräftesicherung durch Berufsbildungsvalidierung
Die Weichen, um die Fachkräftesicherung im Handwerk auch mithilfe der Berufsvalidierung zu stärken, seien gestellt. Das Berufsvalidierungs- und -digitalisierungs-gesetz beschlossene Sache. „Die für Handwerksbetriebe durchaus bedeutsame Zielgruppe von Erwachsenen, die durch langjährige Tätigkeit im Handwerk berufliche Kompetenzen erworben, aber keine Ausbildung abgeschlossen haben, bekommt durch die Validierung eine wichtige zweite Chance: ihre Leistung und ihre Kompetenzen werden anerkannt und sie werden in ihrer beruflichen Entwicklung bestärkt“, erklärt Nowottny. Gleichzeitig sei mit der verankerten Altersgrenze von 25 Jahren für den Zugang zur Validierung sichergestellt, dass dieses Verfahren nicht zu Lasten der betrieblichen Ausbildung gehe. Die nun beschlossene Fassung des Gesetzes sei eine gute Grundlage, um die Leistung und die Kompetenzen von berufserfahrenen Erwachsenen anzuerkennen und wertzuschätzen. Die Berufs-validierung könne so zu einem tragfähigen Baustein für die Fachkräftesicherung im Handwerk werden. Entscheidend für die Umsetzung sei jetzt, dass die Bundesregierung die zugehörige Verfahrensordnung schnellstmöglich auf den Weg bringe.
Zum Abschluss ihres Berichts gab Nowottny noch einen kurzen Einblick in die internen Entwicklungen in der Kammer. Über alle Geschäftsbereiche hinweg sei aktuell die Aufgabe, die Kammer bestmöglich zukunftsfähig aufzustellen. Fragen wie „Welche Anforderungen kommen kurz- und mittelfristig auf die Kammer zu?“, „Was wird von der Kammer langfristig erwartet?“, „Welche Leistungen sind für die Mitgliedsbetriebe in Zukunft wichtig?“ und noch weitere, Serviceprozesse betreffende, seien sehr wichtig. Nowottny: „Nach innen schauen und das vorhandene Potenzial sehen und weiterentwickeln, um ein moderner und attraktiver Dienstleister für die Mitgliedsbetriebe zu werden, das sollte für uns an erster Stelle stehen.“