Silke Rathmachers Ausbildungsalltag unterscheidet sich von dem ihrer Kolleginnen: Vier Mal ist für sie bereits am Mittag Schluss, nur einmal pro Woche ist sie den ganzen Tag im Betrieb, dafür muss sie jeden zweiten Samstag ran. Anders wäre es für die alleinerziehende Mutter eines noch nicht schulpflichtigen Kindes aktuell nicht möglich, einen Beruf zu lernen. Ohne Flexibilität gehe es nicht, weiß Rathmachers, auch wenn dann die Sechs-Tage-Woche eine Zeit lang zum Standard wird.
Länger auf eine Berufsausbildung verzichten, wollte die junge Frau nicht. In den vergangenen Jahren hatte Rathmachers mit Gastronomie und Handel verschiedene Branchen kennengelernt, aber eben als Praktikantin oder Jobberin. Eine Freundin machte sie auf ihren heutigen Ausbildungsbetrieb aufmerksam. „Ich kannte die Albmetzgerei Steinhart bereits als Kundin. Ich hatte einen guten Eindruck und dachte, ich probiere es einfach mal“, berichtet Rathmachers. Sie bewarb sich lange nach dem regulären Beginn des Ausbildungsjahres. Das Bewerbungsgespräch hat sie in guter Erinnerung behalten, „offen und sympathisch“ sei es gewesen. Der Probearbeitstag sei indes „heftig“ gewesen, habe aber letztlich ihren Ehrgeiz geweckt: „Das will ich auch können, habe ich mir gesagt.“
„Silkes Initiative hat uns überzeugt, persönlich und mit ihrem Engagement. Sie will diese Ausbildung machen, das zeigt sie im Betrieb und in der Schule. Wir unterstützen sie gerne dabei“, sagt Yvonne Steinhart-Kuster, im Familienbetrieb für die Ausbildung zuständig.
Die Teilzeitausbildung ist bereits seit 2005 gesetzlich verankert, um die duale Ausbildung bei Bedarf individueller gestalten zu können. Die wöchentliche Ausbildungszeit kann dabei bis auf 50 Prozent reduziert werden. Entsprechend verlängert sich die gesamte Ausbildungsdauer auf maximal das Eineinhalbfache der regulären Dauer. Ausgenommen sind die Berufsschule und die Überbetriebliche Ausbildung, an der Teilzeit-Azubis im selben Umfang wie andere Lehrlinge teilnehmen.
Rathmachers mag den Kontakt mit Kunden und die vielfältigen Anforderungen im Verkauf. Für Abwechslung sei gesorgt. „Man lernt nie aus“, ist sie überzeugt. Vor allem die Arbeiten, bei denen Kreativität gefragt ist, haben es ihr angetan. Besonders gerne kümmert sich um die attraktive Präsentation der Ware in der Theke oder legt Platten. Mit einer ihrer Arbeiten erreichte sie zuletzt den zweiten Platz bei einem Azubi-Team-Wettbewerb auf der diesjährigen Fachmesse Süffa in Stuttgart. Am Betrieb schätzt sie den familiären und kollegialen Umgang miteinander und nicht zuletzt das Entgegenkommen aller Beteiligten, das sie erhält, um das Projekt Teilzeitausbildung erfolgreich bewältigen zu können.
Inzwischen hat Silke Rathmachers ihre Zwischenprüfung mit der Note „Zwei“ abgelegt. Auch die Noten an der Berufsschule können sich sehen lassen. Aufgrund der guten Leistungen wird sie ihre Lehre vier Monate früher als ursprünglich vereinbart abschließen. Dieser Einsatz verdiene einfach Anerkennung, so Yvonne Steinhart-Kuster: „Silke bewältigt jeden Tag ein großes Pensum zwischen Arbeit, Schule und Kind. Sie ist ein Vorbild für alleinerziehende Mütter.“
Wenn alles glatt läuft, wird Rathmachers, die sich nun im dritten Lehrjahr befindet, ihre Ausbildung nächstes Jahr im September abschließen. Dann steht auch die Einschulung ihres Sohnes an. „Ich will erst einmal Arbeit und Einschulung unter einen Hut bringen“, beschreibt sie ihre Pläne. Wenn diese „Basis“ geschaffen ist, möchte sie beruflich vorankommen. „Eine Stelle als Teamleiterin im Betrieb, das wäre mein Traum“, sagt Rathmachers.
Die Albmetzgerei Steinhart GmbH wurde 1970 gegründet. Das Familienunternehmen stellt hochwertige Fleisch- und Wurstwaren in handwerklicher Tradition her. Als einer von wenigen Fleischereien verfügt der Betrieb über eine eigene Schlachtung. Die Tiere, die am Produktionsstandort Gammertingen verarbeitet werden, stammen ausschließlich von Höfen aus der Region, und zwar in einem Umkreis von 18 Kilometern um Gammertingen. Am Stammsitz und den 15 Filialen arbeiten 140 Beschäftigte in Produktion und Verkauf, davon 3 Auszubildende. Ausbildung hat einen hohen Stellenwert im Unternehmen. Es finden regelmäßig zusätzliche Schulungen und Produktionstage für Auszubildende im Verkauf statt. Neben einer übertariflichen Vergütung und einem jährlichen Ausflug gibt es auch finanzielle Benefits: Gute Noten in der Schule werden mit Gutscheinen honoriert.
Albmetzgerei Steinhart GmbH
Herdleäcker 1
72501 Gammertingen
www.albmetzgerei-steinhart.de
Zur Auszeichnung „Lehrling des Monats“
Die Auszeichnung wird seit Dezember 2014 vergeben. Vorgeschlagen werden können solche Auszubildende, die sich durch besonders gute Leistungen im Betrieb, in der Berufsschule und auch in der überbetrieblichen Ausbildung sowie ganz allgemein durch Lernbereitschaft, Zuverlässigkeit, Kundenorientierung, Teamfähigkeit und Belastbarkeit auszeichnen. Mit der Auszeichnung zum „Lehrling des Monats“ soll der Vorbildcharakter von jungen Erwachsenen hervorgehoben werden. Sie dient als Ansporn für andere, eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen. Besonders gewürdigt werden kann darüber hinaus beispielsweise auch ein über die Ausbildung hinausgehendes ehrenamtliches Engagement. Kurzum: Gesucht werden junge Persönlichkeiten, die in besonderer Weise geeignet sind, Vorbild für andere Lehrlinge und „Werbeträger“ für eine handwerkliche Ausbildung zu sein. Im Bezirk der Handwerkskammer Reutlingen werden von den 13.700 Handwerksbetrieben zurzeit über 4.300 Lehrlinge ausgebildet.