"Wir alle hier sind unheimlich stolz auf Wajdi. Ich habe gleich gesehen, dass er Talent hat und sehr ehrgeizig ist. Er will immerzu alles wissen", erzählt sein Ausbilder Roberto Laraia, der zu den besten Hairstylisten der Welt gehört, etliche Grand Prix-Siege eingeheimst hat und Landesmeister sowie Weltmeister bei der Berufsolympiade wurde. "Der Aufwand in der Ausbildung, den ich für ihn aufbringe, ist zwar höher als bei den anderen Azubis, aber das nehme ich gerne in Kauf."
In Syrien reicht für den Herrenhaarschnitt ein Rasierapparat
Bis Wajdi Rabbah in die Fußstapfen seines Meisters treten kann, werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen. Der junge zurückhaltende Mann lässt sich jedoch nicht so leicht verunsichern und fürchtet sich auch nicht vor Rückschlägen.
Nachdem er mit 17 Jahren alleine nach Deutschland flüchtete - seine Eltern und sein Bruder kamen in Idelb bei Bombenangriffen ums Leben - kam er zunächst in einer Asylunterkunft in Lörrach unter, wenig später in einer in Reutlingen. "Ich wusste nicht, was mich hier erwartet, was ich wusste war, dass ich etwas mit Haaren machen wollte, schließlich habe ich in Syrien, nachdem meine Schule ausgebombt wurde, zwei Jahre bei einem Friseur gearbeitet", berichtet Wajdi.
Doch zunächst musste der junge Mann die Schulbank drücken, um Deutsch zu lernen. An der Laura-Schradin-Schule in Reutlingen machte er seinen Hauptschulabschluss und im Friseursalon von Roberto Laraia zwei Praktika bis er im September 2017 seine Ausbildung begann. "Ich bin überaus glücklich, hier in Reutlingen zu sein und bei Roberto meine Ausbildung zu machen. Zwar bereiten mir die deutschen Friseur-Fachbegriffe noch ein paar Schwierigkeiten, aber das bekomme ich auch noch in den Griff", so Wajdi Rabbah, der mittlerweile aus der Flüchtlingsunterkunft in eine Ein-Zimmer-Wohnung gezogen ist. Auf die Frage, welche Unterschiede zwischen einem syrischen und einem deutschen Friseur beständen, antwortet er: "In Syrien gibt es nicht so viele verschiedene Haarschnitte für Männer und wir haben fast nie die Schere benutzt, nur den Rasierapparat. Zudem habe ich dort auch keine Frauen frisiert, hier ist das gang und gäbe."
Große Ersatzfamilie im Friseursalon
Trotz aller Unterschiede fällt es Wajdi leicht, sich in Reutlingen zu assimilieren. In seiner Freizeit hört er gerne Musik und spielt mit seinen Freunden Fußball. Nach Syrien zurückkehren möchte er nicht, zu schmerzhaft sind seine Erinnerungen. Sein größter Wunsch ist es, seine Ausbildung mit einer sehr guten Note abzuschließen und in naher Zukunft seinen Meister zu machen. Roberto Laraia sieht darin kein Problem: "Wir alle hier im Salon sind für Wajdi seine Familie und helfen ihm, wo wir nur können. Als Sohn eines italienischen Gastarbeiters der ersten Stunde weiß ich, wie wichtig es ist, angenommen und willkommen zu sein. Deshalb möchte ich Wajdi dabei unterstützen, seine Ziele zu erreichen."