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Immer mehr Abiturienten kommen ins Handwerk

(lifePR) (Reutlingen, )
Bis zu 25 Prozent der Auszubildenden in manchen Handwerksberufen haben inzwischen ein Abitur. Gilt also nicht mehr: Abi und dann ab in die Hochschule? Nein, das muss nicht sein. Immer mehr Abiturienten setzen auf eine Karriere mit Lehre und entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk.

Im Bezirk der Handwerkskammer Reutlingen ist der Anteil der Azubis mit Abitur deutlich gestiegen. Er lag bei den neuen Lehrlingen im Jahr 2014 bei 11,3 Prozent - und damit mehr als doppelt so hoch wie fünf Jahre zuvor (4,8 Prozent). Das Ergebnis im Kammerbezirk - mit seinen Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb - liegt damit im oberen Drittel der baden-württembergischen Kammern und über dem Landesdurchschnitt von 10,5 Prozent.

Das liegt nicht allein daran, dass bei weniger Schulabgängern insgesamt die Zahl der Abiturienten gewachsen ist. Denn während hier der Anstieg nur moderat ausfiel, konnte das Handwerk bei den Abiturienten sehr deutliche Zugewinne verzeichnen. "Wir freuen uns über diese Entwicklung, denn sie zeigt, dass das Handwerk für Abiturienten eine echte Alternative ist", sagt Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen.

Dass sich das Spektrum von Abiturienten bei der Berufswahl erweitert und der Weg nicht zwangsläufig vom Gymnasium an die Universitäten führen muss, könnte viele Betriebe hoffen lassen. Denn sie müssen sich nicht nur im härter werdenden Wettbewerb um Nachwuchskräfte behaupten, sondern sie müssen bei der Fachkräftesicherung auch der Weiterentwicklung von Berufsbildern und Arbeitsabläufen Rechnung tragen.

Vielseitige Talente gefragt
Längst ist im Handwerk nicht mehr nur Anpacken gefragt. Mit der zunehmenden Komplexität vieler Ausbildungsberufe steigen die Anforderungen an künftige Azubis. Geschick, vielfältiges Spezialwissen, Phantasie, logisches Denken, Kreativität und Spaß am Umgang mit Menschen: Das sind nur einige der Talente, die Abiturienten bei einer Lehre im Handwerk voll entfalten können.

Probieren statt Studieren
Ein weiterer Pluspunkt ist die Eigenständigkeit: Auszubildende sind von Anfang an gefordert, übernehmen Verantwortung und können eigene Ideen umsetzen. Das könnte gerade diejenigen locken, die nach zwölf oder mehr Jahren Auf-der-Schulbank-Sitzen und Zuhören nicht sofort in den Hörsaal wechseln wollen - zumal gerade die Bachelor-Studiengänge mittlerweile selbst reichlich verschult sind und Uni-Einsteigern nicht eben viel Raum zum Ausprobieren geben.

Die flachen betrieblichen Hierarchien im Handwerk bieten dazu genau den richtigen Rahmen und die notwendige Flexibilität. Das kann kleine Handwerksbetriebe auch im Vergleich zu großen Industrieunternehmen interessant für Individualisten machen.

Berufe mit Potenzial entdecken
Besonders beliebt waren zuletzt Berufe wie die Zimmerer, Schreiner, die Gesundheitshandwerker (Augenoptiker, Zahntechniker, Hörgeräteakustiker, Orthopädieschuhmacher und -techniker) oder Berufe im kreativen Bereich (Holzbildhauer, Goldschmiede) - um die 25 Prozent dieser Auszubildenden haben ein Abitur.

In ausbildungsstarken Berufen wie Kraftfahrzeugmechatroniker, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder Elektroniker, die bei den übrigen Schulabgängern regelmäßig die Hitlisten anführen, sind Azubis mit Abi dagegen nicht ganz so oft zu finden. "Hier gibt es immer noch Nachhol- und Informationsbedarf", sagt Hauptgeschäftsführer Eisert. "Denn gerade diese Berufe bieten spannende Aufgaben und besonders gute Zukunftschancen."

Ausbildung mit dem gewissen Extra
Noch dazu gibt es viele Ausbildungsextras - vom Auslandsaufenthalt in einem Austauschprogramm über fachspezifische Qualifizierungen oder zusätzliche Abschlüsse bis zu einer Kombination aus Lehre und Studium. "Es gibt viele und sehr individuelle Möglichkeiten, mit einer Lehre in die Karriere zu starten", so Eisert. Und diese Karriere kann im Handwerk richtig steil verlaufen. Schließlich führt kein anderer Wirtschaftsbereich so konsequent zur Selbständigkeit.

Einstieg in den Aufstieg
Nach der Lehre steht dem Aufstieg nichts im Weg: Wer nach der Gesellenzeit die Meisterprüfung ablegt, kann in Führungspositionen arbeiten oder den eigenen Betrieb führen. Die Aussichten auf einen erfolgreichen Einstieg in die Selbständigkeit sind im Handwerk besser als irgendwo sonst: Nach fünf Jahren haben sich etwa drei Viertel aller handwerklichen Existenzgründer etabliert. Für die Übernahme eines Betriebes stehen die Chancen ebenfalls gut: Über ein Drittel aller Handwerksunternehmen wird in den nächsten zehn Jahren den Betrieb aus Altersgründen in jüngere Hände übergeben.

Vom Meister zum Master
Wer nicht den klassischen Weg über den Meistertitel gehen möchte, dem bieten duale Studiengänge mit integrierter Lehre oder Praxisphasen im Handwerk eine gute Alternative; so können z. B. zehn Prozent der neuen Maurerlehrlinge ebenfalls das Abitur vorweisen. Außerdem wir für Auszubildende mit Abitur in vielen Handwerksberufen parallel zum Berufsschulunterricht auch die Zusatzqualifikation "Management im Handwerk" mit Fremdsprachen, EDV und Betriebswirtschaft angeboten.

Schließlich lässt sich mit einer guten Ausbildung und Berufserfahrung im Gepäck auch im Auswahlverfahren für zulassungsbeschränkte Studienfächer punkten und insgesamt erfolgreicher studieren. Wer aus der Praxis kommt, kann nämlich besser einschätzen, was ihn im späteren Berufsleben erwartet und was er dafür braucht.

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