So sei die sogenannte Transparenzinitiative der Europäischen Kommission bereits seit über einem Jahr ein Reizthema für das deutsche Handwerk. "Nachdem wir vor über elf Jahren erleben mussten, wie der Grundsatz der geprüften Qualifikation in 53 Berufen von der damaligen Bundesregierung über Bord geworfen wurde, droht vielen der 41 zulassungspflichtig gebliebenen Handwerke das gleiche Schicksal durch die EU," so Herrmann.
Dabei gelten in vielen EU-Staaten - selbst in den vermeintlich wenig regulierten und liberalen wie etwa Großbritannien - vergleichsweise viel stärkere Reglementierungen als in Deutschland. Denn auch wenn der Zugang zum Beruf dort zunächst unreguliert sei, so brauche man für viele speziellere Tätigkeiten dann doch Zertifikate und Qualifikationsnachweise, führte Herrmann aus.
Erhellend sei in diesem Zusammenhang eine Umfrage des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) beim Institut für Sachverständigenwesen in Köln. 80 Prozent der über 300 langjährigen Sachverständigen, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, berichteten über eine rückläufige oder sogar stark rückläufige Qualitätsentwicklung bei Anbietern ohne einschlägige Berufsqualifikation in den zulassungsfreien Handwerken. Bei Anbietern in diesem Bereich mit einschlägiger Qualifikation zeige sich hingegen eine gegenläufige Tendenz. Herrmann: "Diese Untersuchung deutet also klar auf einen Zusammenhang zwischen Berufsqualifikation und Qualitätsniveau der Arbeit hin und stützt unsere Forderung nach Erhaltung der Meisterpflicht im Handwerk."
Mindestlohn: Differenzierter Blick
Einen differenzierten Blick auf das neue Mindestlohngesetz forderte Herrmann dann unter Hinweis darauf, dass es das Handwerk gewesen sei, das immer wieder die Eindämmung von Lohndumping und die dadurch hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen verlangt habe. Schließlich habe man sogar zuletzt 1.600 neue Stellen zur Bekämpfung der Auswüchse auf diesem Gebiet gefordert und die Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen als Zuschlagskriterium angemahnt.
Bei aller verständlichen Kritik an manchen Details des Mindestlohngesetzes - vor allem den Dokumentationspflichten z. B. bei den mitarbeitende Familienangehörigen - rufe er zu einer differenzierten Bewertung des Gesetzes auf. Erfreulicherweise habe Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles kürzlich einige der Kritikpunkte des Handwerks aufgegriffen und angekündigt, die bürokratischen Fesseln des Mindestlohngesetzes zu lockern.
Flüchtlinge: Transparente Formel
Der Mindestlohn, so Herrmann, gelte im Übrigen auch dann, wenn Flüchtlinge eingestellt würden. Aber auch hier müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen seien fundamentale aber auch technisch-fachliche Grundkenntnisse der deutschen Sprache - eine Aufgabe, die allerdings weder von den überwiegend kleineren bis mittelgroßen Handwerksbetrieben noch von einer Handwerkskammer übernommen werden könne.
Der zentrale Punkt sei jedoch, dass endlich eine für jeden juristischen Laien transparente Rechtslage geschaffen werden müsse. So gelte es die Frage zu beantworten: Darf ich einen Flüchtling beschäftigen und - falls ja - zu welchem Zweck und wie lange? Deshalb fordere das Handwerk eine Regelung auf der Grundlage der Formel "3 + 2", d. h. drei Jahre Ausbildung und anschließend eine mindestens zweijährige Beschäftigung als Fachkraft. Schließlich investiere kein Handwerksbetrieb in die Ausbildung eines Flüchtlings, wenn er befürchten müsse, dass dessen Duldung nach zwölf Monaten auslaufe und er abgeschoben werde.
Umsatzsteuerfreier Leistungsaustausch: Ein Bärendienst
Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, ging schließlich noch auf das insbesondere für die Straßen- und Tiefbauer im Kammerbezirk äußerst kritische Thema der Legalisierung des umsatzsteuerfreien Leistungsaustauschs zwischen Kommunen und so genannten (kommunalen) Zweckverbänden ein.
Der Bundesfinanzhof hatte diesem Leistungsaustausch vor einiger Zeit einen Riegel vorgeschoben und entschieden, dass Leistungen, die ebenso durch am Markt tätige Wettbewerber erbracht werden könnten, der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Jetzt wolle die große Koalition diese Angelegenheit offensichtlich per Gesetzeskraft zu Gunsten der Kommunen klären. Das Handwerk habe auf allen Ebenen gegen das Vorhaben der Bundesregierung protestiert.
Schließlich müsse davon ausgegangen werden, dass maschinell gut ausgerüstete kommunale Bauhöfe den handwerklichen Straßen- und Tiefbauern noch mehr als bisher mit Erfolg Konkurrenz machen könnten, indem sie etwa einer anderen Gemeinde derartige Arbeiten anböten. Der Wettbewerbsvorteil sei klar: 19 Prozent.
"Letztendlich erweisen sich die Kommunen so allerdings einen Bärendienst," erläuterte Eisert. Sie sorgten dafür, dass die Handwerksbetriebe weniger Gewerbesteuer in die Gemeinkasse zahlten, dass sie gegebenenfalls Arbeitsplätze abbauen müssten und anschließend auch nicht mehr für die Ausbildung der eigenen Jugend sorgen könnten. "Das ist dann eine klassische "Loose-Loose"-Situation," schloss Eisert, "also eine Situation, bei der es nun wirklich keine Gewinner gibt."