In einem ungewöhnlichen Jugendhilfefall hatten Eltern im Sommer 1998 ihre 2 lernbehinderten Kinder ohne Kenntnis der deutschen Behörden in ein englisches Internat umgeschult. Ein Jahr später verlangten sie vom ehemaligen Landkreis Hannover die Übernahme der Kosten zunächst für 1 Jahr in Höhe von rund 75 000 DM mit der Begründung, ihre Kinder seien seelisch behindert und das deutsche Schulsystem nicht geeignet, um ihren Kindern eine angemessene Schulbildung zu gewähren.
Letzteres sei nur in England möglich. Nachdem der Landkreis Hannover die Leistung abgelehnt und den nachfolgenden Prozess beim Verwaltungsgericht Hannover im August 2001 gewonnen hatte, entschied im Berufungsverfahren das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zunächst für die Eltern und verpflichtete den Landkreis Hannover zur Leistung für die damals 12jährigen Kinder. Hätte dieses Urteil Bestand gehabt, hätte der Landkreis Hannover -heute die Region Hannover- die Internatskosten in England bis zum Schulabschluss tragen müssen, weil das Oberverwaltungsgericht Lüneburg auf der Grundlage eines psychologischen Gutachtens eine Rückführung der Kinder nach Deutschland für unzumutbar gehalten hatte.
Der Landkreis wehrte sich jedoch mit Erfolg beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses wies die Klage teilweise ab, wegen eines andern Teils der Klagforderung wurde das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits klargestellt, dass Jugendhilfemaßnahmen nicht für Zeiträume beantragt werden können, die in der Vergangenheit liegen.
In neuer Besetzung urteilte dieses nun abschießend und wies die Klage der Eltern entgültig zurück. Die wesentlichen Urteilsgründe sind:
- die Kinder waren in Niedersachsen gemeldet und daher hier auch schulpflichtig. Die erforderliche schulrechtliche Ausnahmegenehmigung war nie beantragt oder erteilt worden. Daher seien die Kinder durch den Besuch eines Internats in England ihrer Schulpflicht nicht nachgekommen.
- Ein nach deutschem Schulrecht nicht zulässiger Schulbesuch von Kindern, die hier schulpflichtig sind, kann aber auch keine geeignete Jugendhilfemaßnahme darstellen.
Auch im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit wurde am 1. Oktober 2005 das Kinder- und Jugendhilfegesetz geändert:
Der neue § 36a SGB VIII verpflichtet die Leistungsberechtigten, den Jugendhilfeträger vor Beginn einer Maßnahme vom Jugendhilfebedarf in Kenntnis zu setzen - andernfalls ist der Jugendhilfeträger nicht zur Leistung verpflichtet. Der Gesetzgeber hat damit deutlich die „Selbstbeschaffung“ von Jugendhilfeleistungen untersagt. Gleichzeitig wurde in § 27 Abs.2 SGB VIII Jugendhilfeleistungen im Ausland nur noch für Ausnahmefälle zugelassen.