Zunehmend mehr Beschäftigte arbeiten zu ungewöhnlichen Zeiten - etwa früh morgens, abends, am Wochenende oder in Wechselschichten. 2005 waren bereits mehr als 17 Millionen Menschen zumindest gelegentlich von solchen "atypischen" Arbeitszeiten betroffen. Entsprechend verschiebt sich ein Teil der Nachfrage nach Kinderbetreuung. Die öffentlichen Kindertagesstätten sind jedoch bislang nicht ausreichend auf den neuen Bedarf eingestellt. Auch im Osten, wo Ganztagsstätten die Regel sind, fehlt es an Flexibilität. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Michaela Schier vom Deutschen Jugendinstitut und Peggy Szymenderski von der TU Chemnitz. Die Forscherinnen führten Intensivinterviews mit 76 Müttern und Vätern aus Leipzig und München, die im Einzelhandel sowie in der Fernseh- und Filmproduktion arbeiten.
Beide Branchen "stehen exemplarisch für flexibilisierte Erwerbsbedingungen im städtischen Umfeld, die einen äußerst differenzierten Bedarf an Kinderbetreuungsangeboten bedingen", schreiben die Autorinnen. So entstehen Filme projektweise. Während eines Projektes sind lange Arbeitstage die Regel, Wochenend- und Nachtarbeit. Auch die im Einzelhandel verbreitete hochflexible Teilzeit-Erwerbstätigkeit entspricht nicht mehr der klassischen Halbtagsarbeit am Vormittag, auf die viele Kita-Angebote gerade in Westdeutschland abgestimmt sind. Der Samstag ist ein normaler Arbeitstag, doch Kitas und Schulen sind an diesem Tag geschlossen. Seit 2006, als die Interviews geführt wurden, hat sich Situation dieser Eltern nochmals verschärft, weil die meisten Bundesländern die Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr frei gegeben haben.
Auch im Jahresverlauf passen die Betreuungsangebote der meisten Kitas nur schlecht zu den Arbeitszeiten in den untersuchten Branchen. Gerade die Spitzenzeiten im Einzelhandel, etwa zwischen Weihnachten und Neujahr sowie Brückentage, fallen häufig mit Schließ- und Ferienzeiten in Schulen und Kitas zusammen. Filmteams drehen wiederum vor allem in den Sommerferien. Für die befragten Eltern heißt das, dass sie in diesen Phasen handfeste Betreuungsprobleme zu lösen haben. Das Gros ist dabei auf die Hilfe von Verwandten, Freundinnen, älteren Kindern oder Nachbarinnen angewiesen. "Nur wenige der befragten Eltern können aus finanziellen Gründen auf bezahlte private Betreuungskräfte wie Tageseltern, Au-pair-Kräfte, Kinderfrauen zurückgreifen", so die Studie.
Andererseits haben Väter und Mütter mit sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten oft dann frei, wenn ihre Kinder in der Schule oder in der Kindertagesstätte sind. Sie möchten ihre Kinder dann nicht oder erst zu einer späteren Tageszeit in die Kita bringen. Das ist aber aufgrund starrer Bringzeiten und unflexibler pädagogischer Module kaum möglich und kann sogar den Anspruch auf einen Betreuungsplatz gefährden.
Mütter und Väter mit flexiblen Arbeitszeiten wünschen sich eine ebenso flexible Kinderbetreuung, zugleich möchten sie nicht auf Qualität verzichten. Neben den starren Belegungskonzepten erweisen sich die pauschalen Beitragsmodelle als Hindernis, so die Studie. "Aufgrund fehlender Alternativen entscheiden sich manche der befragten Eltern dazu, teure Ganztagesplätze zu buchen, auch dann, wenn ihr zeitlicher Bedarf geringer ist", berichten die Autorinnen. Eine gute Lösung ist das nicht - Beschäftigte im Einzelhandel wie auch die meisten Filmschaffenden erzielen nur niedrige Einkommen; im Mediensektor kommt eine hohe Unsicherheit über künftige Aufträge hinzu.
Weitere Informationen und Infografik im neuen Böckler Impuls 13/2007. Download unter:
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