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Studie untersucht Betriebe mit hohem Zeitarbeiter-Anteil

Betriebsräte und Leiharbeit: Mehr Aufgaben, weniger Ressourcen

(lifePR) (Düsseldorf, )
Je mehr sich Betriebsräte auch um die Leiharbeiter in ihrem Betrieb kümmern, desto weniger Probleme gibt es dort. Das erfordert aber viel zusätzliche Arbeit, weil Leiharbeiter spezielle Fragen, Interessen und Probleme haben und das Nebeneinander von Zeitarbeitern und Stammbelegschaft nicht immer konfliktfrei abläuft. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, für die die Kasseler Sozialforscher Dr. Wolfram Wassermann und Wolfgang Rudolph Betriebsräte in Betrieben mit einem sehr hohen Leiharbeiter-Anteil befragt haben. Die zusätzlichen Anforderungen werden jedoch oft nicht auf die Personalausstattung der Arbeitnehmervertretung angerechnet - im Gegenteil, so die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung. Denn Leiharbeiter dürfen zwar unter bestimmten Bedingungen im Entleihbetrieb wählen, sie zählen aber nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bei der Berechnung der Mandate und Freistellungen für die Betriebsräte nicht mit.

Knapp 30 Prozent der befragten Betriebsräte berichteten, sie hätten mit der Arbeitgeberseite vereinbaren können, dass die wahlberechtigten Leiharbeiter doch mitgezählt wurden - in über 70 Prozent der Fälle gelang das aber nicht. In rund 30 Prozent aller untersuchten Betriebe fehlen daher im Schnitt zwei Mandate für die Vertretung der Leiharbeiter. Die Forscher befragten Betriebsräte in 80 Betrieben mit einem Leiharbeiter-Anteil von durchschnittlich 35 Prozent. Zum Vergleich: Im Organisationsbereich der IG Metall betrug der Anteil 2006 knapp vier Prozent. Allerdings hat sich die Leiharbeit in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet.

Schon die Kontaktaufnahme zu Zeitarbeitern erfordert spezielle Aktivitäten, zeigt die Studie: Knapp 30 Prozent der befragten Betriebsräte haben einen Verantwortlichen für Leiharbeitnehmerfragen benannt, 20 Prozent haben einen Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Gerade in kleineren Betrieben liegt dieser Aufgabenbereich aber einfach in den Händen der Vorsitzenden. Leiharbeiter haben zwar die Möglichkeit, die allgemeinen Sprechstunden und Betriebsrundgänge des Betriebsrates zur Kontaktaufnahme zu nutzen. Doch was als offenes Angebot für alle Beschäftigten gedacht ist, scheint für die Leiharbeiter oft nicht zu funktionieren, so die Studie. Ohne spezielle Ansprache - etwa durch eigene Vertrauensleute oder Versammlungen - nehmen sie solche Angebote nicht wahr.

Die Untersuchung bietet auch qualitative Einblicke in die Situation von Leiharbeitern. "Die Leiharbeiter arbeiten auf Teufel komm raus! Die lassen sich alles gefallen", so beschreibt ein Betriebsratsvorsitzender die Stimmung bei seinem Automobilzulieferer mit 650 Beschäftigten, davon 130 Leiharbeiter. Betriebsräte würden oft erst hinzugezogen, wenn zum Beispiel die besondere Bereitschaft der Zeitarbeiter zu Überstunden von Vorgesetzten instrumentalisiert werde. Dann müsse der Betriebsrat eine schwierige Schlichtungsfunktion übernehmen: die angestammten Rechte der Belegschaft wahren und gleichzeitig die Leiharbeiter nicht als Menschen zweiter Klasse behandeln. Dieser Spagat funktioniert vor allem da, wo Betriebsräte sich gezielt um Leiharbeiter kümmern.

Weniger Geld für die gleiche Arbeit zu bekommen sowie die Unsicherheit über eine mögliche Festanstellung - das sind aus Sicht der befragten Betriebsräte die größten Probleme der Leiharbeiter. Vor allem Betriebsräte, die ihre Leiharbeiteraktivitäten bereits professionalisiert haben, konnten noch genauer Auskunft geben: häufig nannten sie Konflikte um Arbeitszeit und Sozialleistungen sowie Konflikte mit den Stammbeschäftigten. In ihren Gesprächen mit Betriebsratsvorsitzenden stießen die Wissenschaftler immer wieder auf große Unzufriedenheit mit der Situation. Man sehe die schwierige Situation der Leiharbeiter, könne aber letztlich nicht viel tun.

Wenn der Anteil der Leiharbeit - wie häufig prognostiziert - weiter steigt, sehen sich die Betriebsräte vor einem Problem. Sie müssen eine wachsende Mitarbeiterzahl mit speziellen Problemen ohne ausreichende Ressourcen betreuen. Ein Vorsitzender in einem Maschinenbaubetrieb mit 380 Stammbeschäftigten und 350 Leiharbeitern berichtet, dass er in einem Jahr den Einsatz von 500 Zeitarbeitern geprüft habe. "Da fehlen oft Überstundenzuschläge. Wir gehen dann an die Personalabteilung ran, die sollen bei der Verleihfirma anrufen. Manchmal machen wir das auch selbst." Auch wenn Betriebsräte Übernahmeempfehlungen formulieren oder das Verhältnis von Stammbelegschaft zu Leiharbeitern klären, übernehmen sie Aufgaben des Personalmanagements. Dazu kommen häufig Bereiche, für die eigentlich ein Betriebsrat der Verleihfirma zuständig wäre. Doch ob es den überhaupt gibt, ist in den Entleihbetrieben häufig gar nicht bekannt.

Die Kasseler Studie kommt zu dem Schluss: Wenn die Integration von Leiharbeitern in die betriebliche Mitbestimmung nachhaltig gefördert werden solle, brauche es nicht weniger, sondern mehr Ressourcen für die Betriebsräte. Bei der Bemessung von Mandaten und Freistellungen für die Betriebsräte sollten künftig alle im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer zugrundegelegt werden. Das gelte ausdrücklich auch für die kurzfristig eingesetzten Leiharbeitnehmer, betonen die Forscher mit Blick auf die Erfahrungen der Betriebsräte. Denn gerade die Betreuung der "Kurzfristigen" verursache viel Arbeit.

Die komplette Studie als pdf: www.boeckler.de/...

Weitere aktuelle Forschungsergebnisse zur Mitbestimmung: www.boeckler-boxen.de/...
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