Kennzeichnend für eine Migräne sind anfallartige und in der Regel halbseitige Kopfschmerzen, zu denen sich meist weitere Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Licht- und Geräuschempfindlichkeit hinzugesellen. Betroffene Patienten sprechen von regelrechten "Attacken", die sie körperlich komplett außer Gefecht setzen. Die Ursachen einer Migräne sind komplex, die Liste möglicher Auslöser wie z.B. Stress, Schlafentzug, Alkohol, Menstruation lang. Doch die tatsächlich zu Grunde liegenden Mechanismen sind bislang nur unzureichend verstanden. Herzspezialisten wie Prof. Dr. Franz Xaver Kleber, Direktor der Klinik für Innere Medizin des Unfallkrankenhaus Berlin (UKB), haben nun eine weitere mögliche Ursache für die schmerzhaften Attacken in die Diskussion gebracht: ein kleines Loch im Herzen - im Fachjargon auch Persistierendes Foramen Ovale (PFO) genannt.
Etwa jeder vierte Erwachsene habe ein solches PFO, schätzt Kleber. Dass es dazu kommt, hängt mit der Entwicklung des Kindes im Mutterleib zusammen: Beim Ungeborenen sorgt ein Loch zwischen den beiden oberen Herzkammern dafür, dass der größte Teil des Blutstroms die Lunge umgehen kann. Kommt das Kind zur Welt und beginnt zu atmen, schließt sich die Öffnung im Normalfall. Bleibt ein solcher Verschluss aus, kann es unter bestimmten Druckverhältnissen im Brustkorb auch beim Erwachsenen noch zum Übertritt kleiner Mengen von Blut kommen.
Je nach Ausmaß können sich daraus ernsthafte Komplikationen ergeben - bis hin zum so genannten "kryptogenen Schlaganfall", bei dem kleine Blutgerinnsel durch das PFO in die linke Herzhälfte gelangen, von dort aus in den Körperkreislauf und das Gehirn weitertransportiert werden, wo sie ein Blutgefäß verschließen und einen Schlaganfall auslösen können. Wird außer einem PFO sonst keine Ursache gefunden, ist ein Schlaganfall daher heute ein Grund, das Loch mit Hilfe eines operativen Eingriffs zu verschließen.
Auf den Zusammenhang zwischen Herz und Kopfschmerz stießen Mediziner eher zufällig: Sie stellten fest, dass sich unter Migränepatienten doppelt so viele Personen mit einem PFO befanden wie unter jenen, die keine Schmerzattacken erleiden. Umgekehrt zeigten Studien, dass in bis zu 75 % aller Fälle, in denen das Loch geschlossen wurde, die Migräne-Attacken deutlich abnahmen. Rätselhaft ist bis heute allerdings, auf welchem Weg ein PFO Migräne auslösen könnte - und warum ein Schließen des Lochs im Herzen Kopfschmerzen lindert. "Wir stehen hier noch am Anfang der Forschung und es gibt bislang nur Vermutungen darüber", sagt Kleber.
Beim Deutschen Ärzteforum 2007 im Rahmen des Hauptstadtkongresses Medizin und Gesundheit vom 20. bis 22. Juni 2007 wollen sich Kleber und weitere Spezialisten über neue Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen PFO und Migräne austauschen. Zu hören sind u.a. Prof. Dr. Christian Gerloff, Neurologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Prof. Dr. Andreas Straube, Neurologe an der Ludwig-Maximillians-Universität München, und Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, Direktor der Klinik für Neurologie an der Berliner Charité, sowie Prof. Dr. Dr. Stefan Evers, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Münster.
Terminhinweis: Am Donnerstag, 21. Juni, findet in der Zeit von 12.15 Uhr bis ca. 12.45 Uhr ein Pressegespräch zum Thema "Kopfschmerzursache Nr. 1 das Herz?" statt. Teilnehmer sind Prof. Dr. F. X. Kleber (Kardiologe, Unfallkrankenhaus Berlin) und Prof. Dr. A. Ekkernkamp (Ärztlicher Direktor Unfallkrankenhaus Berlin). Ort: Pressezentrum im ICC Berlin, Messedamm 23, 14055 Berlin. Pressevertreter sind herzlich eingeladen.