KARDIOLOGIE
Bei Verdacht auf Herzinfarkt ist neben EKG und Klinik die Bestimmung eines Laborparameters üblich. "Der Goldstandard kardiales Troponin liefert erst frühestens sechs Stunden nach Spitalsaufnahme eine exakte Diagnose. Mit dem seit kurzem verfügbaren sensitiveren Troponin-Test ist dies bereits in der halben Zeit möglich", erklärt Priv.-Doz. Dr. Angelika Hammerer-Lercher, Fachärztin für Laboratoriumsmedizin im Zentralinstitut für medizinische und chemische Labordiagnostik in der Universitätsklinik Innsbruck. Außerdem besitzen die sensitiveren Tests Aussagekraft über die Prognose des Patienten. Die verkürzte Diagnostik ermöglicht einen früheren Therapiebeginn und erhöht dadurch die Überlebenschancen. Positiver Nebeneffekt: Patienten, die keinen Herzinfarkt haben, werden zur Abklärung eventuell weniger lang im Krankenhaus bleiben müssen.
Daneben sind in der Kardiologie derzeit mehrere viel versprechende Marker für Herzinfarkt und Herzinsuffizienz Gegenstand großer Studien. Untersucht wird, inwieweit sie zu einer exakteren Einschätzung von Prognose und Frühdiagnose sowie des individuellen Erkrankungsrisikos beitragen können.
INTENSIVMEDIZIN
Sepsis ist nach Tumoren und akutem Myokardinfarkt die dritthäufigste Todesursache, mit stark steigender Inzidenz. In den letzten Jahren wurden neue labormedizinische Sepsismarker mit hoher Spezifität und Sensitivität entwickelt. Diese ermöglichen eine frühere Diagnose als durch klinische Veränderung sowie eine Differenzierung zwischen infektiöser und nicht-infektiöser Ursache der systemischen Entzündungsreaktion. Sie geben Auskunft über den Schweregrad der Erkrankung, erlauben eine frühe Therapieeinleitung und sind ein wertvolles Instrument zu deren Überwachung. "Dadurch wird das individuelle Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko deutlich gesenkt", berichtet ao. Univ.-Prof. Prim. Dr. Gabriele Halwachs-Baumann, MSc, MBA, Leiterin des Institutes für Medizinisch-Chemische Labordiagnostik, LKH Steyr. Als Beispiel nennt die Expertin die Neugeborenensepsis, die durch Interleukin 6 bereits wesentlich früher detektiert werden kann als durch die bewährten Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) und Procalcitonin. Dies ermöglicht die rasche Einleitung einer adäquaten Antiobiotikatherapie und kann Leben retten.
IMMUNOLOGIE
Zur Identifizierung von Autoimmunerkrankungen ist eine genaue, klare und gezielte Diagnostik unumgänglich. Voraussetzungen sind ein entsprechendes klinisches Bild, der Einsatz geeigneter Tests zum Autoantikörpernachweis und die fachkundige Interpretation der Ergebnisse. Richtig erkannt, sind Autoimmunerkrankungen meist sehr effektiv zu behandeln. "Der Autoantikörpernachweis ist technisch einfach, die Interpretation der Ergebnisse allerdings nicht immer, weil die verfügbaren Testverfahren nicht standardisiert sind", bedauert Univ.-Prof. DDr. Manfred Herold, Universität Innsbruck, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie und Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Leiter im Rheumalabor an der Universitätsklinik für Innere Medizin 1 in Innsbruck. An der Lösung dieser Problematik wird weltweit gearbeitet. Hierzulande werden von der österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung medizinisch-diagnostischer Untersuchungen (ÖQUASTA) Rundversuche organisiert. Diese sollen nach wissenschaftlichen und firmenneutralen Gesichtspunkten und in enger Zusammenarbeit mit laborführenden Ärzten zu einer Verbesserung der Vergleichbarkeit, Zuverlässigkeit und Standardisierung von Laboruntersuchungen beitragen.
ÜBERGEWICHTSFORSCHUNG
Neue Forschungsergebnisse haben zu einem Umdenken geführt, wie Übergewicht entsteht und welche Faktoren daran wesentlich beteiligt sind. Bahnbrechend waren beispielsweise die Erkenntnisse aus dem Jahr 2009 über die Rolle von braunem Fettgewebe, dessen ausschließliche Funktion die Wärmeproduktion ist. Bis dahin war bekannt, dass Neugeborene mit relativ viel braunem Fettgewebe ausgestattet sind, dieses jedoch im Laufe der ersten Lebensmonate weitestgehend abgebaut wird. Im Jahr 2009 wurden Forschungsergebnisse publiziert, wonach auch viele Erwachsene sehr wohl braunes Fettgewebe in relevanten Mengen besitzen. Diese verbliebenen braunen Fettdepots befinden sich um die großen Blutgefäße im Hals- und Brustbereich. Tierversuche haben gezeigt, dass durch dessen Aktivierung Übergewicht bekämpft werden könnte.
Zirka 50 Gramm aktives braunes Fettgewebe im menschlichen Körper würden ausreichen, um 20 Prozent des Grundumsatzes zusätzlich für Wärmeproduktion zu verbrennen. "Dadurch würde bei normaler Kalorienzufuhr innerhalb kurzer Zeit eine deutliche Gewichtsreduktion ohne spürbare Erhöhung der Körpertemperatur stattfinden", meint Harald Esterbauer, Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien. Mittlerweile wurde bereits ein Gen (Gen PRDM16) identifiziert, das in der Lage ist, braunes Fettgewebe zu aktivieren.
Ein Wiener Forscherteam entdeckte kürzlich ein Gen ("Hegehog"), das weißes Fettgewebe bremst, braunes Fettgewebe jedoch schützt. Durch Aktivierung dieses Gens ist es gelungen, Mäuse bei voller Gesundheit extrem schlank werden zu lassen. Neue therapeutische Optionen zur Verhinderung bzw. Behandlung von Fettleibigkeit rücken damit in greifbare Nähe.
LABORDIAGNOSTIK SPART KOSTEN
Labordiagnostik wird völlig zu Unrecht als hoher Kostenfaktor angesehen. Sie spielt heute sowohl in der Diagnostik und Prävention als auch in der Verlaufskontrolle von Therapien eine unverzichtbare und stetig wachsende Rolle, die auch ein gewaltiges Einsparungspotenzial eröffnet. In Österreich liegen die Laborkosten etwa in der Größenordnung von drei Prozent der Spitalskosten. "Der Nutzen ist jedoch vergleichsweise groß, da etwa zwei Drittel aller Krankheiten mit Hilfe der Labormedizin diagnostiziert werden", erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, PhD, Klinisches Institut für Medizinische & Chemische Labordiagnostik, Medizinische Universität Wien. Der Experte spricht sich gegen zentralisierte Großlabors zugunsten regionaler Konzepte unter Bedachtnahme auf Transportdauer und Patientenkollektive aus. Denn eine verzögerte Verfügbarkeit von Befunden verursache überproportionale Folgekosten. Szekeres: "Wenn beispielsweise ein Spitalsarzt bestimmte Blutwerte nicht rechtzeitig zur Visite verfügbar hat, wird er bei einigen Patienten die Entlassung hinauszögern. Liegt etwa im Wiener AKH ein Prozent der Patienten einen Tag länger als notwendig, verursache dies - auf der Basis von 1.000 Euro Tageskosten und 560.000 Belegtagen - Mehrkosten von rund 5,6 Millionen Euro jährlich."
Quelle: Pressefrühstück am 6. Oktober 2010 in Wien anlässlich der vom 27.-30. Oktober stattfindenden 3. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (ÖGLMKC)