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Sachsens Dachdecker kritisieren EU-Pläne zum Meisterbrief

Deutliche Worte von Landesinnungsmeister Christoph Brosius

(lifePR) (Mintraching, )
"Wenn die Zugangsbeschränkungen zu unseren Berufen weiter gelockert werden, sollten wir ins Gesundheitsgeschäft einsteigen", so Christoph Brosius, Landesinnungsmeister des Dachdeckerhandwerks in Sachsen.

Diese auf den ersten Blick lustig klingende Ankündigung werden auch die Teilnehmer des 9. Landesverbandstages seines Gewerkes am 09.-11. Mai in Markkleeberg bei Leipzig von ihm hören. Denn sie hat einen ernsten Hintergrund.

Auch knapp zwei Monate nach der Internationalen Handwerksmesse in München lassen sich Zweifler wie Sachsens oberster Dachdecker nicht überzeugen. Zur Eröffnung der IHM hatte der Generaldirektor der EU-Kommission, Daniel Calleja Crespo, für Aufatmen und eine "Entwarnung" gesorgt. "Der Meisterbrief sei eine der Säulen der deutschen Wirtschaft", betonte er.

Genau diesem Frieden aber traut Brosius nicht - wie viele andere Vertreter des Handwerks auch. Schließlich sollten die Staats- und Regierungschefs die Zugangsschranken für regulierte Berufe erst mal begründen, so der konkrete Auftrag der EU-Kommission an die Mitgliedsstaaten.

Zugangsbeschränkungen sind übrigens kein "deutsches Phänomen". Im angelsächsischen Wirtschaftsraum bestimmen beispielsweise die großen Versicherer, wer ein Dach nach einem Schadensfall abdichten darf und wer nicht. Wer bei dem Versicherer des Investors nicht gelistet ist, erhält auch keinen Auftrag. Weitaus gerechter ist da das kontinentaleuropäische System mit einem Meisterbrief, der überall gilt und Ansehen genießt. Noch dazu, weil dieses System in der Selbstverwaltung des Handwerks liegt und nicht von privatwirtschaftlichen Interessen gesteuert wird.

Betroffen wären von Lockerungen der Zugangsbeschränkungen neben dem Handwerk übrigens auch zahlreiche weitere Branchen und Berufe. "Da man auch die hohe Qualifikation der Apotheker im Visier hat, sollten wir Dachdecker vielleicht künftig unser Geld mit dem Verkauf von Arzneimittel machen, anstatt Gebäude zu erhalten und energetisch zu optimieren", so der Landesinnungsmeister.

Eine geringere Qualifikation für den Zugang zum Dachdeckerhandwerk würde nach seiner Ansicht dem Pfusch Tür und Tor öffnen. Die Arbeit von wenig qualifizierten Anbietern zu erleben, gehört zu Brosius' "täglichem Brot": Die sogenannten Dach-Haie bieten Kunden schlechte Leistung zu überhöhten Preisen. Genau davor soll auch der Meisterbrief als Zugangs-Qualifikation - nicht als Beschränkung - schützen. Würde er durch eine EU-Entscheidung abgeschafft, wäre auch die Ausbildungsqualität in Gefahr. Denn paradoxerweise würde der Meister als Ausbilder künftiger Fachkräfte abgeschafft, um so dem Fachkräftemangel zu begegnen. Minder qualifizierte Ausbilder sollen also die Fachkräfte von morgen ausbilden?

Spannend wird das Thema in jedem Fall bleiben. Schließlich ist im Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD vom 27.11.2013 auf Seite 21 zu lesen:

"Wir wollen ein starkes Handwerk. Deutschland wird die europäische Diskussion über eine verstärkte Öffnung des Dienstleistungsbinnenmarktes konstruktiv begleiten. Wir werden allerdings unverändert darauf hinwirken, dass der Meisterbrief nicht durch Maßnahmen des europäischen Binnenmarktes beeinträchtigt wird und erhalten bleibt".

Auch die Bundeskanzlerin hat diesen Vertrag unterschrieben. Genau da bleibt für Landesinnungsmeister Brosius nur Unverständnis. Denn die Diskussion um den Meisterbrief wurde nämlich ursprünglich nicht etwa von EU-Bürokraten angeschoben. Ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel war es, die in ihrem "Pakt für Wachstum und Beschäftigung" gemeinsam mit anderen europäischen Regierungschefs darauf hingewiesen hatte, dass unverhältnismäßige Hemmnisse beim Zugang zu reglementierten Berufen bestehen. Und sie forderte ausdrücklich die Abschaffung ungerechtfertigter regulatorischer Beschränkungen im Binnenmarkt.

Ganz anders klingt das im Koalitionsvertrag: "Wir wollen - unter Einbeziehung der Kammerorganisationen - außerdem anderen Mitgliedstaaten bei der Einführung des erfolgreichen deutschen Systems der dualen Ausbildung einschließlich des Großen Befähigungsnachweises behilflich sein ...". Also exportieren, was Deutschland selbst nicht mehr braucht? Ein fragwürdiges Konzept, das schon bei Plastikmüll wenig Sinn gemacht hat.

Wenn der Meisterbrief auf EU-Order hin aufgeweicht oder abgeschafft wird, zeigt eine Studie des Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Uni Göttingen, was der Gesellschaft und der Wirtschaft dann droht: Von den Betrieben, die ohne Meister gegründet wurden, bilden nur noch drei Prozent aus. Als in diesen Gewerken der Meisterbrief noch Pflicht war, lag die Ausbildungsquote bei 20%.

Christoph Brosius freut sich schon mit seinen rund 500 Mitgliedsbetrieben in den landesweit 12 Dachdecker-Innungen auf den Schnellkurs "In 30 Tagen zum Chirurgen". Die Aufweichung von Zugangsqualifikationen dürfte dann weder Hausbesitzer noch Patienten wirklich freuen.

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HF.Redaktion Harald Friedrich

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