2011 erreichte die Studienanfängerquote mit 55 % ihren bislang höchsten Wert. Ursächlich hierfür waren vorübergehende Einflüsse wie die doppelten Abiturjahrgänge und das Aussetzen der Wehrpflicht, aber auch die wachsende Beteiligung an den zu einer Studienberechtigung führenden Bildungsgängen. Die Studienanfängerzahl wird nach den aktualisierten Bildungsvorausberechnungen auch in den nächsten Jahren auf oder sogar über dem Niveau der Jahre vor 2008 liegen, selbst wenn die Auswirkungen der Einmaleffekte (doppelte Abiturjahrgänge und Aussetzen der Wehrpflicht) nachlassen (s. Abbildung).
"Eine Entspannung der hohen Auslastung der Hochschulen ist bis 2025 nicht in Sicht. Die Hochschule ist auf dem Weg, zur wichtigsten Ausbildungseinrichtung unserer Volkswirtschaft zu werden", erläutert Prof. Dr. Andrä Wolter, für das HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) Mitglied der Autorengruppe des Bildungsberichts. "Die historisch gewachsenen Abgrenzungen zwischen beruflicher Bildung, Hochschulbildung und Weiterbildung werden fließender und das Verhältnis zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung muss neu justiert werden. Diese Entwicklung wird mehr noch als für die berufliche Bildung eine enorme Herausforderung für den Ausbildungsauftrag und die Ausbildungsangebote der Hochschulen bedeuten", so Wolter weiter.
Unmittelbare Folgen hat die hohe Studiennachfrage für den Ressourcenbedarf in der Lehre an den Hochschulen. Der Hochschulpakt 2020 scheint nach den aktuellen Vorausberechnungen in einer Größenordnung von ca. 300.000 Studienplätzen deutlich unterdimensioniert zu sein. Eine Herausforderung bleibt darüber hinaus, die Studiennachfrage erfolgreich in Abschlüsse münden zu lassen - die Studienabbruchquote von 35 % in Bachelorstudiengängen an Universitäten und der anhaltend hohe Studienabbruch in den Ingenieur- und Naturwissenschaften zeigen wichtige Problemfelder auf.
Offen ist, welche Rolle der Bachelorabschluss künftig für die berufliche Tätigkeit und die Berufslaufbahn spielen wird. Bisher bildet er insbesondere an den Universitäten für bis zu 80 % der Absolvent(inn)en primär die Vorstufe für ein Masterstudium. "Dem Arbeitsmarktwert des Bachelors misstrauen viele Studierende noch. Insgesamt verlief der Berufsübergang nach dem Hochschulabschluss in den letzten Jahren aber trotz der steigenden Absolventenzahlen weitgehend reibungslos", erläutert Dr. Christian Kerst, der ebenfalls für HIS-HF am Bildungsbericht beteiligt ist.
Dies sind einige der zentralen Botschaften des soeben erschienenen vierten nationalen Bildungsberichts "Bildung in Deutschland 2012". Für den Bericht hat das HIS-Institut für Hochschulforschung, das Teil der HIS Hochschul-Informations-System GmbH ist, in Kooperation mit den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder erneut das Kapitel zur Hochschule beigesteuert.
"Bildung in Deutschland 2012" ist der vierte Bildungsbericht, der unter Federführung des Deutschen Instituts für internationale pädagogische Forschung (DIPF) zusammen mit dem HIS-Institut für Hochschulforschung, dem Soziologischen Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI), dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) und den Statistischen Ämtern von Bund und Ländern erstellt wird. Auftraggeber sind die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Hochschulkapitel F enthält neben den erwähnten Themen ausführliche Informationen zum Übergang ins Studium und zur Studiendauer, zur Einschätzung der Studienqualität durch die Studierenden, zum beruflichen Verbleib der Absolventinnen und Absolventen sowie erstmals auch zur Finanzierung der Hochschulen.
Der komplette Bildungsbericht 2012 kann unter www.bildungsbericht.de heruntergeladen werden.