Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung zu gestalten, ist ein ebenso wichtiges wie anspruchsvolles bildungspolitisches Ziel. Dies gilt erst recht, wenn das Studium neben der Erwerbs- oder Familienarbeit studierbar sein soll. Fragen der Flexibilisierung der Studienzeiten und Studienorte, der Entwicklung von an Berufserfahrung anschließenden Lernmethoden, der Ausgestaltung von Informations- und Beratungsangeboten sowie der Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen auf ein Hochschulstudium treten auf die Agenda der Hochschulen. Für die Studieninteressierten stehen Fragen der inhaltlichen Passung des Studiengangs, der Integration in die Hochschule sowie der zeitlichen Organisation im Mittelpunkt. An diesen Herausforderungen setzt die BMBF-Initiative "ANKOM - Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung" an.
Einbezogen in die Initiative sind Studiengänge von Universitäten und Fachhochschulen in den Bereichen Pflegewissenschaften, Diabetes Care, frühkindliche Bildung, Soziale Arbeit, Betriebswirtschaftslehre, Finanzmanagement, Chemie, Biologie, Optometrie und Landwirtschaft, Betriebspädagogik sowie Bibliothekswesen. Die Maßnahmen reichen von Assessments bis zu Beratungsangeboten, von Brückenkursen bis zum Mentoring. Durch diese Maßnahmen und die Anrechnung beruflicher Kompetenzen soll die nebenberufliche Studierbarkeit verbessert werden. Die Projekte werden bis Herbst 2014, die wissenschaftliche Begleitung bis März 2015 gefördert. Programmträger ist das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB); die wissenschaftliche Begleitung wird durch das HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) in Kooperation mit dem Institut für Innovation und Technik (iit) wahrgenommen.
Die Auftaktveranstaltung "Übergänge gestalten!", die HIS-HF mit finanzieller Unterstützung des BMBF im Harnack-Haus in Berlin ausrichtete, diente dazu, die Fragestellungen der Initiative abzustecken. Bereits am 28. Februar waren daher die Projekte, die wissenschaftliche Begleitung, der Projektträger und das BMBF zusammengekommen. Am 29. Februar präsentierten sie sich anschließend einer größeren Fachöffentlichkeit. Dr. Edith Braun, Wissenschaftliche Leiterin des HIS-Instituts für Hochschulforschung, hob in ihrem Grußwort die große Bedeutung der Initiative hervor. Die Arbeit der Projekte lasse wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung im Hochschulsektor erwarten. Wolfgang Bischoff, Referent der Abteilung Berufsbildung und Lebenslanges Lernen des BMBF, wies auf die Stärke der beruflichen Bildung hin, die die Durchlässigkeit in die Hochschule umso dringlicher werden lasse. "Zielsetzung der Initiative ist", so Bischoff, "dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es beruflich Qualifizierten ermöglichen, ein Studium erfolgreich abzuschließen." Barbara Hemkes als Vertreterin des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) gab bekannt, dass das BIBB sich wissenschaftlich unter anderem der Entwicklung zielgruppenspezifischer Informations- und Kommunikationskonzepte zuwenden werde. "Wir wollen damit auch deutlich machen, dass eine verstärkte Kooperation zwischen der beruflichen und hochschulischen Bildung Entwicklungspotenzial für beide Bereiche bietet", sagte Hemkes.
Der Festvortrag von Prof. Dr. Ada Pellert, Präsidentin der Deutschen Universität für Weiterbildung, entwarf das Bild einer Hochschule, die sich den Anforderungen des lebenslangen Lernens für beruflich Qualifizierte stellt. Nachhaltigkeit werde nur erreicht, so ihre These, wenn es Veränderungen sowohl in den Strukturen, als auch in den Prozessen der Hochschulen und den Einstellungen der Akteure gebe. Hierzu sei eine Überprüfung von Selbst- und Fremdbild notwendig. Aufgrund der bisher üblichen Angebotsorientierung sei es besonders schwer einzuschätzen, wie die Studienangebote der Hochschulen wahrgenommen und beurteilt würden. Weiterbildende Studienangebote in die Finanzierungsindikatoren und Zielvereinbarungen der Hochschulen einzubetten, wäre für Pellert ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Hochschule lebenslangen Lernens.
Die wissenschaftliche Begleitung skizzierte die inhaltlichen Schwerpunkte, Ziele und Herausforderungen der Initiative. "Gegenwärtig ist unklar", betonte Dr. Walburga Freitag, Projektleiterin am HIS-Institut für Hochschulforschung, "welche Maßnahmen den Studienerfolg verbessern können und wie sie ihn verbessern." Studierende sind in verschiedene "soziale Räume" involviert. Je älter Studierende sind, umso komplexer werden die Zusammenhänge der "sozialen Ordnungen" dieser Räume. Nebenberuflich Studierende sind in die sozialen Räume "Privatleben", "Erwerbsarbeit" und "Hochschule" integriert. Ihre berufliche Sozialisation haben sie im Sozialraum der beruflichen Bildung erfahren. Nebenberuflich Studierende stehen damit vor der Herausforderung, die Erwartungen aus den verschiedenen sozialen Räumen, die für sie von Bedeutung sind, auszubalancieren. Auch die Wirkung von Übergangsmaßnahmen für beruflich qualifizierte Studienbewerber(innen) ist nicht per se positiv. Eine gute Studienberatung kann das Informationsdefizit beheben und entweder die Sicherheit stärken, dass das Studium studierbar ist, oder aber zu dem Schluss führen, dass es vor dem Hintergrund der privaten und beruflichen Rahmenbedingungen nicht studierbar ist. "Bisher gibt es wenig Forschung zu diesen Themen", so Freitag weiter, "und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für einzelne Bereiche wie zum Beispiel die Beratung vorliegen, werden selten berücksichtigt."
Die ausgewählten Projekte veranschaulichten ihre Ziele, Konzepte und Maßnahmen im Rahmen einer Posterpräsentation und stellten sich den Fragen der Fachöffentlichkeit. Deutlich wurde, wie stark die geplanten Ansätze der Projekte von den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängen, die einerseits durch die Größe und den Typus der Hochschule, andererseits durch die Charakteristika der Zielgruppen bedingt sind.
Eine abschließende Podiumsdiskussion widmete sich der Frage, welchen Beitrag verschiedene gesellschaftliche Akteure leisten können, um mehr beruflich Qualifizierte für ein Hochschulstudium zu gewinnen und ein erfolgreiches Studieren zu unterstützen. Zu Wort kamen Vertreter(innen) der beruflichen Bildung und der Hochschulen, der Gewerkschaften und Arbeitgeber, der Studierenden und der Wissenschaft. Sie alle vereinte das Ziel, mehr Durchlässigkeit beim Zugang in die Hochschule zu erreichen. Deutlich wurde aber auch, dass alle Akteure eingefahrene Wege verlassen müssen, um neuen Studierendengruppen ein bedarfsgerechtes Studium zu ermöglichen. Die Podiumsteilnehmer(innen) debattierten außerdem über die Frage der Notwendigkeit stärkerer staatlicher Regulation, über die Finanzierungsstrukturen von Hochschulen und die Unterstützungsmöglichkeiten von Arbeitgebern und Gewerkschaften für studierende Berufstätige und in der Familienarbeit Tätige.
Die Tagungsdokumentation sowie weitere Informationen zu der Initiative "ANKOM - Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung" finden sich auf der Website der wissenschaftlichen Begleitung unter ankom.his.de<http://ankom.his.de>.