Kein Land der westlichen Welt sieht vor, dass Frauen Chefetagen fernbleiben, und obwohl wir in Deutschland lange eine erfolgreiche Kanzlerin hatten, sind Frauen in Führungspositionen hierzulande noch immer in der Minderheit. Zwar hat sich der Anteil in den letzten Jahren stetig erhöht, lag aber 2020 nur bei 28 Prozent.[1] Nathalie Knauer ist eine dieser Führungskräfte. Sie hat seit 2020 als Geschäftsführerin den Rührstab beim Hobbybäcker-Versand in der Hand. Die ehemalige Kommunikationschefin des DK-Verlags hat viele Jahre mit Koch- und Back-Koryphäen wie Yotam Ottolenghi, Jamie Oliver, Cynthia Barcomi, Nelson Müller, Alexander Herrmann und anderen mehr gearbeitet. Und möchte auch in ihrer neuen Position keine kleinen Brötchen backen. Gemeinsam mit ihrem Team, das in weiten Teilen aus Frauen besteht, möchte sie das viele Gute bewahren und ihm neuen Glanz verleihen. Im Fokus stehen hierbei die Kommunikation auf allen Kanälen, eine moderne Arbeitskultur und ein frisches Sortiment. Dass sie dabei auch in ihrem Team auf Frauenpower setzt, versteht sich von selbst.
Wie sich Familie und Beruf vereinen lassen, mit welchen Rollenklischees wir immer noch kämpfen und welchen Rat sie jungen Frauen gibt, verrät sie im Interview.
Liebe Frau Knauer, Ihre Biografie hat nicht unbedingt nahegelegt, dass Sie einmal als Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens für Backartikel tätig sein würden. Wie haben Sie das geschafft?
„Geschafft“ klingt immer so, als ob ich geplant hätte, Geschäftsführerin zu werden. Das war keineswegs so. Was ich geschafft habe ist, dass ich immer 100 Prozent ich war, sehr engagiert, genau und stressresistent. Ich denke, ich bin immer die viel zitierte Extra-Meile gegangen und alle, die mit mir zusammengearbeitet haben, wussten und wissen, dass sie sich 100 Prozent auf mich verlassen können. Mein Weg wurde weniger durch die Fächer geprägt, die ich einmal studiert habe - ursprünglich Ägyptologie, Philologie des christlichen Orients und Zoo-Archäologie. Sondern vielmehr dadurch, dass ich immer etwas getan habe, das mich interessiert hat, und dass das Studium sehr vielseitige Talente gefordert und gefördert hat. Außerdem haben mich meine Eltern geprägt, die gesagt haben: Finanzier dich selbst und mach, was du willst. Daher habe ich immer schon gearbeitet. Ich habe vor und während des Studiums viel an Ausgrabungen im Inland, längere Zeit aber auch in Ägypten teilgenommen. Gerade die Aufgaben dort waren absolut entscheidend für Disziplin, Ausdauer, Teamwork, Hingabe ans Tun, aber auch Offenheit für andere Menschen, Länder, Kulturen – die Welt
Wie kam es dann zum Sprung von der Ausgrabungsstätte in die Verlagswelt und schließlich zum Hobbybäcker-Versand?
Ein Studentenjob für die Magisterzeit hat mich zu meinem ersten Job in einem Verlag geführt. Als dort jemand krank wurde, bekam ich eine feste Stelle – meine damalige erste Chefin hat mich entscheidend beeinflusst. Sie war sehr genau, hatte einen gezielten Blick fürs Wesentliche und hat gerade zu Beginn alles kontrolliert. Aber sie hat mir klare Leitplanken vorgegeben, mir vollauf vertraut und immer mehr zugetraut. Nach einiger Zeit wechselte ich zu einer Gruppe von Kunst- und Archäologie-Verlagen und verantwortete dort die Pressearbeit und Werbung – auch hier gab es wieder eine wirklich beeindruckende Vorgesetzte. Da die Gruppe in dieser Zeit von einem großen Verlagshaus aufgekauft wurde, hatte ich hier die Möglichkeit, an einem spannenden Transformationsprozess zentral mitzuwirken – immer im Spannungsfeld zwischen Investoren und den schönen Künsten. Einige Jahre später ergab sich die Chance, zum DK-Verlag zu wechseln, wo ich als Leitung der PR- und Öffentlichkeitsarbeit eine Vielzahl der internationalen und nationalen Koch- und Backstars betreuen durfte. Auch im DK-Verlag war ich übrigens umgeben von vielen starken und tollen Frauen, auch in der Führungsriege. Ich hatte also immer Vorbilder. Als ich für die Stelle der Geschäftsführung der Hobbybäcker-Versand GmbH angesprochen wurde, war mein Feuer sofort entfacht. Meine Vertrautheit mit den Themen Kochen und Backen sowie meine Tätigkeit als Kommunikatorin haben hier sicher den Ausschlag gegeben.
Wird einem die Führungsposition in die Wiege gelegt?
Nein, das denke ich nicht. Ich glaube vielmehr, viele Führungskräfte arbeiten hart an sich, oft härter, als es nach außen zu sehen ist – das Leben ist ja ein ständiger Lern- und Wachstumsprozess und der alte, eigentlich doofe Spruch „Was nicht tötet, härtet ab“, hat einen wahren Kern. Eine gesunde Resilienz schadet nicht – denn je weiter oben du bist, desto einsamer wird es in gewisser Weise und desto schneller wirst du kritisiert, du bist ja für viele im Fokus. Authentizität ist absolut entscheidend. Basics sind, ein gutes Organisationstalent zu haben, strukturiert zu sein, das erleichtert den Tag. Weitere zentrale Eigenschaften: wertschätzend und empathisch zu sein, denn ich arbeite ja mit Menschen zusammen. Ich denke, es hilft, wenn man Fehler zugeben kann, selbst menschlich ist – aber nicht zu sehr, eine Chefin, die jammert, dass alles stressig ist, das geht nicht. Wichtig finde ich auch: Du musst bescheiden und großzügig sein – es geht nicht um die eigene Geltung, sondern um den Gesamterfolg.
Wie gelingt es Ihnen als Mutter, die Balance zwischen Beruf und Familie zu halten?
Ich habe es da ehrlich gesagt immer schon leicht gehabt, weil für uns aufgrund unterschiedlicher Faktoren immer schon ein nicht-klassisches Rollenmodell das Richtige war. Seit meiner neuen Stelle und der darauffolgenden Corona-Zeit mit Homeschooling und neuer Heimat kümmert sich aktuell vor allem mein Mann um unseren Sohn. Mir sind aber einige Punkte heilig: das gemeinsame Abendessen oder das „Gute-Nacht-Ritual“ mit meinem Sohn. Was die Balance angeht, so bin ich oft ganz gut, manchmal aber noch suchend. Denn klar ist, dass Corona, die neue Position sowie der Umzug in eine neue Gegend fordernd ist. Ich versuche Nischen zu finden, um Arbeit und Familie bestmöglich zu trennen. Das ist im Augenblick eher mal der Weg zur Arbeit als die Jogging-Runde, aber ich bin sicher alles hat seine Zeit und es wird auch wieder eine Zeit kommen, in der ich meinen Hobbys nachgehen kann.
Welchen beruflichen Rat würden Sie anderen jungen Frauen mit auf den Weg geben?
Traut euch was zu, seid mutig. Wichtig finde ich auch: Verlangt euren Partnern was ab. Ich finde es nicht lustig, wenn Frauen damit kokettieren, ihre Männer könnte man nicht einkaufen schicken, die wüssten nicht, was zu kaufen sei. Meistens erbt man die Jungs ja nicht aus Mamas Schoß, sondern sie waren vorher in der Lage, für sich zu sorgen. Lasst zu, dass eure Partner und ihr euch zu 100 Prozent ersetzen könnt, wenn ihr Kinder habt – ich bin vielen Familien begegnet, in denen die Mutter ran „musste“, weil die Kinder gar nicht an den Alltag mit Papa gewöhnt waren. Wenn sie das aber sind, dann wird auch nichts vermisst. Es bereichert viel mehr, denn jeder bringt so viel Eigenes mit in die Beziehung.
Habt Mut zur Lücke und dazu, „nein“ zu sagen. Aber auch: Seid fleißig. Nur halb Gas geben und Highspeed retour verlangen, das funktioniert nicht.
Was treibt Sie an?
Ich denke, es ist primär Neugier. Ich bin ein unglaublich neugieriger Mensch und gehe mit offenem Blick und offener Haltung auf Menschen, Dinge und Herausforderungen zu.
Es macht mir Riesenspaß zu sehen, wenn etwas, das ich angestoßen habe, funktioniert – am liebsten, wenn es einem Teammitglied gelingt, über sich hinaus zu wachsen, und es sich darüber freut. Vielleicht ist es auch mein scharfer Blick. Ich erkenne Gesamtzusammenhänge, Prozesse, Vorgänge und Gefüge sehr rasch und habe direkt ein Bild vor Augen, wie etwas besser, ggf. effizienter und am Ende für alle erfolgreicher und zufriedenstellender laufen kann. Im Augenblick ganz wichtig: Den Hobbybäcker 2.0 zu schaffen – zusammen mit meinem großartigen Team.
Ein Problem vieler Frauen sind Selbstzweifel. Wie gelingt es, mentale Stärke zu erreichen, Unsicherheiten abzulegen, sein eigenes Potenzial voll auszuschöpfen und sich selbst zu verwirklichen?
Ich gebe offen zu: Ich zweifele immer wieder in vielen Momenten. Ich bin sicher streng mit mir und ich denke, dass es in der Regel noch ein Ticken „besser“ geht – ich sehe das jedoch gar nicht als negative Eigenschaft an, sondern reflektiere fürs nächste Mal. Das ist ja das, was mich wachsen lässt. Ich glaube daher, es hilft nur, Selbstzweifel zuzulassen, sie aber nicht als Last zu sehen, nicht zu hadern. Nur wenn ich das mache, kann ich mich bewusst verändern (oder auch nicht!). Ich bin allerdings schon eher ein ruhigerer Mensch und brauche nach echten Powertagen mal eine Phase, in der ich runterkomme, mich wieder „erde“. Da helfen offene, ehrliche Gespräche mit meinem Mann, einer Freundin oder jemandem aus der Verwandtschaft.
Sie setzen auch im Team auf „Frauen-Power“. Warum und was können Frauen besser als Männer?
Dass es beim Hobbybäcker so ist, ist Zufall. Ich arbeite im Grunde gleich gerne mit Frauen wie mit Männern zusammen. Was das Können angeht, so denke ich nicht, dass Frauen etwas besser können als Männer. Ich glaube, dass wir bestimmte Dinge besser eingeübt haben, aber alles Erlernte kann man bzw. frau auch bewusst verändern. Prinzipiell finde ich Stereotypen schwierig, es gibt z.B. bei Frauen wie bei Männern welche, die „WIR “ sagen, wenn sie ihr Team meinen, und welche, die „ICH“ sagen, wenn sie ihr Team meinen, es gibt laute, es gibt leise. Nichts destotrotz gibt es natürlich Unterschiede, im Verhalten, im Auftreten – Frauen sind oft weniger fordernd, schlagen leisere Töne an, haben manchmal einen weniger großen Geltungsdrang als manche Männer und haben vor allem noch nicht die gleichen Netzwerke wie Männer. Viele Businesszirkel sind männlich geprägt, auch was die „Zeitdominanz“ angeht. Dass sich hier vieles nur langsam verändert, liegt sicherlich auch daran, dass viele Mütter in Führungspositionen echte Zeit-Geizkrägen sind und nach einem langen Arbeitstag dann eben nicht zum Squash mit den Kumpels oder zum Get-together mit Zirkel XY gehen, sondern heim, weil sie die Kids noch sehen wollen, bevor diese ins Bett gehen. ich hoffe sehr, dass der Schwung, der gerade stattfindet, zu einem echten Umbruch führt – dass Vereinbarkeit und Gleichstellung keine Floskeln sind, aber ich glaube, Deutschland braucht da leider noch ein bisschen.
Ihre Vision für den Hobbybäcker-Versand in ein bis zwei Sätzen?
Ich möchte mit dem Hobbybäcker jede Menge Backspaß zu Ihnen nach Hause bringen: Die richtigen Zutaten, die richtigen Utensilien, die richtigen Ideen – von Hobbybäckerinnen und Hobbybäckern für Hobbybäckerinnern und Hobbybäcker. Schon die Kleinsten sollten mitgenommen werden in die Wunderwelt von Teiggefühl und Ofenduft.
[1] Statistisches Bundesamt – Frauen in Führungsetagen weiterhin unterrepräsentiert