Chronische Krankheiten nehmen zu
Der demografische Wandel belastet zunehmend das Gesundheitssystem. Mit der Alterung der Bevölkerung nehmen Erkrankungen und Multimorbidität zu, auch mit ernsthaften Erkrankungen kann man heute lange überleben. In den kommenden Jahren wird die Häufigkeit chronischer Erkrankungen dramatisch ansteigen. Die Kosten für diese Erkrankungen belasten die Budgets und Kapazitäten der Akutversorgung und sprengen zunehmend deren Rahmen.
Gerade pneumologische Erkrankungen und Allergien zählen zu den großen Volkskrankheiten, die - häufig schon in der Kindheit beginnend - ein hohes Potenzial zur Chronifizierung haben. Dadurch entstehen enorme Kosten. Alleine für Asthma und COPD werden in Deutschland jährlich acht Milliarden Euro aufgewendet. Allergischer Schnupfen verursacht jedes Jahr eine Million Fehltage bei deutschen Arbeitnehmern. In der gesamten Europäischen Union entstehen durch Allergien 25 Milliarden Euro Kosten jährlich.
Davoser-Outcome-Studie
In Anbetracht dieser Prognose wird der große Stellenwert deutlich, der der medizinischen Rehabilitation eingeräumt werden sollte. Verschiedene Studien belegen, dass es sich lohnt, frühzeitig zu intervenieren und durch medizinische Rehabilitation positiv in den langdauernden Krankheitsprozess einzugreifen. In der Hochgebirgsklinik Davos werden seit 1990 unter Leitung von Dr. Udo Kaiser Studien durchgeführt, die sich mit dem Nachweis der Effekte der Behandlungen aus unterschiedlicher Perspektive beschäftigen. Hier sind insbesondere die Davoser-Reha-Studien (DRS I - Urteile der Betroffenen und behandelnden Ärzte bei Aufnahme, Entlassung und 6 Monate nach Entlassung - und die DRS II - Langzeitbetrachtung > 5 Jahre nach Klinikaufenthalt) zu nennen. Einbezogen wurden jeweils somatische, funktionale, edukative, psychosoziale und gesundheitsökonomische Verlaufsparameter.
Jetzt werden von der im Rahmen der Davoser-Outcome-Studie (DOS) mit dem EACD kooperierenden Gesellschaft für Qualität im Gesundheitswesen (GfQG) aus Karlsruhe ausgewählte Ergebnisse der 12-Monats-Katamnese vorgelegt. Wie Dr. Rüdiger Nübling (GfQG) erläutert, läuft die Studie über fünf Jahre. Mit ihr sollen vorwiegend kurz-, mittel- und langfristige Effekte des Klinikaufenthaltes in Davos unter Berücksichtigung der Qualität der vor- und nachgelagerten Versorgung nachgewiesen werden. Mit der um eine Kontrollgruppe erweiterten Forschungsmethodik sollen die Ergebnisse der Vorstudien (DRS I + II) überprüft und aktualisiert werden. Die DOS-Studie ist als Verlaufsstudie konzipiert und umfasst fünf Messzeitpunkte (Aufnahme, Entlassung sowie sechs, zwölf und 24 Monate nach Entlassung). Neben Selbstangaben der Patienten zum Ausgangsbefund und zu kurz- und längerfristigen Behandlungsergebnissen in verschiedenen Bereichen werden auch Angaben der Klinikärzte und der Haus- und Fachärzte einbezogen. Ein spezieller Schwerpunkt der Studie liegt in der Abschätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bzw. dem Return on Investment einer Rehabilitationsmaßnahme an der Hochgebirgsklinik Davos. Zwischen November 2009 und August 2011 wurden die Fragebögen ausgegeben. An der Studie haben sich 892 Patienten beteiligt, davon 619 über alle Messzeitpunkte.
Die Daten
Durchschnittlich 27,7 Tage dauerten die Reha-Aufenthalte, die zu 62,6% von der Rentenversicherung getragen wurden, 16,1 % kamen über die gesetzliche Krankenversicherung und 16,7 % der Patienten waren privat versichert oder Selbstzahler. Es dominierten mit 71,2 % Erkrankungen des Atmungssystems, insbesondere allergisches, nicht allergisches und Mischformen des Asthma bronchiale. 26,5 % der Patienten litten an Krankheiten der Haut oder Unterhaut wie atopischem Ekzem oder Psoriasis. Zu 71,2 % litten die Befragten länger als zehn Jahre an ihrer Erkrankung.
Bei ihrer Entlassung gaben 91,3 % der Patienten an, ihr Gesundheitszustand habe sich gebessert. Nach einem Jahr waren immerhin noch 67,9 % dieser Meinung. Das körperliche Befinden war bei Entlassung bei 88,7 % der Rehabilitanden gebessert, das Allgemeinbefinden bei 85,5 % und die Leistungsfähigkeit bei 80,2 %. Nach einem Jahr betrugen die entsprechenden Werte 63,4 %, 58,7 % und 50,6 %. Auch das seelische Befinden, die Entspannungsfähigkeit, Ausgeglichenheit, das Selbstvertrauen und die Belastbarkeit wurden ein Jahr nach Entlassung aus der Reha noch bei rund der Hälfte der Befragten als gebessert empfunden. Wurde bei denselben Kriterien die Veränderung zwischen dem Zeitpunkt der Aufnahme in die Hochgebirgsklinik Davos und dem Zustand zwölf Monate später bewertet, so war in allen Punkten eine deutliche Verbesserung erhalten geblieben. In einer skalierten Wertung (von 1=sehr gut bis 6=sehr schlecht) ergab sich ein Mittelwert aus allen Kriterien von 3,41 (SD 1,21) bei Aufnahme und von 2,83 (SD 1,13) nach einem Jahr.
Lebensqualität deutlich gebessert
Mit dem SF-12-Fragebogen, einem krankheitsübergreifenden Messinstrument, wurde die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten erfasst. Hier zeigte sich, dass sich die Werte für die körperliche Gesundheit während der Reha deutlich besserten und anschließend für ein Jahr stabil blieben. Insgesamt erreichten sie jedoch nicht die Normalwerte. (Siehe Abbildung Gesundheitsbezogene Lebensqualität)
Anders sah es bei der psychischen Gesundheit aus. Hier konnten die zunächst bei Aufnahme subnormalen Werte für ein ganzes Jahr auf den Normbereich angehoben und dort gehalten werden. Dieser Befund wurde auch durch die HADS (Hospital Anxiety and Depression Skale) Auswertung unterstützt. Die bei Aufnahme erhöhten Werte für Depression und Angst wurden während des Klinikaufenthaltes deutlich gesenkt und stabilisierten sich dann bereits sechs Monate nach Entlassung auf einem gleichbleibendem Niveau etwas oberhalb der Norm. (Siehe Abbildung: Veränderungen Depression/Angst)
Genauere Analysen am Beispiel der Angst zeigen, dass auch bei relativ kurzen Rehabilitationsmaßnahmen insbesondere Patienten mit hohen Angstwerten profitieren. Im Vergleich zur Aufnahme in die Klinik zeigt sich bis zur Entlassung eine deutliche Reduktion von 11,6 auf 8,0 Punkte, die sich dann nach sechs Monaten bei 9,3 bzw. 9,2 Punkten stabilisieren, die Effekte (ES) können jeweils als hoch bzw. sehr hoch bezeichnet werden. Auch wenn die Werte dieser Gruppe noch weit über der Norm liegen, also deutliche psychische Beeinträchtigung anzeigen, so zeigt sich jedoch, dass Rehabilitationsmaßnahmen eine Chance bieten, psychische Begleiterkrankungen zu verbessern und die Patienten bei Bedarf zu einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung nach der Entlassung zu motivieren. (Siehe Abbildung: Veränderungen Angst)
Steigerung der Arbeitsfähigkeit
Besonders deutlich zeigen sich die Erfolge der Rehabilitation im beruflichen Bereich. Von den 619 erwerbstätigen Patienten bezeichneten sich zum Zeitpunkt der Aufnahme in Davos nur 27,8 % als voll leistungsfähig. Nach zwölf Monaten hingegen hatte sich der Anteil auf 51% nahezu verdoppelt, die Anzahl der Krankschreibungen ging im Beobachtungszeitraum um 8,5 % zurück. (Siehe Abbildung: Veränderungen Arbeitsfähigkeit)
Nutzenbewertung und Zufriedenheit der Patienten
Bei der Entlassung bestätigten 91,8 % 40,9 % der Befragten einen hohen Nutzen der Rehabilitation, nach 12 Monaten waren es immer noch 87,5 %
94,2 % der teilnehmenden Patienten zeigte sich zufrieden mit der Qualität der Behandlung, rund 97 % würden die Klinik bei ähnlichen Problemen Freunden empfehlen und rund 96 % der Befragten würden wieder in die Klinik kommen, wenn sie Hilfe bräuchten.
Effektive Kostensenkung
Wie Dr. Udo Kaiser und Dr. Rüdiger Nübling hervorheben, ist ein wesentliches Kriterium zur Bewertung von medizinischen Maßnahmen und damit auch der Rehabilitation die Entwicklung der mit der Krankheit verbundenen Kosten. Bereits in den Vorläuferstudien DRS I und II war ein kostensenkender Effekt der Rehabilitation in Davos nachgewiesen worden. Die Zahl der Arztbesuche, der Krankenhausaufenthalte sowie der Notaufnahmen konnte deutlich reduziert werden. Diese Ergebnisse fanden in der Davoser-Outcome-Studie ihre Bestätigung. Verglichen wurden hier die Werte zwölf Monate vor Aufnahme in Davos mit den Werten zwölf Monate nach der Entlassung. Die Zahl der Arztbesuche nahm in diesem Zeitraum um 18,4 % ab, die Zahl der Notarzteinsätze um 18,1 % und die Zahl der Notaufnahmen in eine Klinik um 35,1 %. Die Patienten verbrachten durchschnittlich 16,5 % weniger Tage im Krankenhaus, die Arbeitsunfähigkeitszeiten nahmen um 8,5 % ab. Bezogen auf die beiden Hauptindikationen pneumologische und dermatologische Erkrankungen reduzierten sich die Krankenhaustage sogar um 34%. Daraus resultieren erhebliche Kostenersparnisse für unser Gesundheitssystem, durch die sich die Investition in die Reha-Maßnahme mehr als amortisiert.