"Bundesweit schließen nur etwa 70 Prozent der MINT-Studierenden ihr Studium erfolgreich ab", erklärt Thomas Henning unter Hinweis auf eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. "Es besteht also Handlungsbedarf. Bei unseren Recherchen sind wir darauf gestoßen, dass Länder wie Kanada, Großbritannien oder die Niederlande bereits seit Jahrzehnten mit problemorientiert arbeitenden Lerngruppen sehr gute Erfahrungen gemacht haben, wie zahlreiche wissenschaftliche Auswertungen belegen. In Deutschland hingegen haben wir vergleichbare Strukturen zumindest in den Studieneingangsphasen der MINT-Bachelorstudiengängen nicht gefunden."
In den ersten drei Semestern, der Studieneingangsphase von ISTAP, sollen mindestens 40 Prozent der Module auf die neue Lehr- und Lernmethode umgestellt und mit anderen Modulen sinnvoll verzahnt werden. Hierfür sind curriculare und organisatorische Anpassungen erforderlich. Zudem müssen die Veranstaltungskonzepte entsprechend angepasst werden. "Im Kern geht es darum, dass die ISTAP-Studierenden bereits am Anfang des Studiums an konkreten, praxisorientierten Problemfällen ihr Fachwissen anwenden und vertiefen. Darüber hinaus sind in den Lerngruppen zum Beispiel auch ihre Moderationsfähigkeiten gefragt," erläutert die Projektmitarbeiterin Tanja Müller. "Aber auch die Rolle der Lehrenden wandelt sich: Ihre bisherigen Kompetenzen durch systematische Beobachtung und Reflexion des studentischen Lernens zu vertiefen und Spezialkenntnisse für die Arbeit mit problembasierten Lernumgebungen zu erwerben, das wird in Zukunft mehr und mehr gefragt sein."
Die derzeitigen Herausforderungen in der Hochschulbildung erfordern es, dass alle Beteiligten neue Perspektiven einnehmen. Im Projekt geht man auch hier neue Wege. Interdisziplinäres Arbeiten ist ein wichtige Baustein, die eigenen Grenzen zu überschreiten. So arbeitet die Soziologin und Hochschuldidaktikerin Tanja Müller direkt mit ihren natur- und ingenieurswissenschaftlichen Fachkollegen zusammen an der Umgestaltung der Lehrveranstaltungen und unterstützt die Begleitforschung.
"Den Studienerfolg zu erhöhen und MINT-Studierende in ihren Lernprozessen besser zu unterstützen - das sind wesentliche Faktoren, die für das neue Lehr- und Lernprinzip sprechen", so Thomas Henning weiter. "Zu bedenken ist auch, dass wir als Fachhochschule - anders als es eine Universität kann - Zielgruppen mit ganz unterschiedlichen Bildungsbiographien ansprechen: Zum Beispiel sitzen frischgebackene Abiturientinnen und Abiturienten, gestandene Erwachsene mit mehrjähriger Berufspraxis, Absolventinnen und Absolventen des Zweiten Bildungsweges, Meister oder Bildungsausländerinnen und -ausländern in den Veranstaltungen beieinander. Die Lernvoraussetzungen sind also sehr unterschiedlich und erschweren üblicherweise die gezielte Anleitung und Begleitung der Studierenden. Wir wollen jedoch mit unserem innovativen Ansatz diese Heterogenität als Chance verstehen. In den angeleiteten Lerngruppen kann jeder von dem anderen profitieren. Wir können also mit diesem Paradigmenwechsel in der Methodik und Didaktik die Stärke der Hochschule Bremen als eine an der Praxis orientierte Fachhochschule weiter stärken."
Für die Zukunft kündigte ISTAP-Studiengangsleiter Henning einen Workshop an. Dieser soll in Kooperation mit Prof. Henning Albers und Dr.-Ing. Heidi Ludwig, die problemorientiertes Lernen in die Studieneingangsphase des Internationalen Studiengangs Umwelttechnik integrieren, durchgeführt werden. Hierbei sollen neben Vertretern der Wissenschaft vor allem Industrievertreter und Unternehmenspartner gewonnen werden. Deren aktuelle Problemstellungen können so in die Lernumgebungen der ersten Semester einfließen. "Wir wollen auf diesem Symposium den Mehrwert herausarbeiten und so die Unternehmen, aber auch weitere Professorinnen und Professoren von unserem Ansatz zu überzeugen. Ich bin mir sicher: der Erfolg wird uns Recht geben", so das Fazit von Thomas Henning.