Die Ergebnisse:
· Die Alltagstauglichkeit der ÜSS und ihrer Teilquartiere ist mit Blick auf grundlegende Funktionen noch erheblich eingeschränkt; Stadtentwicklung aber steht in der Pflicht, auch anfänglich noch wenig besiedelten Quartieren die Chance auf nahräumliche Versorgung zu gewähren.
· Durch die räumliche Kumulation und gleichzeitige deutliche Separation von Luxuswohnungen einerseits und Sozialwohnungen andererseits werden Segregationstendenzen und ein Inselurbanismus begünstigt.
· Der öffentliche Raum der ÜSS bietet eher spektakuläre und überregional interessante Freiräume an; im nahräumlichen und alltäglich genutzten Bereich der Wohnumfelder und Wohnquartiere fehlt es dagegen oft an attraktiven Arealen, in denen man sich aufhalten und informell begegnen kann.
· Einer weiteren Fragmentierung der Überseestadt – und anhaltenden Leblosigkeit ihrer Straßen – kann nur durch gesteigerte Anstrengungen bei der Entwicklung der Qualität und Alltagstauglichkeit des öffentlichen Raums begegnet werden.
· Zudem fehlt der Überseestadt eine sozial-funktionale „Mitte“, die sich als Begegnungsknotenpunkt entwickeln könnte. Hier bieten sich die Randbereiche des Großmarkts dazu an, entsprechende architektonische Lösungen zu entwickeln.
· Das aktualisierte Nutzungskonzept der ÜSS weist zwar seit 2017 erstmals Umsetzungsempfehlungen für Wohnfolge-Infrastrukturen aus, tut dies aber bislang noch weitgehend ohne die wünschenswerte Einbindung der Bewohnerinnen und Bewohner in den Prozess.
· Dabei zeigen diese ein ausgeprägtes Interesse an der zukünftigen Quartiersentwicklung und beteiligt sich, wo immer möglich, mit differenzierten Ideen. Bei einem Bürgerdialog im März 2019 wurde etwa explizit die Idee eines „sozialen und kulturellen Masterplans“ für die Überseestadt vorgebracht.
· Und abschließend: bislang fehlt der ÜSS eine soziale und inklusive Quartiersentwicklung durch gezielte Maßnahmen, die auch präventiv die Entstehung von ausgrenzender Segregation vermeiden helfen. Dazu könnte eine gezielte Gemeinwesenarbeit durch ein Quartiersmanagement einen wichtigen Beitrag leisten.
Die Autorinnen und Autoren empfehlen deswegen, den genannten Handlungsfeldern verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken und einen partizipativen Prozess ins Leben zu rufen bzw. zu intensivieren, bei dem die Bürgerinnen und Bürger der Überseestadt mit Blick auf die künftige Gestaltung des Ortsteils deutlich umfänglicher als bislang einbezogen und beteiligt werden.
Autorinnen und Autoren:
Annette Harth, Prof. Dr., Diplom-Sozialwissenschaftlerin, Professorin für Soziale Arbeit im Sozialen Raum an der Hochschule Bremen
Kontakt: annette.harth@hs-bremen.de
Benedikt Rogge, Dr., Diplom-Psychologe, Soziologe (MA), Theologe (MA), Pastor in der Bremischen Evangelischen Kirche
Kontakt: benedikt.rogge@kirche-bremen.de
Christian von Wissel, Prof. Dr., Architekt und Stadtsoziologe, Professor für Theorie der Stadt an der Hochschule Bremen, wissenschaftlicher Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur
Kontakt: christian.von-wissel@hs-bremen.de
Zitation:
Annette Harth, Benedikt Rogge, Christian von Wissel (2019): Überseestadt Bremen: Zwischen Wirtschaftsstandort und Lebenswelt. Herausforderungen sozialer Quartiersentwicklung für einen Ortsteil im Werden. In: sozialraum.de (11) Ausgabe 1/2019. URL: https://www.sozialraum.de/ueberseestadt-bremen.php.