Bereits zum sechsten Mal fand im letzten Wintersemester das Niedersachsen-Technikum in Osnabrück statt. An vier Tagen in der Woche absolvierten dabei 34 „Technikantinnen“ ein Praktikum in einem der 30 Unternehmen der Region Osnabrück-Emsland und bearbeiteten zum Schluss ein eigenes Projekt. Daneben besuchten sie wöchentlich Lehrveranstaltungen an der Hochschule und der Universität Osnabrück. Außerdem standen Exkursionen und Gespräche mit Naturwissenschaftlerinnen, Ingenieurinnen und Informatikerinnen sowie mit Studentinnen der MINT-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – auf dem Programm.
„Einzigartiges Projekt“ hilft jungen Frauen bei der Berufsorientierung und findet großes Interesse auch außerhalb Niedersachsens.
In der bis zum letzten Platz gefüllten Hochschulaula fand jetzt die Abschlussveranstaltung des Niedersachsen-Technikums statt. In ihrer Begrüßung lobten die beiden Vizepräsidenten für Studium und Lehre, Prof. Dr. Alexander Schmehmann (Hochschule) und Prof. Dr. Joachim Härtling (Universität) dieses „einzigartige Projekt“, das in Osnabrück entwickelt wurde: „Berufsorientierung ist die beste Motivation für ein erfolgreiches Studium – die Technikantinnen haben hier einen unschlagbaren Vorteil.“ Das zeige sich auch in den „weit überdurchschnittlichen“ Noten derjenigen, die nach dem Programm in Osnabrück studieren.
Die Initiatorin und Leiterin des Niedersachsen-Technikums, Prof. Barbara Schwarze, berichtete über die Erfolgsgeschichte des Projekts: Es startete 2010 an der Hochschule Osnabrück mit sieben Teilnehmerinnen und sechs Firmen. Heute beteiligen sich daran neun niedersächsische Hochschulen und 104 Kooperationsunternehmen. Rund 110 junge Frauen haben alleine im letzten Durchlauf das Niedersachsen-Technikum absolviert – und fast alle wollen danach ihre berufliche Zukunft mit der Technik verbinden. Der große Erfolg dieses vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur unterstützten Projekts werde mit viel Interesse in anderen Ländern beobachtet: „In Hessen, Berlin, Nordrhein-Westfalen sind bereits ähnliche Initiativen gestartet“, so Prof. Schwarze: „Nachahmung ausdrücklich erwünscht!“
Nun waren die Osnabrücker „Technikantinnen“ an der Reihe. Sie stellten ihre Projekte vor und berichteten über die gesammelten Erfahrungen. Und machten dabei wiederum eine neue Erfahrung – eine Präsentation vor 200 Gästen, darunter Firmenbetreuer, Familien, Lehrkräfte, künftige Technikantinnen und Vertreter der beiden Hochschulen, die im Projekt eng zusammenarbeiten.
Nach einem spannenden halben Jahr im Niedersachsen-Technikum das Studium der Fahrzeugtechnik im Visier
Alina Redzovic besuchte an der Universität Physik- und Biologievorlesungen und absolvierte ihr Praktikum bei den Amazonen-Werken. „Ich interessiere mich für die Fahrzeugtechnik und habe schon in der 10. Klasse ein Kfz-Praktikum gemacht“, berichtet die 19-Jährige. Deshalb war das halbe Jahr bei einem der renommiertesten Landtechnik-Unternehmen Deutschlands „genau das Richtige“ für sie. Nach drei Monaten in der Azubiwerkstatt, wo sie den Grundlehrgang Metall durchlief, ging es in die Konstruktionsabteilung. Dort hat Alina an der Entwicklung eines Kotflügels für eine selbstfahrende Pflanzenschutzspritze mitgearbeitet. „Die Arbeit am eigenen Projekt hat mich sehr motiviert und in meiner Berufswahl bestärkt“, berichtet die Technikantin. Nun wird sie das Studium der Fahrzeugtechnik an der Hochschule Osnabrück aufnehmen.
Das Familienunternehmen mit dem Sitz in Hasbergen ist bereits zum dritten Mal Kooperationspartner des Projekts. „Unsere erste Technikantin studiert jetzt Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitet immer noch bei uns – als Werkstudentin“, berichtet Hauke Jürgens von Amazonen-Werken. Landtechnik als eine innovative, wachsende Branche ist auf gute Nachwuchskräfte angewiesen – deshalb will Amazone auch in Zukunft beim „Niedersachsen-Technikum“ mitmachen.
Das Niedersachsen-Technikum gilt den beteiligten Firmen als „Türöffner“ für begabte und interessierte Frauen.
Gute Nachwuchskräfte sind in allen technischen Berufen nachgefragt – unabhängig von Branche und Firmengröße. Das gilt auch für den Osnabrücker Papierhersteller KÄMMERER. Deshalb hat sich der traditionsreiche Produktionsbetrieb jetzt zum ersten Mal am Projekt beteiligt. „Neue Technologien halten heute Einzug in unsere Industrie – auch als Papierhersteller wollen wir weg von reiner Papierarbeit und unsere Prozesse möglichst modern gestalten“, berichtet Technischer Leiter Matthias Pieper. Deshalb befasst sich die Firma KÄMMERER mit der Beschleunigung der administrativen Vorgänge innerhalb des Unternehmens, um mehr Gewicht auf die Entwicklung neuer Papiere und Fertigungsprozesse legen zu können.
Die Technikantin Annika Dankmeyer aus Düsseldorf bekam die Gelegenheit, in Piepers Team mitzuarbeiten. „Nach den drei Monaten in der Ausbildungswerkstatt und der Schlosserei kam ich ins Technische Büro. Hier haben wir nach den Gesprächen mit den anderen Abteilungen alle wichtigen administrativen Prozesse in der Abteilung Technik im Zusammenspiel mit anderen Unternehmensabteilungen analysiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet“, berichtet Annika. So konnte sie in die unterschiedlichsten Arbeitsbereiche „hereinschnuppern“ und den gesamten Produktionsbetrieb gut kennenlernen. Diese Erfahrungen werden ihr sicher im späteren Beruf weiterhelfen – nach dem Niedersachsen-Technikum will die Düsseldorferin das Studium der Umwelt- und Verfahrenstechnik aufnehmen.