"Studieren? - Einfach probieren!": So lautet das Motto des Niedersachsen-Technikums. Der Name des Projekts ist Programm: Im Fokus stehen technische Berufe - nach wie vor eine Männerdomäne. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, kurz: MINT - in vielen dieser Bereiche herrscht eine kontinuierliche Nachfrage nach Fachkräften. Und zugleich arbeiten dort noch wenige Frauen. Das Niedersachsen-Technikum will das ändern: Es bietet (Fach-)Abiturientinnen ein halbjähriges Praktikum im technischen Bereich, gepaart mit ersten Einblicken in das ingenieur- oder naturwissenschaftliche Studium. Das Projekt, das 2010 mit sieben Technikantinnen an der Hochschule Osnabrück startete, hat sich nach zwei erfolgreichen Erprobungsjahren auf zwölf Hochschulen und 80 Unternehmen ausgeweitet und wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) unterstützt.
Am Mittwoch, 3. September, feierten die Kooperationspartner bei der Continental Reifen Deutschland GmbH den Start des dritten gemeinsamen Projektdurchlaufs. In ihrer Begrüßung betonte die MWK-Staatssekretärin Andrea Hoops die Wirkungskraft des Projekts: "Das Niedersachsen-Technikum verschafft jungen Frauen neue Perspektiven. Sie lernen sowohl Betrieb als auch Studium kennen. Das macht die Absolventinnen sicherer bei der Berufs- und Studienwahl und unterstützt den Studienerfolg." Als Überraschungsgast begrüßte Hoops eine Technikantin der ersten Stunde, Ramona Heye. Die 25-Jährige hatte ab September 2010 bei KME Germany, einem der weltweit führenden Kupferverarbeiter, ein 6-monatiges Praktikum absolviert und dabei auf Probe an der Hochschule Osnabrück studiert. Während des Niedersachsen-Technikums hat sie bereits ihre erste Klausur mit "gut" bestanden und auch ihre Firmenbetreuer überzeugt. Das Unternehmen bot Ramona ein duales Studium an, das die zielstrebige junge Frau in diesem Juli erfolgreich absolvierte. Die Absolventin der HS Osnabrück arbeitet nun als "Industrial Engineer" in der Konstruktionsabteilung des Werkzeugbaus. "Ich hätte am Anfang des Technikums nie gedacht, dass ich es so weit schaffe", gab sie bei der Feierstunde zu. "Dank des Technikums konnte ich mir meinen Wunschberuf ganz unbefangen anschauen, ohne mich für ein Studium oder eine Ausbildung verpflichten zu müssen." Respektvolle Aufnahme bei KME, gute Leistungen beim Probestudium und anschließend ein "richtiges" Studium in Kombination mit einem bezahlten Ausbildungsplatz: "Das Technikum hat meine berufliche Karriere immens beeinflusst", so Ramona Heye.
Dass die Wallenhorsterin keine Ausnahme ist, betonte die Projektinitiatorin und Leiterin der Koordinierungsstelle Prof. Barbara Schwarze. "Seit 2012 haben mehr als 160 junge Frauen landesweit am Niedersachsen-Technikum teilgenommen. Rund 90 Prozent der Technikantinnen haben sich im Anschluss für eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich entschieden", berichtete die Professorin für Gender und Diversity Studies an der HS Osnabrück. "Der enge Praxisbezug zusammen mit der Erfahrung, welche Anforderungen das Studium stellt, und ein intensives Netzwerken sind die Grundlage für diesen großen Erfolg", so Schwarze weiter. Denn neben dem Praktikum und einem wöchentlichen Hochschultag stehen der Austausch mit Ingenieurinnen, Studentinnen und weiblichen Auszubildenden auf dem Programm. "Ein solcher Austausch hilft, Hemmungen abzubauen und zeigt: Anderen Frauen macht Technik auch Spaß!", so die engagierte Projektleiterin.
Der Gastgeber der Start-Veranstaltung, David O'Donnel, der bei der Continental Reifen Deutschland GmbH die Forschung und Entwicklung der Pkw-Reifen verantwortet, sprach in seinem Grußwort die Vorzüge des Projekts für Unternehmen an: "Wir gewinnen mit dem Niedersachsen-Technikum eine neue Zielgruppe mit starkem Potential: junge Frauen, die sich bisher nicht für einen MINT-Beruf entscheiden konnten." Auch für die Hochschulen sei das Projekt "beispielgebend", sagte Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Hesselbach, Vorsitzender der Landeshochschulkonferenz Niedersachsen: "Es gelingt uns mit dem Technikum hervorragend, junge Frauen für die Ingenieurwissenschaften zu begeistern." Wie seine Vorredner auch, forderte er deshalb, dass dieses Erfolgsmodell unbedingt weitergeführt werden sollte.
Ein Höhepunkt der Feier war der 10-minütige "Gender Slam": Dr. Ann-Sophie Kitzler, Technical Engineer Benchmark der Continental Reifen Deutschland, gewann dabei die Gäste auf Anhieb mit ihrem Auftritt zum Thema: "Ein Quantum Reifen... Die Welt ist nicht genug! Unterwegs im Auftrag Ihrer Forschung und Entwicklung."
"Gemeinsam für weiblichen MINT-Nachwuchs" und "Zukunft MINT!" waren die Überschriften der beiden Podiumsdiskussionen. Gemeinsam mit Hoops, Hesselbach und O'Donnel bilanzierten in der ersten Runde der Geschäftsführer der Stiftung NiedersachsenMetall Olaf Brandes und die Geschäftsstellenleiterin des Niedersächsischen IHK-Tages Solveig A. Niemann die ersten Erfolge des Projekts. Lebhaft diskutierten sie, welche Anreize Frauen für die Wahl eines technischen Berufs brauchen und wie die immer noch zahlreichen Hemmnisse auf diesem Weg abzubauen sind. In der zweiten Podiumsdiskussion beschrieben sechs Frauen ihren ganz persönlichen Weg zum Traumberuf. Von den Erfahrungen der beiden Ingenieurinnen, Franziska Ohliger (Continental Reifen) und Melanie Anneken (OASE), werden ihre Gesprächspartnerinnen sicher profitieren. Denn diese stehen noch am Anfang ihrer Laufbahn: Es sind die beiden Technikantinnen Hanna Grüning und Jana Schnür sowie zwei ehemalige Projektteilnehmerinnen und heutige MINT-Studentinnen Sophie Kriese und Annika Zindel.
Wer sich für das Niedersachsen-Technikum interessiert, findet wichtige Informationen zum Projekt im Internet - aufbereitet nach den Zielgruppen "Bewerberinnen", "Unternehmen" und "Hochschulen": www.niedersachsen-technikum.de. Dort gibt es auch Kontaktdaten der regionalen Geschäftsstellen. Diese sind an den teilnehmenden Hochschulen angesiedelt: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, HAWK Hildesheim Holzminden Göttingen, Hochschule Emden/Leer, Hochschule Hannover, Hochschule Osnabrück, Jade Hochschule Wilhelmshaven Oldenburg Elsfelth, Leibniz Universität Hannover, Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, TU Braunschweig, TU Clausthal, Universität Hildesheim, Universität Osnabrück.