Das gab es in diesem Informatik-Seminarraum der Hochschule Osnabrück noch nie: 40 junge Frauen tippen in ihre Rechner hochkonzentriert Programmbefehle ein. Ein schneller Blick an die Tafel, wo Programmausschnitte angezeigt werden, eine kurze Frage an den betreuenden Studenten - und es geht weiter. Da, wo sonst Frauen immer noch eine Seltenheit sind, sind heute Männer in der Minderzahl. Es sind die Studenten der Medieninformatik an der Hochschule Osnabrück und deren Professor, Dr.-Ing. Rainer Roosmann, der das Ganze eingerührt hat: Sie betreuen heute gemeinsam einen schulischen Workshop der Initiative "Rails Girls", die weltweit Erfolge feiert und an diesem Donnerstag auch in Niedersachsen angekommen ist. Der Name bezieht sich auf "Ruby on Rails", das in der Programmiersprache Ruby geschriebene Gerüst zum Erstellen von Internetseiten und -anwendungen.
"2010 wurde die Rails-Girls-Initiative mit dem klaren Ziel ins Leben gerufen, Mädchen und junge Frauen für die Informatik zu begeistern", erzählt Prof. Roosmann. "Eher zufällig stieß ich auf die Internet-Seiten dieser Initiative und war von dem Konzept sehr angetan. Recht schnell kam dann die Idee, einen schulischen Workshop mit Studierenden zu erarbeiten und durchzuführen. Damit wollen wir den Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, neue Medien zu nutzen, um eigene Ideen umzusetzen", so der Professor für Software-Architektur und -Design weiter.
Gesagt - getan: Zum Start dieses Sommersemesters bereitete Prof. Roosmann eine neue Lehrveranstaltung vor: "Informatik-Didaktik". Darin sollten angehende IT-Fachleute lernen, ihr Wissen an andere zu vermitteln. Denn das sei in ihrem späteren Beruf eine wesentliche Aufgabe. Ganz gleich, ob es sich um Kollegen oder Kunden handelt - oft muss ein Informatiker laut Prof. Roosmann eigenes Wissen weiter vermitteln und sich hierbei auf die konkrete Zielgruppe einstellen. Dies konnten seine Studierenden bei der Vorbereitung und Durchführung des ersten schulischen Rails-Girls-Workshops dieser Art üben.
Und noch ein Ziel hatten der engagierte Professor und sein Team im Blick: Ihren Studiengang den Schülerinnen aus der Region vorzustellen; ihnen Mut zu machen, sich mit dem Programmieren zu beschäftigen. "Viele haben noch die uralte Vorstellung im Kopf: Informatik ist nur etwas für Männer", sagt der Student Marcel Schlake. Entsprechend wenige Frauen trauten sich deshalb ein Studium in diesem Bereich zu. Das sehe man auch im Workshop: Unter den insgesamt 13 studentischen Betreuern ist nur eine Studentin, Jana Willmann. "Mir macht es nichts aus, die einzige Frau im Team zu sein", sagt sie. "Ich bin stolz darauf, Informatik zu studieren, und will den Mädchen zeigen, dass auch sie es schaffen können". Das findet auch Marcel Schlake: "Es wird Zeit, dass wir im 21. Jahrhundert ankommen: Wir wollen bewusst Vorurteile durchbrechen und den Mädchen zeigen, dass auch sie programmieren lernen können; dass es keinen Grund gibt, Angst vor Informatik zu haben." - Der gelernte Industrie-Elektroniker, der nun im 4. Semester Medieninformatik studiert, klingt sehr überzeugend. Und er freut sich darüber, wie viel Spaß die Schülerinnen beim Workshop haben.
So wie Anneke und Helena, die sich von ihm bei Problemen helfen lassen. Die beiden besuchen die neunte Klasse des Osnabrücker Graf-Stauffenberg-Gymnasiums und erstellen gerade ihre Internetprofile. Farben, Schriften, Fotos - alles muss gut aussehen, und auch die Weiterleitung der Links muss funktionieren. Das Programmieren geht den beiden flott von der Hand: Anscheinend haben die Informatik-Studenten ihre Anleitungen für Teilnehmerinnen gut vorbereitet. Und die beiden Schülerinnen haben sichtlich Spaß bei der Arbeit. "Ich habe noch keinen Informatik-Unterricht in der Schule gehabt. Aber mein Vater ist Informatiker, er hat hier an der Hochschule studiert. Manchmal arbeitet er zu Hause, und ich schaue ihm zu, wie er auf seinen Rechner einhakt - oder wenn er mir Musik auf den Rechner runterlädt", erzählt Anneke. "Heute wollte ich gucken, ob Informatik auch etwas für mich wäre." Auch ihre Mitschülerin Helena ist Informatik-Anfängerin. "Gerade weil ich noch nie selber programmiert habe, fand ich diesen Workshop spannend. Und nicht nur ich, sondern auch meine Englischlehrerin, die uns eines Tages ganz begeistert von diesem Angebot erzählt hatte."
Zwei Informatik-Lehrer haben ihre Schülerinnen, die sich allesamt freiwillig zum Workshop angemeldet haben, an diesem Tag begleitet. Sie beide - Claudia Marquard vom Ratsgymnasium und Carsten Wieneke vom Graf-Stauffenberg-Gymnasium (GSG) - finden, diese Veranstaltung sei eine sinnvolle Ergänzung zum Schulunterricht. Davon seien auch die Schulleitungen überzeugt, die die Mädchen freigestellt haben - und natürlich die Teilnehmerinnen selbst, die vom Ratsgymnasium, GSG und der Ursulaschule kommen. Viele der 40 Neunt- bis Elftklässlerinnen müssen in den kommenden Tagen Klassenarbeiten nachschreiben, weil sie auf den Programmieren-Workshop nicht verzichten wollten.
So viel Interesse und Engagement freut auch Ulrike Heuer, die sich an der Hochschule Osnabrück um Angebote für Schülerinnen und Schüler kümmert und Prof. Roosmann unterstützt hat: "Innerhalb von drei Tagen war der Workshop ausgebucht, leider mussten wir vielen absagen", berichtet sie. Deshalb plant Prof. Roosmann als Initiator des Workshops eine größere, für alle jungen Frauen offene Veranstaltung im August. Interessierte finden alle Informationen in Kürze auf der Internetseite des Osnabrücker Projekts: www.railsgirls-os.de.
Wer an der Hochschule Osnabrück Informatik studieren möchte, kann sich bis zum 15. Juli um einen Studienplatz in den Bachelor-Programmen "Media & Interaction Design", "Medieninformatik" oder "Technische Informatik" bewerben. Für diejenigen, die ein Master-Studium im Informatik-Bereich absolvieren möchten, bietet die HS Osnabrück den Studiengang "Verteilte und mobile Anwendungen" an. Weitere Informationen und Online-Bewerbung unter http://www.ecs.hs-osnabrueck.de - Studium.