Sie alle diskutierten spannende Ideen zur Zukunft der Demokratie. Heußner begründete seine These, dass sich eine Wahlpflicht positiv auf die Demokratie in Deutschland auswirken würde, mit einem Beispiel aus der Schweiz: "In einem Schweizer Kanton besteht die Wahlpflicht. Wer nicht wählen geht, muss einige Schweizer Franken Strafe zahlen. Dort hat sich gezeigt, dass nicht nur die Wahlbeteiligung um 15 Prozentpunkte über dem Durchschnitt liegt, sondern auch das politische Interesse und Wissensniveau der Bürgerinnen und Bürger deutlich höher ist als in anderen Teilen der Schweiz."
Auch der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel sieht durch die sinkende Wahlbeteiligung, sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene, die Legitimation für die politischen Ämter gefährdet. "Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob eine Wahlpflicht wirklich die Antwort ist. Es ist auch eine Frage der Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zum Gemeinwesen. Jeder muss sich selber fragen, wie er es mit dem Gemeinwesen hält. Können wir das wirklich verordnen oder muss das nicht jeder selber entscheiden?"
Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Dieter Grimm, meinte, dass die Demokratie in der EU nicht nur mit dem Problem der mangelnden Wahlbeteiligung zu kämpfen hat. "Die europäischen Bürgerinnen und Bürger dürfen lediglich das Europäische Parlament wählen. Die anderen EU-Organe sind somit nur mittelbar durch die Mitgliedstaaten legitimiert", erinnerte Grimm und fuhr fort: "Das Europäische Parlament kann zudem, anders als der Bundestag, keine eigenen Gesetzesvorlagen einbringen." Auch auf der gesellschaftlichen Ebene könne noch mehr für die Demokratisierung der EU getan werden. So vermisse Grimm europäische Parteien und europäische Kommunikationsmedien, die zwischen den politischen Organen und den Bürgern vermitteln und zu einer europäischen Öffentlichkeit beitragen könnten.
Auch das Thema Volksentscheide stand beim 1. Osnabrücker Demokratieforum auf der Agenda. Roman Huber, Vorsitzender des Vereins "Mehr Demokratie e.V.", forderte für die Stärkung der Demokratie die Einführung von bundesweiten Volksabstimmungen. "Parlamente haben nicht mehr die reale Macht grundlegend zu gestalten. Die Bürgerinnen und Bürger sollten in wesentlichen Fällen die Entscheidungen treffen." Auch Eichel befürwortete Volksentscheide, jedoch mit einer Einschränkung: "Wir müssen aufpassen, worüber wir entscheiden. Die Frage ist: Wie gehen wir mit Minderheiten um? Denn Mehrheiten können dazu neigen Minderheiten auszugrenzen. Volksentscheide haben hier ihre Grenzen."
Prof. Dr. Arne Pautsch und Prof. Dr. Hermann Heußner ziehen eine positive Bilanz des 1. Osnabrücker Demokratieforums: "Wir freuen uns besonders, dass auch Besucherinnen und Besucher aus anderen Bundesländern den Weg zu uns gefunden haben. Mit dem Demokratieforum möchten wir nicht nur eine Fachtagung etablieren, sondern vor allem auch den Bürgerinnen und Bürgern wichtige politische Impulse geben." Dazu lud auch die von Prof. Dr. Pascale Cancik, Professorin an der Juristischen Fakultät der Universität Osnabrück, moderierte Diskussion ein, bei der die Thesen der Referenten noch einmal mit dem Publikum debattiert wurden.