Der 25-Jährige interessiert sich schon lange für China und seine Kultur. Vor sieben Jahren hat er Thai-Chi für sich entdeckt und ist diesem Hobby bis heute treu geblieben: "Für mich ist es Koordinations-, Gedächtnis- und Krafttraining zugleich - aber auch eine wunderbare Möglichkeit, mich zu entspannen", so der Student des Master-Programms "Mechatronic Systems Engineering".
Die Kultur kennenzulernen, die diese raffinierten Bewegungen hervorgebracht hat: Dieses Ziel hat sich Lukas Lorenz bereits vor vier Jahren gesetzt, damals noch als Bachelor-Student des Maschinenbaus. Deshalb belegte er im weiteren Studium drei Chinesischkurse an der Hochschule - parallel zu Unternehmenspraktika und seinen Aufgaben als Tutor für Mathematik und technische Fächer. Dann fing der zielstrebige Master-Student an, sein Auslandssemester vorzubereiten.
Während die meisten seiner Kommilitonen angesichts der 60 Partnerunis der Fakultät erst einmal vor "der Wahl der Qual" stehen, wandte sich Lorenz gleich an Professor Dr. Jörg Hoffmann. Der Leiter des Internationalen Büros der Fakultät ist zugleich "Kontaktprofessor" aller fünf chinesischen Partnerhochschulen. Als solcher koordiniert er die Zusammenarbeit mit Lehrenden in Fuzhou, Hangzhou, Hefei, Nanjing und Shandong und unterstützt deren Gaststudierende in Osnabrück. Hoffmann ist ein angesehener Berater von wissenschaftlichen Einrichtungen in ganz China und hilft Universitäten beim Aufbau des Hochschulsystems. Alle sechs Wochen der letzten Semesterferien hat er in China verbracht - als akademischer Berater.
Trotz vielfältiger Zusammenarbeit hat sich vor Lukas Lorenz jedoch kein Osnabrücker Ingenieurstudent getraut, ein Semester "im Reich der Mitte" zu verbringen: "Die Unterrichtssprache ist Chinesisch, außerdem sind da noch Bedenken wegen Visa- und Reisekosten", nennt Prof. Hoffmann die Gründe für die Skepsis der Studierenden. Diese Bedenken konnte jedoch sein chinesischer Kollege, Prof. Lin Zhang, bei einem Lehraufenthalt in Osnabrück ausräumen. Wie Prof. Hoffmann in Osnabrück, vertritt er das Fachgebiet "Messtechnik" in Nanjing; beide Professoren verbindet eine langjährige Freundschaft.
Lukas Lorenz entschied sich sicherheitshalber für ein Praxissemester, bei dem er ein Projekt an der Nanjing Universität in Englisch absolvieren konnte: "Meine Chinesisch-Kenntnisse haben mir im Alltag geholfen, für ein technisches Studium hätte es aber nicht gereicht." Finanziell wurden die drei Monate in China schließlich auch nicht so kostspielig, wie zunächst befürchtet - Lorenz wurde durch die Ulderup-Stiftung und das Hochschulzentrum China an der HS Osnabrück gefördert. Außerdem wurde ihm eine Dozentenwohnung zur Verfügung gestellt. Dienstreisen im Rahmen des Praxisprojekts übernahm ebenfalls die Partneruniversität. "Damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Es war also absolut von Vorteil, als erster Student aus Osnabrück nach Nanjing zu gehen", schmunzelt Lukas Lorenz.
Drei Monate lang arbeitete der Master-Student als Mitglied eines studentischen Teams an der Entwicklung eines Roboters für einen chinesischen Uni-Wettbewerb. Dabei haben sich insgesamt 55 Mannschaften in verschiedenen Disziplinen gemessen. Da Lukas Lorenz sich als künftiger Mechatroniker sowohl im Maschinenbau als auch in Elektrotechnik und Informatik bestens auskennt, entschied er sich für eine interdisziplinäre Aufgabe. Sein Team musste einen Roboter konstruieren, der bunte Zylinder auf einem Testfeld erkennt, aufnimmt, nach Farben sortiert und zum gleichfarbigen Tor transportiert. Um diese Aufgabe zu bewältigen, waren fachübergreifendes Denken und gute Kenntnisse in Sensorik, Optik, Mechanik und Informatik unabdingbar. Lukas Lorenz entwickelte und zeichnete technische Komponenten für den Roboter, seine chinesischen Teamkollegen übernahmen die Programmierung. Wochenlange Arbeit hat sich gelohnt: Der Sortierroboter belegte den dritten Platz.
Neben seinem Praxisprojekt besuchte der Osnabrücker Student mit seinen Betreuern, Prof. Lin Zhang und Wenshu Fu, auch mehrere Unternehmen und technische Schulen, mit denen die Universität Nanjing kooperiert. Dort stellte er seine Heimathochschule vor - mit Erfolg: Zwei Studentinnen aus Nanjing werden in wenigen Wochen nach Osnabrück kommen und einen englischsprachigen Kurs in "Quality Engineering" an der Fakultät IuI belegen.
Lukas Lorenz' Begeisterung für China ist nach dem Praxissemester gewachsen: "Die Menschen sind gastfreundlich und hilfsbereit. Wenn ich nach dem Weg fragte, änderten sie oft spontan ihre Pläne und nahmen sich Zeit, mich bis zum Ziel zu begleiten." Der Student sah das Land aus verschiedenen Perspektiven: Ob in einem Hochgeschwindigkeits- oder einem Bummelzug; ob im Uni-Bus, mit dem er jeden Tag eine Stunde zum Campus pendelte, oder zu Fuß: Mit offenem Blick für Neues entdeckte er Land und Leute. Er schwärmt für die Spontaneität und Höflichkeit der Menschen, die Schönheit der Parks und die leckere chinesische Küche. Er erzählt von der hervorragenden Betreuung an der Uni: In der ersten Zeit bekam er täglich SMS vom Internationalen Büro - mit Tipps und Hilfsangeboten. Auch wenn er kritische Punkte - wie die Umweltverschmutzung oder die Sperrung vieler westlicher Internetseiten - nicht verschweigt, kann sich der Masterstudent einen mehrjährigen Berufseinsatz in China durchaus vorstellen. Und auch einen Studienaufenthalt in Nanjing kann er "jedem nur empfehlen".
Darüber freut sich auch sein Betreuer, Prof. Hoffmann. "Lukas Lorenz war unser Pionier im Reich der Mitte. Deshalb kam ihm auch als unserem 'Botschafter' eine wichtige Rolle zu. Ich bin froh und stolz, dass er sein Praktikum in Nanjing erfolgreich absolviert und unsere Fakultät hervorragend präsentiert hat."