"In Niedersachsen fallen die Lasten an, während der Nutzen in den Ballungsgebieten im Süden generiert wird." So formuliert es bewusst zugespitzt Prof. Dr. Volker Lüdemann während des ersten Treffens der Beteiligten im Forschungsprojekt "Net Future Niedersachsen". Das Projekt widmet sich Strategien und Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz des Übertragungsnetzausbaus in Niedersachsen. Es bringt verschiedene Forschungszweige der Hochschule Osnabrück sowie externe Partner aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Interessenverbänden zusammen. Im Antrag zu dem Forschungsvorhaben heißt es: "Dem Ausbau des bundesdeutschen Stromnetzes kommt für die Energiewende eine zentrale Bedeutung zu." Der in Norddeutschland und der Nordsee erzeugte Überschussstrom aus erneuerbaren Energien müsse in die Lastzentren nach Süd- und Westdeutschland transportiert werden. Der Netzausbau bestimme als "Flaschenhals" ganz wesentlich das Tempo der Energiewende. Niedersachsen komme eine Schlüsselrolle zu.
"Der Netzausbau ist im jetzigen Stadium im Wesentlichen kein technisches Problem mehr, sondern ein gesellschaftliches", betont Lüdemann, Sprecher des Forschungsschwerpunktes. Die Umsetzung der Ausbaumaßnahmen hänge maßgeblich davon ab, größtmögliche Akzeptanz bei den betroffenen Gebietskörperschaften und deren Bewohnerinnen und Bewohnern zu erreichen. Genau dieser Frage der Akzeptanz wollen sich die Forscherinnen und Forscher aus juristischer, projektsteuerungsorientierter und kommunikations-wissenschaftlicher Perspektive widmen. Im letztgenannten Bereich geht es zentral um die Rolle der Kommunen. "Sie sind die Schnittstelle zwischen den Beteiligten wie zum Beispiel der Bundesnetzagentur, Netzbetreibern, der Landespolitik und den Bürgerinnen und Bürgern", erläutert Prof. Dr. Reinhold Fuhrberg, Professor für Kommunikationsmanagement am Campus Lingen.
Joachim Vollmer, Mitarbeiter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, erhofft sich aus dem Projekt auch Handlungsempfehlungen für Kommunen: "Eine Kommune ist schnell gefragt, eine Position einzunehmen. Ein Bürgermeister oder Rat ist vor Ort und nicht entfernt in Hannover oder Berlin. Wenn sich dort Bürgerinitiativen bilden, wird - überspitzt formuliert - sehr schnell die Frage gestellt: Bist Du jetzt für uns oder gegen uns?" Was könne man da von einer Kommune erwarten? Das Forschungsteam widmet sich zudem raumplanerischen und kommunikationstechnischen Fragen. Wie etwa lässt sich ein Trassenausbau visualisieren, damit Bürgerinnen und Bürger ein realistisches Bild vom geplanten Vorhaben erhalten. Und welche Kommunikationsplattformen sind geeignet, um über den Ausbau zu informieren?
Das Projekt "Net Future Niedersachsen" zeichnet sich dadurch aus, dass alle vier Fakultäten der Hochschule Osnabrück beteiligt sind. Zu den externen Partnern zählen unter anderem die Bundesnetzagentur, die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und Amprion, das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund. Das Land Niedersachsen fördert das Projekt mit knapp einer Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Im Forschungsvorhaben sind drei Promotionsvorhaben integriert. "Letztlich geht es darum, wie ein sehr großes Infrastrukturprojekt ohne ,Stuttgart 21-Effekte' realisiert werden kann", sagt Lüdemann.
Nähere Informationen zu den beteiligten Forscherinnen und Forschern sowie zu den weiteren Partnern finden Sie unter www.netfuture.hs-osnabrueck.de.