Fangen wir mit letzterem an. Was ist die Stiftung Hof Butenland? Gegründet wurde sie von Karin Mück und Jan Gerdes. Jan ist auf dem Hof groß geworden. 1978 brach er sein Lehramtsstudium ab, um auf Butenland eine landwirtschaftliche Lehre zu beginnen. Ab 1980 besuchte er die Fachschule für Landwirtschaft und absolvierte erfolgreich die Prüfung zum Landwirtschaftsmeister. 1981 wurde er offiziell Betriebsleiter auf Hof Butenland und stellte den Milchviehbetrieb schrittweise auf Biolandwirtschaft (Demeter) um.
So weit klingt alles nach einer ganz normalen Karriere in der Landwirtschaft, nur gab es bei Jan einen doch enormen Unterschied: Er hatte immer ein Herz für seine Tiere und verschloss deshalb nie die Augen vor den Grausamkeiten, die in der Milchwirtschaft ganz normal sind. Egal, ob künstlich herbeigeführte Schwangerschaften im Jahresrhythmus, das Trennen von Familien oder auch das Aussortieren von Tieren, die völlig ausgepowert keinen zufriedenstellenden Milchertrag mehr liefern konnten, Jan hat sich nie richtig den allgemeinen Tenor einreden können, dass das alles in Ordnung ist, da die Opfer ja nur Tiere sind. Auch die Umstellung auf Demeter brachte da nicht viel, da so die Grundvoraussetzungen für die Tiere zwar etwas bequemer werden, aber es im Endeffekt für sie doch nur auf Ausbeutung mit dem zynischen Dankeschön Tod im Schlachthof hinausläuft.
Anfang dieses Jahrtausends kam es dann, wie es kommen musste, sobald man sich als Bauer in der Milchindustrie ernsthafte Gedanken um das Wohlergehen seiner Tiere macht: Jan gab seinen Betrieb auf und liess ein letztes Mal Rinder von seinem Hof abholen. Dabei gab es aber einen entscheidenden Wink des Schicksals, denn 10 Kühe passten nicht mehr auf den Transporter. Diesen Wesen versprach Jan dann spontan, dass sie auf dem Hof ihren Lebensabend ohne jede Form von Ausbeutung und in selbstbestimmter Freiheit verbringen dürfen. Das war die Geburtsstunde des Lebenshofs Butenland.
Zur gleichen Zeit lernte Jan auch Karin Mück kennen, eine engagierte Tierrechtlerin, die wegen ihren konsequenten Lebensrettungen sogar schon eine Gefängnisstrafe verbüssen musste. Da hatten sich dann zwei Menschen gefunden, die das Wohl der Tiere aus einer einerseits so naheliegenden, andererseits aber auch gerade gesellschaftlich sehr ungewöhnlichen Perspektive betrachteten, nämlich ausschließlich aus der der Opfer. So nahm der Lebenshof immer konkretere Formen an.
Als das Projekt 2007 durch unermüdliche Öffentlichkeitsarbeit (sei es durch Stände auf veganen Veranstaltungen, Radio- und Fernsehbeiträge, aber auch durch tägliche, transparente Berichterstattung auf diversen sozialen Medienplattformen wie Facebook, Youtube & Co.) immer größer wurde, machten Jan und Karin den nächsten Schritt und gründeten die Stiftung Hof Butenland. Dieser überschrieben sie nicht nur den kompletten Hof und fast die gesamten Nutzflächen, auch ihr Privatvermögen floß dort ein. Der eine oder die andere mag sich jetzt fragen, warum jemand sein ganzes Hab und Gut in eine Stiftung fließen lässt, fortan ehrenamtlich arbeitet und seinen Lebensunterhalt mit der Vermietung von zwei Ferienwohnungen und dem Betreiben eines alten Windrads bestreitet. Die Antwort darauf ist so einfach wie großartig: Das tut man, damit der Hof auch nach dem eigenen Ableben nie mehr einem anderen Zweck dienen kann, als dem im Stiftungsgrundsatz hinterlegten kompromisslosen Tierschutz.
Momentan leben 42 Rinder, 4 Schweine, 5 Pferde, 3 Hunde, 3 Gänse, 4 Kaninchen, 3 Katzen, mehrere Enten und Hühner auf dem Hof. Wieviele Seelen insgesamt im über 16jährigen Bestehen gerettet wurden, kann nur geschätzt werden. Schon allein weil die Stiftung nicht nur bei "normalen" Nutztieren ein Zeichen setzt, seit 2014 gilt auch ein Jagdverbot auf den Flächen des Hofs, das in einem anstrengenden Gerichtsmarathon erkämpft wurde und nun für Ruheinseln diverser Wildtiere sorgt. Auch die Krähenkolonie, die jedes Jahr zum Brüten kommt und die Bäume rund um Butenland schwarz färbt, ist inzwischen genauso Tradition wie die Schwalbennester, die alljährlich von glücklichen Vogelfamilien genutzt werden.
Damit dürfte wohl geklärt sein, warum diese Stiftung ein Rinderbuch im Eigenverlag veröffentlicht. Jetzt gilt nur noch zu klären, wer Paul ist und was ihn zum titelgebenden Protagonisten dieses Werks prädestiniert. Wie so viele Tiere in der Industrie, sollte eigentlich auch Paul kein anständiges Leben vergönnt sein. Gerade mal zwei Monate alt kam er zusammen mit einer Ladung sogenannter "Ausschußferkel" auf einem Schlachthof in Bayern an, zusätzlich angeschlagen durch eine nicht behandelte Kälbergrippe. Der Viehhändler umriss seine Zukunft mit den Worten „Den verhacken wir halt und frieren ihn ein, für Konserven irgendwann“. Zum Glück hatte eine Tierärztin Mitleid mit dem kleinen Häufchen Elend und rief die Mitautorin des Buchs an. Die nahm Paul auf und vermittelte ihn schließlich auch nach Butenland.
Hier blühte Paul dann komplett auf und eroberte alle Herzen im Sturm. Noch nie gab es so ein menschenbezogenes, aber gleichzeitig auch so verträumt-orientierungsloses Rind auf dem Hof. Seine ausgiebigen Spaziergänge unternahm Paul nie ohne menschliche Begleitung, zum einen weil er sie sehr schätzte, zum anderen aber auch, weil er jemanden an seiner Seite brauchte, der den Weg kannte. Denn sein holpriger Start ins Leben sollte leider nicht folgenlos bleiben, durch die damals unbehandelte Grippe bekam er chronische Herz-Lungen-Probleme und auch seine Knochensubstanz war angegriffen. Wie durch ein Wunder lebte er aber trotzdem drei glückliche Jahre auf dem Hof. Dann brach er aber aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung so heftig zusammen, dass er einen inoperabelen Trümmerbruch erlitt. Für Rinder ist das Verlieren der Standfähigkeit über einen längeren Zeitraum immer ein Todesurteil, da sie wegen ihrem komplizierten 4-Mägen-Verdauungssystem nur kurze Zeit liegen können.
So musste Paul im Oktober 2017 erlöst werden und hinterliess buchstäblich einen Krater. Zum einen, weil mit ihm eines der freundlichsten, schutzbedürftigsten und liebenswertesten Geschöpfe überhaupt verstarb, zum einen aber auch wegen der zwar aufgrund seiner Krankengeschichte nicht unerwarteten, aber doch plötzlichen Heftigkeit seines Abschieds. Wer einen Lebenshof und vor allem wie im Butenland-Fall ein Kuhaltersheim betreibt, der muss sich jährlich mit mehreren Todesfällen arrangieren und mit ihnen umgehen. Trotzdem standen nach Pauls Tod zum ersten Mal fast alle Räder still und die Beteiligten mussten sich erst wieder über mehrere Tage sammeln.
Dann stand aber auch sehr schnell fest, dass Paul noch ein posthumes Denkmal verdient hat. In der Umsetzung wurde sein Lebenslauf dann noch mit jeder Menge allgemeinen Rinderfakten ergänzt, so dass ein Buch dabei herausgekommen ist, das sowohl Trauriges mit Schmunzeleinlagen vereint, und in dem sich Wissenswertes sehr geschickt mit Erinnerungen und Anekdoten abwechselt. Als zusätzlicher Bonus liegt jedem Werk eine CD der Sängerin Germaid bei, auf der diese Ausnahmekünstlerin den im Buch enthaltenen Paul-Song in 2 Versionen umsetzt und auch noch ein fröhliches Lied über den Hof vertont hat. Bis jetzt erreichen den Verlag nur positive Rückmeldungen, wer sich also schon für Rinder interessiert, der kann gerne mal im Shop auf der Butenland-Homepage https://www.stiftung-fuer-tierschutz.de/... vorbeisurfen. Aber auch, wenn man sich gar nicht für diese Tiere erwärmen kann, sollte man vielleicht einen Blick riskieren. Die Chancen stehen wirklich gut, dass sich diese Einstellung dadurch grundlegend ändert und man erkennt, mit was für faszinierenden und vielschichtigen Wesen man es zu tun hat. Fast unnötig zu erwähnen, dass alle Einnahmen des Shops direkt in die Stiftung fließen und so wieder ausschließlich den tierischen Bewohnern zugute kommen.