Bei Massenschäden scheinen Massenverfahren auf den ersten Blick ein probates Mittel zur Durchsetzung von Rechten geschädigter Verbraucher gegenüber Großunternehmen zu sein. Erst kurz vor dem für betroffene Käufer im Ergebnis äußerst enttäuschenden „Diesel-Gipfel“ am 02.08.2017 zeigte sich die Politik unter der Flagge des Verbraucherschutzes plötzlich wieder offen für sogenannte Gruppenklagen.
Entsprechende Gesetzesvorschläge liegen seit geraumer Zeit vor. Es ist bedauerlich, dass es der Großen Koalition bislang nicht gelungen ist, eine Klagemöglichkeit zu schaffen, an der sich mehrere Verbraucher kostengünstig und rechtssicher beteiligen können. Fakt ist jedenfalls: „Das geltende Zivilprozessrecht sieht für Besitzer betroffener Autos, die Ansprüche gegen den Hersteller oder Verkäufer rechtlich durchsetzen wollen, schlicht keine Sammelklage vor“, stellen die Nürnberger Rechtsanwälte klar.
Daher gibt es rund um die Abgasaffäre Bestrebungen mittels verschiedener Methoden diese Rechtstatsache zu umgehen. „Manche versuchen, Ansprüche zahlreicher Verbraucher auf Zweckgesellschaften zu bündeln, andere erheben eine Klage im Namen vieler, begründen die Klage dann aber letztlich einheitlich für alle“, stellt Rechtsanwalt Dr. Hoffmann fest. „Geworben wird immer mit einer kostengünstigen und völlig risikolosen Vorgehensweise“, ergänzt Rechtsanwalt Göpfert.
Tatsächlich bergen derartige Massenverfahren jedoch ganz erhebliche tatsächliche und prozessuale Risiken, die sogar mit einem Rechtsverlust einhergehen können. Bereits die rechtliche Zulässigkeit von Abtretungskonstruktionen darf zumindest bezweifelt werden. Teils werden diese gar für nichtig gehalten, da dem Prozessgegner keine im Unterliegensfalle zahlungsunfähige Zweckgesellschaft untergeschoben werden dürfe“, erklären die erfahrenen Praktiker. Wird diese Frage erst Jahre später abschließend bejaht, könnten die Ansprüche der Verbraucher bereits verjährt sein.
Zudem könnte die Gegenseite beispielsweise eine sogenannte Drittwiderklage gegen den jeweiligen Betroffenen erheben. Die Nürnberger Rechtsanwälte mahnen: „Dann ist der Geschädigte plötzlich wider Willen selbst Partei des Rechtsstreits und trägt das volle Kostenrisiko.“
Bei Sammelklageverfahren werden letztlich die Interessen vieler in einem Verfahren gebündelt. Hier besteht das Risiko der Prozesstrennung durch das Gericht. In jedem Fall gibt es Besonderheiten, sodass er sich jeweils abweichend entwickeln kann und deshalb nicht gemeinsam zu verhandeln ist. „Gelangt das Gericht zu dieser Ansicht, trennt es die Verfahren und jeder Kläger hat plötzlich ohne es bewusst entschieden zu haben, ein eigenes Gerichtsverfahren, bei dem er allein die Kosten zu tragen hat“, warnt Rechtsanwalt Göpfert.
Neben diesen prozessualen Problemen gilt auch bei der Durchsetzung der Ansprüche geschädigter Autokäufer, dass der jeweilige Einzelfall entscheidend ist. Je sorgfältiger dieser aufgearbeitet wird, desto höher sind die Erfolgschancen, wobei auch das konkrete Anspruchsziel und die individuelle Situation des Mandanten maßgeblich zu berücksichtigen sind. Zu welchen Ergebnissen demgegenüber standardisierte Klagen ohne Einzelfallbezug führen können, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LG Braunschweig vom 16.06.2017. Obwohl das LG Braunschweig zuvor bereits zugunsten von Käufern geurteilt hatte, wurde die Klage des dortigen Autobesitzers abgewiesen. „In den Entscheidungsgründen stellt das Gericht mehrfach heraus, dass die anspruchsbegründenden Umstände durch die Klagepartei im Einzelfall nicht oder nicht hinreichend dargelegt worden sind“, konstatiert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann.
Betroffene sollten sich also nicht vorschnell einer „Sammelklage“ anschließen. Die nicht zuletzt finanziellen Risiken sind erheblich und rechtfertigen es, sich in „seinem Fall“ vom einem auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts fachkundigen Rechtsanwalt beraten zu lassen.