Während der VW-Konzern in den USA Entschädigungen im Milliardenbereich leistete, werden betroffene Autokäufer in Deutschland typischerweise lapidar auf die Nachrüstung der Fahrzeuge verwiesen. Wer sich hiermit vor dem Hintergrund der Gefahr von Folgeschäden und sinkenden Wiederverkaufspreisen sowie der durch die Abgasaffäre erneut befeuerten Diskussion über Dieselfahrverbote nicht zufrieden geben will, kann sich in einem ersten Schritt anhand des 6-Punkte-Leitfadens einen Überblick über seinen individuellen Handlungsbedarf verschaffen, welchen die durch jahrelange Praxis- und Prozesserfahrung ausgezeichneten Rechtsanwälte entwickelt haben.
1. Prüfen Sie, ob Ihr Auto – derzeit – betroffen ist
Mit der Manipulationssoftware ausgestattet wurden nach bisherigem Kenntnisstand VW-Motoren vom Typ EA 189. Nachdem das Kraftfahrzeugbundesamt im Oktober 2015 die Nachrüstung angeordnet hatte, wurden die meisten Käufer bereits durch den VW-Konzern informiert.
Auf den jeweiligen Herstellerseiten von VW, Seat, Skoda und Audi können Sie zudem ersehen, ob Ihr Auto betroffen ist, wobei natürlich keine Garantie für die Vollständigkeit des dortigen Datenmaterials besteht. Wer sicher gehen will, ob in seinem Wagen der VW-Motor EA 189 verbaut worden ist, sollte seine Motornummer prüfen, die man im Service Heft bzw. auf dem Motorblock findet. Eine Kfz-Werkstatt kann Ihnen ebenfalls beim Heraussuchen behilflich sein.
2. Bleiben Sie informiert
Das ganze Ausmaß von „Dieselgate“ ist derzeit bei weitem noch nicht absehbar. Die Untersuchungen sind auch auf andere Fahrzeughersteller und Motortypen ausgeweitet worden. Nutzen Sie die umfangreiche Berichterstattung in der Presse und den Medien. Aktuelle Erkenntnisse finden Sie beispielsweise auf der Homepage des zuständigen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).
3. Vergegenwärtigen Sie sich Ihr Anspruchsziel
Machen Sie sich zunächst Ihr Anspruchsziel bewusst. Wollen Sie überhaupt tätig werden, und falls ja, was wollen Sie konkret erreichen? Sie müssen entscheiden, ob Sie sich mit der Nachbesserung Ihres Fahrzeugs zufrieden geben oder es aber an den Händler oder den VW-Konzern zurückgeben möchten. Falls Sie mit „Ihrer Marke“ eigentlich „glücklich“ sind, ist Ihnen gegebenenfalls auch mit dem Austausch des betroffenen Fahrzeugs gegen ein aktuelles Modell geholfen. Bei finanzierten Fahrzeugen kann zudem allein der Widerruf des Autokredits zum gewünschten Erfolg führen.
4. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Rechte und Ansprüche
Mit welchen juristischen Mitteln und gegenüber welchem Anspruchsgegner können Sie Ihr Ziel verfolgen? Gegen den Händler kann ein Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag bestehen. Das bedeutet, dass das Kfz zurückgegeben werden kann. Zahlreiche Gerichte stellten bereits fest, dass der Käufer hierbei keine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat und das Fahrzeug damit quasi kostenlos fahren durfte. Daneben wurden Händler auch schon zur Nachlieferung eines typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion verurteilt. Eine Entschädigung für die gefahrenen Kilometer hatte der Käufer erneut nicht zu leisten. Gegen den Hersteller (Volkswagen AG) bestehen nach mehreren Urteilen darüber hinaus Schadensersatzansprüche. Auch hier ist der Kauf vollständig rückabzuwickeln. Ein „eleganter“ Weg kann im Falle der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation auch einfach der Widerruf des Autokredits gegenüber der finanzierenden Bank sein, der im Regelfall ebenfalls zu einer vollständigen Rückabwicklung nicht nur des Darlehens-, sondern auch des Kaufvertrages führt. Dieses Vorgehen steht allen Autokäufern, völlig unabhängig davon, ob ihr Fahrzeug von der Dieselaffäre betroffen ist, offen.
5. Handeln Sie jetzt – Verjährung droht
Falls Sie Ihr Anspruchsziel verfolgen wollen, müssen Sie umgehend tätig werden. Sachmängelgewährleistungsrechte gegenüber dem Händler verjähren grundsätzlich bereits innerhalb von zwei Jahren nach der Übergabe des Fahrzeugs, bei Gebrauchtwagen in aller Regel schon nach einem Jahr. Zwar hat der Volkswagen-Konzern den Händlern empfohlen, für einen bestimmten Zeitraum auf die Verjährungseinrede zu verzichten. Dieses befristete „Entgegenkommen“ des VWKonzerns, das für den Händler ohnehin nicht bindend sein dürfte, läuft bereits Ende diesen Jahres aus. Allerspätestens am 31.12.2017 müssen daher verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden.
Bei Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Hersteller gilt die dreijährige Verjährungsfrist, die ab der Kenntnis oder einem „Kennenmüssen“ des Käufers von den anspruchsbegründenden Umständen zu laufen beginnt. Nachdem sich erste Anhaltspunkte für den Abgasskandal im September 2015 ergaben, sollten sich Betroffene bereits jetzt jedenfalls den 31.12.2018 dick im Kalender notieren.
Eine besondere Gefahr lauert zudem in der absoluten zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Danach verjähren Ansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an, und zwar völlig unabhängig von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers. Dies gilt taggenau. Wenn ein Kunde beispielsweise im Januar 2008 ein betroffenes Fahrzeug erworben hat, tritt die Verjährung von Schadensersatzansprüchen bereits im Januar und nicht erst Ende 2018 ein, und zwar exakt an dem Tag, an welchem die Schadensersatzansprüche entstanden sind.
6. Ziehen Sie einen erfahrenen Fachmann für Ihren Einzelfall zu Rate
Falls Sie tätig werden wollen, ist es daher unerlässlich, Ihren Einzelfall möglichst bald und mit Hilfe eines fachkundigen Rechtsanwalts detailliert prüfen zu lassen. Hüten Sie sich vor vermeintlich risikolosen, dem deutschen Zivilprozessrecht im hier fraglichen Bereich fremden „Sammelklagen“. Die rechtliche Zulässigkeit von Abtretungskonstruktionen darf im Hinblick auf eine Umgehung der prozessualen Vorschriften zumindest bezweifelt werden. Denn grundsätzlich gilt auch bei der Durchsetzung der Ansprüche geschädigter Autokäufer, dass der jeweilige Einzelfall entscheidend ist. Je sorgfältiger dieser aufgearbeitet wird, desto höher sind die Erfolgschancen, wobei auch das konkrete Anspruchsziel und die individuelle Situation des Mandanten maßgeblich zu berücksichtigen sind. Entgegen den oftmals anzutreffenden werbemäßigen Anpreisungen, bergen „Sammelklagen“ ferner sehr wohl nicht unerhebliche Kostenrisiken für den Einzelnen. So könnte die Gegenseite beispielsweise eine so genannte Drittwiderklage gegen den jeweiligen Betroffenen erheben. Dann ist der Geschädigte plötzlich wider Willen selbst Partei des Rechtsstreits und trägt das volle Kostenrisiko.