Die weit überwiegende Anzahl der Widerrufsbelehrungen in Kreditverträgen, die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen worden sind, ist bekanntermaßen fehlerhaft. In dem durch das LG Stuttgart entschiedenen Fall enthielt die Widerrufsbelehrung der Allianz Lebensversicherungs-AG den Passus, dass die Widerrufsfrist „frühestens“ mit Erhalt der Belehrung beginne, was nach ständiger Rechtsprechung des BGH zu einem Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot führt. Wegen der erheblichen Abweichungen zu dem Text der Musterbelehrung konnte sich die Beklagte auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Der Widerruf war damit fristgemäß erklärt worden.
Die einzig interessante Frage war, ob das LG Stuttgart von einer Verwirkung des Widerrufsrechts ausgehen wird, die von manchen Gerichten allein wegen der Rückzahlung des Darlehens pauschal und mit rechtlich nicht tragenden Argumenten zugunsten der Banken angenommen wird. „Während das Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst noch in diese Richtung zu tendieren schien, schloss es sich sodann doch noch größtenteils unserer nochmals dargelegten Rechtsauffassung an“, erläutert der sachbearbeitende Rechtsanwalt Göpfert.
Das LG Stuttgart stellte zutreffend fest, dass jedenfalls bei einer vertragsgemäßen Rückzahlung des Darlehens nach Ende der Zinsfestschreibung der Verwirkungseinwand nicht durchgreift und verurteilte die Allianz-Lebensversicherungs-AG zur Rückzahlung von rund 20.950,00 €. Denn es fehlt an einem zurechenbaren Verhalten des Darlehensnehmers, etwa seinem Wunsch nach einer vorzeitigen Ablösung des Vertrags. Ähnlich argumentierte bereits das OLG Frankfurt a.M. in seinem Urteil vom 10.01.2018, Az.: 17 U 134/17, und verneinte auch bei einem mehr als neun Jahre nach Rückzahlung erklärten Widerruf ein schutzwürdiges Vertrauen der dort beklagten Sparkasse.
Typischerweise wird der Widerruf gerade bei abgelösten Darlehen durch die Bank unter Verweis auf eine „Liste“ von teils im jeweiligen Einzelfall gar nicht einschlägigen Gerichtsentscheidungen zurückgewiesen. So mancher Darlehensnehmer lässt sich durch solche „Standardschreiben“ entmutigen und verfolgt seinen Fall ohne anwaltliche Unterstützung nicht weiter. „Einige Verbraucher lassen die Sache dann schlicht auf sich beruhen und der Fall verläuft zunächst im Sande“, weiß Rechtsanwalt Dr. Hoffmann aus der Praxis zu berichten.
Dann kann es aber schon zu spät sein. Das Widerrufsrecht unterliegt zwar grundsätzlich keiner Verjährung, was oftmals jedoch vergessen wird: Im Falle von bereits beendeten Darlehen entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Darlehensnehmers. Entgegen zahlreicher Verlautbarungen unterliegt dieser Rückzahlungsanspruch - wie jeder andere Anspruch auch - der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Die Frist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. Die Nürnberger Rechtsanwälte warnen: „Wenn der Widerruf beispielsweise im Jahr 2015 erklärt worden ist, droht der Anspruch bereits am 31.12.2018 zu verjähren.“
Kreditnehmer, die sich mit der Zurückweisung ihres Widerrufs seitens der Bank nicht abfinden wollen, sollten die entstandenen Forderungen durch einen auf dem Gebiet des Bankrechts fachkundigen Rechtsanwalt sorgfältig prüfen und sodann kurzfristig auch verfolgen lassen.