Die Rechtsprechung dreht sich immer mehr zugunsten der vom Dieselskandal betroffenen Autobesitzer. Während eine Schadensersatzverpflichtung der Volkswagen AG meistens auf die Generalklausel des § 826 BGB wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gestützt wird, findet insbesondere das Landgericht Nürnberg-Fürth deutlichere Worte. „Die Beklagte haftet als mittelbare Täterin (§ 25 Abs. 1, 2. Alt StGB) für den durch die Händlerin als vorsatzloses Werkzeug begangenen Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) dem Kläger auf Ersatz der ihm aus dem Kauf des streitgegenständlichen Pkw entstandenen Schäden (§ 823 Abs. 2 BGB)“, heißt es beispielsweise in einer jüngeren Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth vom 13.03.2019 zum Az.: 9 O 4811/18.
„Das LG Nürnberg-Fürth stützt seine Entscheidungen nicht auf eine „nur“ vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, sondern spricht vielmehr völlig zutreffend von einem vollendeten Betrug“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann. Bereits mit sieben Urteilen vom 27.04.2017, 9 O 7324/16, 9 O 3631/16, 8 O 3707/16, 8 O 6196/16, 8 O 5990/16, 8 O 6120/16 und 8 O 2404/16 verurteilte das LG Nürnberg-Fürth die Volkswagen AG daher gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB auf Schadensersatz. Die Entscheidungsserie setzte sich unter anderem mit den Urteilen des LG Nürnberg-Fürth vom 05.06.2018, 9 O 1916/17, sowie vom 19.06.2018, 9 O 1468/17 und 9 O 2134/17 fort.
Jetzt wird es nicht nur für den Konzern, sondern auch für die verantwortlichen Personen im Dieselskandal zunehmend enger. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig teilte in einer Presseinformation vom 15.04.2019 mit, dass sie Anklage gegen fünf VW-Führungskräfte vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig erhoben hat. Unter ihnen befindet sich auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Winterkorn. Konkret vorgeworfen wird ihnen "eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen, insbesondere ein besonders schwerer Fall des Betruges und ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“.
Begründet wird die Anklage insbesondere damit, dass die Angeschuldigten „kraft ihres überlegenen Wissens“ über die Verwendung der Abschalteinrichtung wissentlich und willentlich bewirkt hätten, dass die Ersterwerber der Fahrzeuge bei Vertragsschluss und Kaufpreiszahlung über die Zulassungsfähigkeit getäuscht wurden und das von ihnen gekaufte Fahrzeug wesentlich weniger wert war als die vereinbarte und geschuldete Leistung. Die Angeschuldigten hätten in dem Bestreben gehandelt, dem Unternehmen möglichst hohe Verkaufszahlen mit einem möglichst hohen Gewinn zu verschaffen. Von dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens hing letztlich auch das Einkommen der Angeschuldigten, insbesondere deren vertraglich vorgesehene Bonuszahlung, ab.
„Genau dies sind zugleich die wesentlichen Punkte, welche durch uns in sämtlichen Schadensersatzverfahren vorgetragen werden. VW behauptet demgegenüber, dass nach dem derzeitigen Stand der internen Ermittlungen keine Erkenntnisse für eine Beteiligung oder Kenntnis einzelner Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software vorlägen bzw. nach derzeitigem Kenntnisstand Derartiges „nicht erwiesen“ sei. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht dies offensichtlich anders“, erläutert Rechtsanwalt Göpfert.
Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte dürften VW nach der Anklageerhebung mehr und mehr die Argumente ausgehen. Es bleibe abzuwarten, ob und wie Volkswagen seinen Vortrag „ändern“ wird. Ohnehin hielten die meisten Gerichte bereits zuvor die Einlassungen von VW für „etwas dürftig“. In letzter Zeit hat beispielsweise das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem gut begründeten Hinweisbeschluss vom 05.03.2019, 13 U 142/18, eine Haftung von VW nach vorläufiger Rechtseinschätzung bejaht. Ebenso wie bereits das Landgericht Nürnberg-Fürth in ständiger Rechtsprechung urteilt, dass mangels hinreichend konkreter Darlegungen der Beklagten davon auszugehen sei, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsgemäß berufener Vertreter der Volkswagen AG die Anordnung traf, die streitgegenständliche Manipulationssoftware in dem Motor EA 189 einzubauen und dies geheim zu halten, hielt auch das Oberlandesgericht Karlsruhe die Behauptungen von VW für völlig unzureichend.
„Der Verteidigungsstrategie von VW, von nichts gewusst zu haben, ist spätestens nach der Anklage durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig eine klare Absage zu erteilen“, stellen die Nürnberger Rechtsanwälte, die eine Vielzahl von Geschädigten im sogenannten Dieselskandal vertreten, klar. Damit erhöhen sich die Chancen auf Schadensersatz weiter deutlich.
Nach Auffassung der Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner unterlagen Schadensersatzansprüche für Besitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 entgegen der allgemeinen Berichterstattung auch nicht einer Verjährung zum 31.12.2018. Daher sollten Geschädigte vor dem Hintergrund der positiven Entwicklungen auch 2019 ihre Ansprüche mit aller Konsequenz verfolgen.