Der Bundesgerichtshof hatte mit seinem Urteil vom 20.03.2018, XI ZR 309/16, festgestellt, dass eine Klausel in den AGB-Banken, welche die gesetzlichen Aufrechnungsmöglichkeiten zu Lasten von Bankkunden einschränkt, unwirksam ist. „Der BGH stellte dabei ausdrücklich klar, dass eine solche Beschränkung den Verbraucher unangemessen benachteiligt und insbesondere die Ausübung des Widerrufsrechts unzulässig erschwert“, erinnert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann. In nahezu allen Allgemeinen Geschäftsbedingungen deutscher Banken und Sparkassen findet sich regelmäßig folgende bzw. eine sinngemäße Bestimmung: „Der Kunde kann gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.“ Durch diese Regelung wird die Aufrechnungsbefugnis eines Kunden stark eingeschränkt.
Gerade dann, wenn – wie sehr häufig – zwischen Bank und Kunde die Wirksamkeit eines Widerrufs in Streit steht, wird hierdurch auch die Ausübung des Widerrufs erschwert, da der Kunde faktisch eine weitere Finanzierung des vollen Darlehensbetrages zzgl. aller bisher angefallenen Zinsen benötigt, um seine Verpflichtungen nach einem Widerruf zu erfüllen.
Das LG Ravensburg greift diesen, bereits in der Pressemitteilung der Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner vom 26.04.2018 genannten Gedanken auf und stellt fest, dass eine solch unzulässige Aufrechnungsklausel geeignet ist, den Darlehensnehmer vom Widerruf abzuhalten. „Wegen des von den Banken zu beachtenden Deutlichkeitsgebots bei der Belehrung über das Widerrufsrecht und dem gesetzlichen Verbot, zum Nachteil des Verbrauchers von den gesetzlichen Vorgaben zum Widerrufsrecht abzuweichen, ist im Ergebnis die Widerrufsinformation insgesamt nicht ordnungsgemäß“, erklärt Rechtsanwalt Göpfert.
Für Darlehensnehmer, die in der Zeit zwischen 2010 und 2016 Verträge geschlossen haben, ist die Entscheidung des LG Ravensburg ein Paukenschlag. Nach den Erfahrungen der Nürnberger Rechtsanwälte aus der Sichtung von tausenden Darlehensverträgen befindet sich eine entsprechende Klausel in nahezu allen Vertragswerken deutscher Banken und Sparkassen. Da bei Verträgen seit dem 11.06.2010 die durch geschickte Lobbyarbeit der Banken eingeführte Erlöschensvorschrift des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB nicht eingreift, können damit zehntausende Verbraucher ihre Verträge auch heute noch wirksam widerrufen.
Die erfahrenen Praktiker merken abschließend an: „Das LG Ravensburg kommt den Darlehensnehmern noch weiter entgegen; denn es spricht der dort betroffenen Sparkasse für die Zeit nach dem Widerruf nicht einmal Zinsen zu.“ Bei einem Streit über die Widerruflichkeit vergehen schnell mehrere Monate, oft sogar Jahre, bis eine abschließende Klärung herbeigeführt ist. Darlehensnehmer, die dann die Raten weiterhin zahlen, können in den Genuss kommen, dass die Zahlungen als Tilgung verrechnet werden und damit faktisch ein zinsloses Darlehen für die Zeit nach dem Widerruf gewährt worden ist.
Darlehensnehmer sollten ihre Finanzierungen daher durch einen auf dem Gebiet des Bankrechts fachkundigen Rechtsanwalt sorgfältig prüfen lassen, wenn sie von der Möglichkeit eines regelmäßig wirtschaftlich vorteilhaften Widerrufs Gebrauch machen möchten.