Die Rechtsprechung dreht sich immer mehr zugunsten der vom Dieselskandal betroffenen Autobesitzer. Bundesweit geben immer mehr Gerichte den Geschädigten Recht. Neben einer Flut von landgerichtlichen Entscheidungen sehen auch einige Oberlandesgerichte Volkswagen in der Verantwortung. In diesem Sinne äußerten sich beispielsweise bereits das OLG Köln in seinen Hinweisbeschlüssen vom 16.7.2018, 27 U 10/18, und vom 03.01.2019, 18 U 70/18, sowie das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 05.03.2019, 13 U 142/18.
„Bislang hat der Volkswagen-Konzern abschließende OLG-Urteile vermieden, indem er den Klägern so viel Geld angeboten hat, dass der Rechtsstreit ohne großes öffentliches Aufsehen beigelegt werden konnte“, berichtet Rechtsanwalt Göpfert aus der Praxis. In dem Berufungsverfahren vor dem OLG Koblenz ist diese Taktik wohl nicht aufgegangen. Erstmals urteilte jetzt ein Oberlandesgericht: Nach der aktuellen Entscheidung des OLG Koblenz vom 12.06.2019, 5 U 1318/18, schuldet VW dem Käufer eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.
In erster Instanz hatte das Landgericht die Klage des Autobesitzers noch abgewiesen. Das OLG Koblenz folgte dieser Auffassung in seiner gut begründeten Entscheidung nicht. „Neben der Feststellung, dass das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der illegalen Umschaltlogik eine konkludente Täuschung darstellt, sei das Vorgehen von VW auch sittenwidrig, nachdem staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher in großer Zahl systematisch zur Profitmaximierung getäuscht worden seien“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann. Angesichts der großen Zahl der manipulierten Fahrzeuge hielt es der Senat des OLG Koblenz auch für ausgeschlossen, dass Mitarbeiter der Beklagten in leitender Stellung keine Kenntnis von den Manipulationen hatten.
Obwohl das OLG Koblenz dem Kläger im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch zugesprochen hat, hatte die Berufung nicht in vollem Umfang Erfolg. Denn der Kläger musste sich den durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeuges gezogenen geldwerten Vorteil anrechnen lassen. Dies wurde zu Recht kritisiert, weil der Autohersteller hierdurch jedenfalls einen Teil der wirtschaftlichen Vorteile aus seinem sittenwidrigen Handeln einbehalten darf.
Auch der Gesetzgeber hat dieses Dilemma erkannt und verpflichtet daher auch den Schädiger zum Vorteilsausgleich. In einer durch die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte vor kurzem erstrittenen Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth vom 08.05.2019, 9 0 7966/18, wurde VW zwar ebenfalls zur Rückzahlung des nach Abzug von Nutzungsersatz für das Fahrzeug verbleibenden Kaufpreises verurteilt. „Entscheidend ist jedoch, dass das Gericht unserem Mandanten antragsgemäß auch einen Verzinsungsanspruch in Höhe von 4 Prozent aus dem – vereinfacht gesagt – „Nettokaufpreis“ zugesprochen hat, wobei die Verzinsungspflicht bereits mit dem Kaufzeitpunkt eintritt“, berichtet der sachbearbeitende Rechtsanwalt Göpfert. Was zunächst wenig spektakulär klingt, führt im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, dass der Kläger sage und schreibe rund 98 Prozent des Bruttokaufpreises zurückerhält. Damit ist der VW-Kunde in den letzten sieben Jahren praktisch kostenlos gefahren.
Nach Auffassung der Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte unterliegen Schadensersatzansprüche für Fahrzeugbesitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 entgegen der allgemeinen Berichterstattung auch nicht einer Verjährung zum 31.12.2018, sondern frühestens zum 31.12.2019. Geschädigte sollten vor dem Hintergrund der positiven Entwicklung in der Rechtsprechung daher ihre Ansprüche zeitnah und mit aller Konsequenz verfolgen.