Dieselgate ist auch nach knapp sieben Jahren noch nicht zu Ende. In Großbritannien schloss der Volkswagen Konzern aktuell einen Vergleich über rund 227 Millionen Euro und wendete damit den Prozess vor dem Londoner High Court ab. Geklagt hatten mehr als 90.000 Besitzer von Diesel-Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda wegen der in dem EA189 enthaltenen Manipulationssoftware. Das Verfahren, das im Januar 2023 beginnen hätte sollen, wäre die bislang größte Sammelklage vor einem englischen Gericht gewesen.
Auch in Deutschland weiterhin Schadensersatzansprüche im VW Dieselskandal
In Großbritannien wurden rund 1,2 Millionen manipulierte Kfz verkauft. In Deutschland sind von den Abgasmanipulationen beim EA189 Motor gar um die 2,8 Millionen Fahrzeuge betroffen. Der BGH hatte bereits Mitte 2020 bestätigt, dass VW bei diesem Motor auf Schadensersatz haftet. Gleichwohl ist bislang eine vergleichsweise geringe Anzahl von Verbrauchern von VW entschädigt worden. Viele Fahrzeughalter meinen wohl, dass es zu spät sei, um noch etwas zu unternehmen.
Der BGH entschied jedoch in zwei Grundsatzurteilen rund um den Motor EA189 am 21.02.2022, dass Verbrauchern bei Neuwagengeschäften weiterhin Schadensersatzansprüche in Form des sog. Restschadensersatzanspruchs zustehen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob das neue Fahrzeug von VW direkt oder von einem Händler erworben wurde. „Käufer von Neufahrzeugen aus dem VW-Konzern, die ihr Fahrzeug vor weniger als 10 Jahren erworben haben, sollten daher kein Geld verschenken, sondern jetzt handeln. Dies gilt unabhängig davon, ob sie das Fahrzeug noch besitzen oder bereits weiterverkauft haben“, rät Rechtsanwalt Dr. Hoffmann.
Die Voraussetzungen für den Restschadensersatzanspruch sind denkbar einfach:
1. Fahrzeug verfügt über einen EA189 Motor
2. Erwerb erfolgte vor dem 20.09.2015 als Neufahrzeug (ein ggf. danach erfolgter Verkauf ändert nichts an dem Anspruch)
3. Erwerb (ggf. auch Zahlung des Kaufpreises) ist nicht länger als 10 Jahre her (Berechnung auf den Tag genau)Fristen auch beim Restschadensersatz
Wichtig ist: Der Restschadensersatzanspruch gegenüber Volkswagen kann nicht grenzenlos geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre. Die Frist wird taggenau ab dem Tag des Erwerbs berechnet, wobei nach der Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte auch ein Abstellen auf die - teils spätere - Kaufpreiszahlung juristisch gut vertretbar ist. Wenn beispielsweise jemand ein betroffenes Auto am 21.06.2012 gekauft hatte, muss er spätestens am 21.06.2022 Klage einreichen, um nicht doch noch leer auszugehen.
Diesel-Klagen lohnen sich auch weiterhin
Es ist daher dringend zu empfehlen, jetzt zu handeln. Der Weg ist bei Neuwagengeschäften nach den beiden Urteilen des BGH vom 21.02.2022 frei. Der BGH stellte auch heraus, dass der Restschadensersatzanspruch gemäß 852 BGB nicht auf den durch VW erzielten Gewinn beschränkt ist. Es verhält sich stattdessen wie beim eigentlichen Schadenersatz nach § 826 BGB. Geschädigte haben einen Anspruch auf Erstattung des vollen Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer gegen Rückgabe des Autos. Jeder Erwerber eines Volkswagen Neufahrzeuges sollte sich daher beraten und seine Ansprüche berechnen lassen. „Es geht hier meist um mehrere Tausend Euro, die Betroffene letztlich verschenken, wenn sie nichts unternehmen“, weiß Rechtsanwalt Göpfert aus der Praxis zu berichten.
Auch die aktuell hohen Gebrauchtwagenpreise vermögen hieran nichts zu ändern. Zunächst kommt es in vielen Verfahren gegen die Volkswagen AG gar nicht zu einem Rückabwicklungsurteil. Zahlreiche Fälle lassen sich schnell und unkompliziert mit einer Entschädigungsleistung zugunsten der betroffenen Erwerber lösen und die Fahrzeuge können behalten werden. Auf eine solche Form der Entschädigung einigten sich nun auch die britischen Diesel-Besitzer mit VW. Vor allem aber müssen die Verjährungsfristen beachtet werden. „Wenn der Anspruch erst einmal verjährt ist, bekommt man jedenfalls gar nichts mehr. Aus einem positiven Urteil kann man hingegen 30 Jahre lang gegen VW vollstrecken“, stellt Rechtsanwalt Göpfert klar.