Die gesetzliche Erlöschensvorschrift des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB gilt nicht etwa pauschal für sämtliche Immobilienkredite. Vielmehr ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nur unter bestimmten und im jeweiligen Einzelfall zu prüfenden Voraussetzungen mit Ablauf des 21.06.2016 ausgeschlossen.
1. Kein Erlöschen des Widerrufsrechts bei Neuverträgen ab dem 11.06.2010
Die Vorschrift betrifft zunächst unzweifelhaft nur sogenannte Altverträge, die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen worden sind. Spätere Verträge können auch heute noch rechtswirksam widerrufen werden, falls nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert worden ist. Die Widerrufsbelehrungen wurden ab dem 11.06.2010 durch sogenannte Widerrufsinformationen ersetzt. Auch wenn nach jüngerer Rechtsprechung des BGH viele Widerrufsinformationen an sich rechtlich wohl grundsätzlich nicht zu beanstanden sind, müssen zudem auch sämtliche in den Widerrufsinformationen genannten Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt worden sein. Gerade bei Sparkassen fehlt in den Vertragsunterlagen oftmals die Benennung der „Aufsichtsbehörde“, was nach dem Urteil des BGH vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, zur Wirksamkeit des Widerrufs führt.
2. Widerrufsfrist gilt nur für so genannte „Immobiliardarlehensverträge“
Ferner wird oftmals entscheidend verkannt, dass nicht alle Kredite, welche der Finanzierung einer Immobilie dienen, einfach mit „Immobiliardarlehensverträgen“ im Sinne der gesetzlichen Vorschriften gleichzusetzen sind. Die Erlöschensregelung gilt nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut ausschließlich für letztere. Bei vielen Darlehensverträgen, beispielsweis der BHW Bausparkasse AG oder der GMAC-RFC Bank GmbH (Adaxio AMC GmbH), lohnt sich eine genauere Prüfung der jeweiligen Konditionen im Einzelfall.
3. Kein Erlöschen des Widerrufsrechts bei fehlender Widerrufsbelehrung
Die Erlöschensanordnung für das fortbestehende Widerrufsrecht greift nur bei einer fehlerhaften, nicht bei einer gänzlich fehlenden Widerrufsbelehrung ein. Gerade bei gescheiterten finanzierten Immobilienkapitalanlagen („Schrottimmobilien“) wurde den Darlehensnehmern in einigen Fällen keinerlei Widerrufsbelehrung überlassen, sondern durch den jeweiligen Vermittler einfach wieder mitgenommen. Auch in diesen Fällen können Altverträge auch heute noch widerruflich sein, falls die Belehrungen, wie so oft, fehlerhaft waren.
4. Widerrufsrecht erlischt nicht bei Verletzung von Informationspflichten
Zahlreiche Darlehensverträge wurden ohne jeglichen persönlichen Kontakt mit einem Mitarbeiter der Bank geschlossen. Bei so genannten Fernabsatzgeschäften hatten die Kreditinstitute neben der Erteilung einer Widerrufsbelehrung weitere Informationspflichten zu beachten. Wenn diese Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sind, können Altverträge auch heute noch widerrufen werden. Die Vertragsunterlagen sind daher vollständig zu überprüfen.
5. Erlöschen des Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften nur nach Rückzahlung
Die Erlöschensvorschrift gilt bei Haustürgeschäften nur dann, falls das Darlehen vollständig zurückgeführt ist. Bei valutierenden Darlehen gilt es also, anhand der konkreten Umstände des Vertragsschlusses zu klären, ob der Verbraucher durch mündliche Verhandlungen in seiner Wohnung zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden ist.
6. Fazit
Es zeigt sich also, dass das Widerrufsrecht in einigen Fällen auch heute noch wirksam ausgeübt werden kann. Auch Darlehensnehmer, die den Widerruf nicht vor dem 21.06.2016 erklärt haben, sollten ihre Finanzierungen daher weiterhin durch einen auf dem Gebiet des Bankrechts fachkundigen Rechtsanwalt prüfen lassen.