Die Mühen wurden belohnt, denn die von den Psychologen als „Validität“ bezeichnete Prognosekraft des Tests ist sehr hoch: Rund ein Viertel der gesamten sportlichen Leistungsvarianz lässt sich durch den Test vorhersagen. „Angesichts der großen Bedeutung physiologischer Voraussetzungen wie Ausdauer oder Kraft sowie der psychomotorischen Fähigkeiten für sportlichen Erfolg hat sogar uns dieses Ergebnis überrascht. Die Prognosekraft unseres Tests liegt im oberen Bereich dessen, was sich bei Persönlichkeitstest auch im beruflichen Kontext finden lässt“, erläutert Heinz Schuler. Das ist auch der Grund, weshalb in der Schweiz die Mitglieder der nationalen Olympia-Mannschaft mit einer Version dieses Tests ausgewählt werden. Jetzt ist die aktuelle Version des „Sportbezogenen Leistungsmotivationstests (SMT)“ bei einem Fachverlag veröffentlicht worden und kann von Trainern, Verbänden und Sportpsychologen für die Auswahl und auch das Coaching von Sportlern und solchen, die es werden wollen, genutzt werden. Die individuellen Erfolgsprognosen lassen sich dadurch nachhaltig steigern. Als Prognoseinstrument soll der SMT einen wichtigen Beitrag bei der Vorhersage individuellen sportlichen Erfolgs leisten und helfen, sportbezogene Investitionsentscheidungen, wie den Einkauf von Spielern für Mannschaften, auf mehr als rein physiologischen Merkmalen zu begründen. Aber auch engagierte Freizeitsportler können interessante Informationen über ihre sportliche Motivationsstruktur gewinnen. Zum Schutz des Tests wird er vom Verlag allerdings nur an professionelle Institutionen und Fachpsychologen vertrieben; nicht jeder soll sich auf die Testung vorbereiten können. „Wir sind aber auch an einer Zusammenarbeit mit Profi-Vereinen interessiert“, erläutert Andreas Frintrup. Der direkte Kontakt zur Zielgruppe hilft bei der Weiterentwicklung der Methoden, derzeit ist ein Folgeprojekt in Vorbereitung und die Psychologen suchen noch nach Kooperationspartnern, die sich aktiv beteiligen möchten.
Allerdings ist Motivation nicht alles, worüber ein guter Sportler verfügen muss, um erfolgreich zu sein. Gerade im Profisport winken zahlreiche Verlockungen, den eigenen Erfolg durch Einsatz unlauterer Methoden bis hin zum Doping mit verbotenen Medikamenten, Eigen- oder Fremdblut oder Hormonen zu befördern. „Es gehört Standhaftigkeit und Selbstkontrolle dazu, auf solche Mittel zu verzichten, insbesondere wenn sich diese Methoden zum Standard einer Disziplin entwickelt haben“, sagt der Psychologieprofessor Schuler mit Blick auf den Radsport. Aber auch unsportliches Verhalten gegenüber direkten Wettbewerbern oder Spielern in anderen Mannschaften ist dauerhaft nicht nur für die eigene Karriere, sondern auch für das Ansehen der Sportart und den Sport als solchen schädlich. Die Doping-Skandale bei der Tour de France hätten denn auch zu weiten Teilen vermieden werden können, meint Andreas Frintrup, der bei vielen großen Konzernen für die Optimierung der Personalauswahl beratend tätig ist. Eines der am häufigsten gefragten Instrumente ist der von seinem Institut entwickelte Integritätstest PIA, mit Hilfe dessen sich wirksam vorhersagen lässt, ob Bewerber sich „kontraproduktiv “ verhalten werden. Damit ist willkürliches Verhalten entgegen geltenden Normen und Vorschriften gemeint, das zum Schaden des Unternehmens oder einzelner Personen ist – also Mobbing, Drogen- oder Alkoholkonsum am Arbeitsplatz, Informationsmissbrauch, Bestechlichkeit oder auch Sabotage. Selbst die Wahrscheinlichkeit, in Arbeitsunfälle verwickelt zu werden, lässt sich durch Integritätstests voraussagen. Bei einem großen Automobilkonzern konnte durch den Testeinsatz die Auffälligkeitsrate in Drogenscreenings von über zehn auf unter zwei Prozent gesenkt werden; eine Schweizer Bank nutzt das Verfahren zur Vermeidung von internen Betrugsdelikten und eine Einzelhandelskette reduziert durch den Testeinsatz wirksam Inventurdifferenzen, die durch Mitarbeiterdiebstahl entstehen. Für die Forscher war es daher nahe liegend, auch in die sportliche Erfolgsprognose nicht nur sportliche Leistungsmotivation, sondern zusätzlich Integrität einzubeziehen. Mit der Kombination der beiden Verfahren sollen Sportskandale und motivationsbedingtes sportliches Versagen künftig gleichzeitig vermieden werden. Neben dem Einsatz in Einzelsportarten ist insbesondere der Teamsport eine künftige Einsatzdomäne der neuartigen Testkombination. „So lassen sich dann aus moralischer Perspektive die Investitionsentscheidungen in einzelne Sportler oder Teams besser als bisher absichern – und negative Effekte für das Marketing der Sponsoren vermeiden“, freut sich der Psychologe Heinz Schuler.