Abhängigkeit vom Weltmarkt bleibt
Kräftig, mit über fünf Prozent, legte die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr zu. Mitgerissen von diesem starken Impuls erlebte Deutschland das drittbeste Konjunkturjahr seit der Wiedervereinigung. Das bescherte dem Land immerhin 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum. In Hessen dürfte dieser Wert ebenfalls erreicht werden. Kein Wunder also, dass die Deutsche Bundesbank Deutschland "weiterhin in einem soliden Aufschwung" sieht.
Zwei konjunkturell erfreuliche Jahre liegen hinter uns. Vor allem die hohe Exportnachfrage sorgte für Wirtschaftswachstum, zumal durch die internationale Nachfrage hierzulande Investitionen ausgelöst wurden. Der Standort an Main und Kinzig hatte so zuletzt deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Dennoch gibt es einen nicht eben geringen Wehrmutstropfen: Die rasch wachsende Weltwirtschaft überlagerte lediglich die ungebrochen schwache Entwicklung beim privaten Konsum. Auch im vergangenen Jahr neigten viele Bürger zum Konsumverzicht – auch bei uns. Das lag nicht nur an dem Konsumschock vor einem Jahr, den die Mehrwertsteuererhöhung auslöste, sondern auch an den höheren Kosten für Energie sowie an der stagnierenden bis rückläufigen Reallohnentwicklung der letzten Jahre. Es blieb zuletzt einfach zu wenig Geld übrig für Konsum.
Mehr Risiken für den Aufschwung
Die hartnäckige Binnenmarktschwäche wird sich wahrscheinlich auch in diesem Jahr nicht überwinden lassen. Denn an den hohen Rohstoffpreisen, die bei uns nur durch den hohen Euro-Wechselkurs gemildert werden, lässt sich kaum etwas ändern; dazu bleibt die preistreibende Nachfrage auf den Weltmärkten zu hoch.
Außerdem sind unsere Staatsschulden weiterhin so hoch, dass für ehrliche Steuer- und Abgabensenkungen seitens des Staates kein Spielraum bleibt – von dieser Seite aus kann es keine nachhaltigen Impulse zur Konjunkturbelebung geben. Ferner ist davon auszugehen, dass die Inflationsrisiken wachsen; die Verteuerung der Rohstoffpreise wird sich ebenso niederschlagen wie die Politik der amerikanischen Notenbank.Nachteilig für die exportstarke Industrie wird im Jahresverlauf außerdem der hohe Eurokurs sein. Für die mittelständisch geprägte Industrie im Main-Kinzig-Kreis, die fast 60 Prozent ihrer Güter exportiert, baut sich eine schwer zu nehmenden Hürde auf.Die nachlassende US-Konjunktur sowie die weltweite Kapitalmarktkrise belasten die Wirtschaft ebenfalls nicht unerheblich. Die Folgen des Wirtschaftsabschwungs in Amerika werden um uns keinen Bogen machen.Hinzu kommt ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Die bevor stehenden Lohnrunden. Sollten die Löhne und Gehälter zu stark steigen, dann wird dies zu erhöhter Arbeitslosigkeit bei uns führen sowie indirekt zum Arbeitsplatzexport. Der enorme Wettbewerbsdruck aus China, Indien, Brasilien und Russland, um nur die vier wichtigsten Schwellenländer zu nennen, sorgt noch auf Jahre hinaus dafür, dass kein Platz für echte Löhnerhöhungen vorhanden ist. Egal, was als Ergebnis auf dem Papier stehen wird, im Zweifelsfall wird die Geldentwertung die Lohn- und Gehaltszuwächse vernichten müssen, um die Arbeitsplätze zu sichern. Die gute Beschäftigungsentwicklung der letzen beiden Jahre wird sich nur fortsetzen, wenn Politik und Tarifvertragsparteien weitsichtig handeln und Maß halten. Für soziale Experimente und Wahlversprechen à la Mindestlohn ist in einer konjunkturellen Umbruchphase, wie wir sie gegenwärtig erleben, kein Platz. Dazu steigt gerade der Grad an Unsicherheit zu sehr.
Dynamik lässt nach
In der aktuellen Winterumfrage der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern stufen 37,3 Prozent der antwortenden 158 Betriebe aus allen Branchen im Main-Kinzig-Kreis die aktuelle Geschäftslage als gut ein; 47,5 Prozent sind zufrieden und 15,2 Prozent beurteilen die aktuelle wirtschaftliche Lage als schlecht. Im Vergleich mit den Werten vor einem Jahr zeigt sich eine Abkühlung in der Lagebeurteilung: Damals bewerteten noch 46,7 Prozent aller Unternehmen ihre Geschäftslage als gut und nur 8,3 Prozent als schlecht und 45 Prozent als unverändert. Beachtet werden sollte jedoch, dass das Stimmungsbild vor zwölf Monaten ungewöhnlich positiv ausgefallen war. Zuletzt, im Frühherbst 2007, bewerteten 39,3 Prozent aller Unternehmen die gegenwärtige Lage aus gut, 9,8 Prozent als schlecht und 50,8 Prozent als befriedigend.Wie im September 2007 und vor einem Jahr erwarten wieder ziemlich genau 60 Prozent aller Unternehmen eine Fortsetzung der gegenwärtig recht guten Geschäftslage. Von einer Verbesserung in den kommenden Monaten gehen dieses Mal 22,3 Prozent der Unternehmen aus, vor einem Jahr lag dieser Wert bei 24,9 und im Frühherbst bei 26,4 Prozent. Eine ungünstigere wirtschaftliche Lage befürchten in den kommenden Monaten 18,5 Prozent der Unternehmen. Auch dieser Wert liegt mit etwa drei Prozentpunkten etwas unterhalb der Umfragen vor vier und zwölf Monaten. Es gibt eine leichte Verschiebung von den Optimisten zu den Skeptikern. Sie lässt den IHK-Konjunkturklimaindikator um 8,8 Punkte auf 112,6 Punkte absinken. Der Rückgang ist deutlich, aber dennoch bewegt sich der Indikator weiterhin auf einem recht hohen Niveau und deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.Werden die einzelnen Branchen betrachtet, so zeigt sich, dass die Industrie und teilweise auch das Dienstleistungsgewerbe, hier vor allem die Banken und Sparkassen, zu einer leicht verschlechterten Bewertung der Konjunkturdynamik kommen. Doch diese berechtigte Neueinschätzung ist nicht besorgniserregend; dazu bleiben die abgegebenen Urteile in ihrer Summe einfach zu positiv.Anders sieht es im Einzelhandel, bei den Gastronomen und in weiten Teilen der Bauwirtschaft aus. Die schon zuvor wenig erfreulichen Einschätzungen von Wirtschaftslage und Erwartungen wurden nochmals nach unten korrigiert. Die Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis geht ganz offensichtlich davon aus, dass es in diesem Jahr nicht mehr zu einer deutlichen Belebung des privaten Konsums kommt.Eine positive Bewertung dieser drei Wirtschaftszweige wäre auch ein Wunder: Im Handel schrecken die schlechten Umsatzzahlen des Vorjahres ab, nur im Groß- und Versandhandel lief es einigermaßen. Die Bauwirtschaft hingegen erholt sich nur etwas von ihrer schweren Krise, die seit gut 15 Jahren anhält. Und das Gastgewerbe steht seit dem Nichtrauchergesetz erst einmal unter Druck, die Unsicherheit ist einfach zu groß.
Arbeitsmarkt bleibt in Bewegung
Traditionell hinkt der Arbeitsmarkt der wirtschaftlichen Entwicklung um mehrere Monate hinterher. Die Wirtschaft im Landkreis geht mit einem ordentlichen Auftragsplus ins neue Jahr und braucht zusätzliche Arbeitskräfte. Kein Wunder, dass es zu vermehrten Einstellungen kommen dürfte, selbst wenn eine Konjunkturabschwächung einsetzen sollte. Zwar ist von einer rasch sich verschlechternden Konjunktur gegenwärtig nicht auszugehen, dennoch dürfte die zweite Jahreshälfte zu einer Bewährungsprobe für die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre werden. Wenn dann die Arbeitslosenzahlen nicht sprunghaft ansteigen, obwohl das Wirtschaftswachstum wahrscheinlich etwas lahmt, dann haben die Reformrezepte erfolgreich angeschlagen.Es scheint gegenwärtig zu gelingen, vor allem mehr ältere Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Offensichtlich besitzt das Lebensalter in der gegenwärtig guten Konjunkturlage nicht mehr die hohe Bedeutung, wie noch vor wenigen Jahren.Der erfreuliche Stellenaufbau des vergangenen Jahres wird vorerst weiter gehen. Für die 11.719 Arbeitslosen, welche von der Arbeitsmarktstatistik im Main-Kinzig-Kreis am Jahresende 2007 gezählt wurden, bestehen weiterhin recht gute Vermittlungschancen. Denn laut IHK-Umfrage planen viele Unternehmen eine Aufstockung ihres Personals, vor allem Industrie- und industrienah arbeitende Dienstleistungsbetriebe. Nahezu unverändert optimistisch zeigen sich die an der Befragung teilnehmenden Unternehmen auch hinsichtlich des zukünftigen Exportgeschäfts. Sogar bei den Investitionen sind vorerst keine größeren Einschnitte geplant – der Aufschwung kann somit grundsätzlich weiter gehen.Fazit: Ein Konjunktureinbruch sieht anders aus. Der Aufschwung lässt es in seinem dritten Jahr bloß etwas langsamer angehen. Dunklere Wolken am Horizont sind nach vielen Sonnentagen ab und an gerne gesehen, solange sie kein Unwetter mit sich bringen. Und nach letzterem sieht es nun wirklich nicht aus, trotz Auf und Ab an den Börsen, Banken- und US-Immobilienkrise.