»Viel zu häufig werden in der Politik Visionen einer postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft gepflegt«, kritisiert Margarete Böge, Präsidentin der IHK Schleswig-Holstein. »Dabei gehört die Industrie in Norddeutschland zu den Stützen des Produktions- und Exportstandortes Deutschland.« Norddeutschland befinde sich auf Grund seiner geographischen Lage an der Schnittstelle der globalisierten Warenströme: »Nichts ist sinnvoller, als genau an diesem Ort die industrielle Produktion auszubauen. Hierin steckt eine der ganz großen Chancen des Wirtschaftsstandortes Norddeutschland.«
Schon heute leiste der Standort durch seine Stärken in der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Automobilindustrie, im Schiffbau und bei der Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln einen erheblichen Beitrag zu der derzeitigen konjunkturellen Aufwärtsbewegung. Von allen Ausgaben der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung übernehme die Industrie 91 Prozent. Norddeutschland trage als einer der wichtigsten Industriestandorte maßgeblich zum Aufschwung bei. In dieser Wirtschaftsregion seien rund 845.000 Beschäftigte im Produzierenden Gewerbe tätig. Der Umsatz betrage circa 283 Milliarden Euro: »Diese Stärke muss durch eine zukunftsorientierte Politik für die Industrie weiter vorangebracht werden«, so Präsidentin Böge.
Um die norddeutsche Industrie als wichtigen Konjunktur- und Arbeitsmarktmotor weiter zu stärken, fordert die IHK Nord bessere Rahmenbedingungen:
- Norddeutschland als »Tor zum Welthandel« braucht für seine Industrieunternehmen eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Dringend notwendig ist eine bessere Anbindung der Wirtschaftsregion als Logistik-Drehscheibe für ganz Deutschland.
- Um als attraktiver Standort bestehen zu können, ist für die Industrie im Norden eine angebotsorientierte und dauerhaft verlässliche Gewerbeflächenpolitik seitens der Kommunen unerlässlich.
- Entscheidend für die Ansiedlung von Industrieunternehmen ist zudem eine funktionierende Wissenschaftsinfrastruktur. Der Technologietransfer muss gemeinsam mit der Wirtschaft optimiert werden, um Kompetenzen zu bündeln können. Forschung und Lehre müssen mehr als bisher praxis- und anwendungsorientiert ausgerichtet sein.
- Die norddeutschen Produktionsstandorte benötigen kürzere Genehmigungs- und Planungszeiten bei Ersatz-, Erweiterungs- und Neuinvestitionen, damit Unternehmen ihre Investitionen langfristig planen können.
- Industrielle Großprojekte und Unternehmen sind einem Übermaß von Gesetzen, Vorschriften und Auflagen ausgesetzt. Der Weg der Entbürokratisierung und Verfahrensverschlankung ist deshalb neu zu beleben und konsequent fortzuführen.
- Damit Industrieunternehmen auch im internationalen Wettbewerb bestehen können, ist eine Vereinfachung des Steuersystems weiterhin vordringlich. Unter anderem sollte die Belastung aus Ertragssteuern auf einbehaltene Gewinne einschließlich eines Ersatzes der Gewerbesteuer auf 25 Prozent gesenkt werden.
- Energie muss als bedeutsamer Kostenfaktor langfristig planbar, zu wettbewerbsfähigen Preisen und verlässlich zur Verfügung stehen.
- Freiwilligkeit und Eigenverantwortung sind die unverzichtbaren Antriebskräfte für eine kontinuierliche Verbesserung des Umweltschutzes. Umweltpolitik sollte wirtschaftliches Wachstum daher nicht behindern, sondern fördern und begleiten.
- Die IHK Nord schätzt Clusterpolitik auch für Industrieunternehmen als durchaus sinnvolles Instrument der Wirtschaftsförderung ein. Allerdings muss die Auswahl solcher Schwerpunktbereiche einer stringenten und nachvollziehbaren Definition folgen.
Die IHK Nord wird ihr Positionspapier nun mit den politischen Entscheidern disku-tieren und ihre Forderungen insbesondere auch bei der nächsten Konferenz der Küsten-Wirtschaftsminister nach der Sommerpause 2007 einbringen.