Die Studie wurde von der Hamburger Unternehmensberatung BBE Retail Experts erarbeitet. Dazu wurden 360 Einzelhandelsgeschäfte in der City untersucht und zusätzlich alle Unternehmer befragt. Mit der neuen "Strukturanalyse Innenstadt Kiel" wurde eine Untersuchung aktualisiert, die 2005 kurz vor Eröffnung des CITTI-Parks von der IHK erstellt worden war.
"Kiels Mitte hat in allen Bereichen verloren, und an den Rändern bröckelt es bereits," fasste IHK-Hauptgeschäftsführer Jörn Biel die Entwicklung zusammen. 60 Prozent der Geschäfte hätten seit 2005 Umsatz verloren. Besonders betroffen davon seien die großen Verkaufsflächen mit mehr als 800 Quadratmetern. Von ihnen hätte jedes dritte Geschäft mehr als 10 Prozent Umsatz verloren, die Hälfte klage über Umsatzrückgänge bis zu zehn Prozent. Lediglich die kleineren Geschäfte hätten sich noch ganz gut gehalten. "Es gibt in Kiel eine Überdehnung der Verkaufsfläche," sagte der IHK-Chef. Die Folge davon sei eine Strukturveränderung in der Innenstadt. "Wir verlieren jeden Monat Geschäfte. Die werden zwar meistens durch neue Mieter ersetzt, aber die Branchenvielfalt nimmt dabei ab und die Qualität leider auch," so Biel.
Das schwindende Angebot macht auch Dierk Böckenholt Sorgen. Der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nord wies darauf hin, dass vor allem die Bereiche Nahrungs- und Genussmittel, Haushaltswaren, Sport- und Spielwaren und sonstige Artikel Verkaufsfläche verloren hätten. "Zugenommen haben dagegen die Bereiche Bekleidung sowie Schuhe und Lederwaren und leider auch die Leerstände um mehr als 20 Prozent," sagte Böckenholt. Besonders in der City-Mitte zwischen Berliner Platz und Europaplatz könne man von einer Angebotsvielfalt kaum mehr sprechen und auch die Altstadt sei auf dem Weg zur textilen Monokultur.
IHK und Einzelhandelsverband haben auch einen deutlich sichtbaren Qualitätsverfall der Geschäfte ausgemacht. Wie schon 2005 wurden die äußere und innere Gestaltung der Ladengeschäfte unter die Lupe genommen. Laut Jörn Biel hat vor allem der äußere Ladenzustand gelitten. "Die Zahl der Geschäfte, die sich in sehr gutem oder gutem Zustand befinden, ist jeweils gesunken. Dafür haben sich die Geschäfte mit leichten Mängeln fast vervierfacht." Auch bei der inneren Ladengestaltung mussten Abstriche gemacht werden: jeder dritte Laden, der 2005 noch mit "sehr gut" bewertet wurde, landete jetzt nur noch in der Kategorie "gut". "Wenn nur noch 44 Prozent aller Geschäfte bei der Ladeneinrichtung mit sehr gut bewertet werden, dann ist das ein dramatisches Warnsignal," sagte Biel. "Die Händler kümmern sich nicht mehr um ihre Geschäfte, sondern warten ab." Immerhin wollten rund 40 Prozent der Unternehmen in den nächsten zwei Jahren investieren. Das zeige, dass grundsätzliches Zutrauen in die Einzelhandelskonjunktur vorhanden sei. Allerdings hätten die Kieler Einzelhändler die Handbremse derzeit fest angezogen.
Hier sieht auch EHV-Chef Böckenholt Handlungsbedarf. "Wir brauchen für Kiel Entscheidungen, die die Zuversicht der Unternehmen stärken und Planungssicherheit bringen. Nach der Bewertung der BBE überwiegen die Risiken einer "Rathaus-Galerie" für die weitere Entwicklung Kiels. Die Diskussion darüber hemmt nach unserer Einschätzung auch Investitionen an anderer Stelle. Priorität für weitere Verkaufsflächenentwicklung müsste nach der BBE-Bewertung der nördlichen Innenstadt zugesprochen werden. Diese Ansicht teilen wir."