Das Thema der Pflege von Angehörigen rückt im Zuge der demographischen Veränderungen immer mehr ins Zentrum. Unabhängig, ob man sich für die familiäre oder professionelle Pflegehilfe entscheidet, die Belastungen für die Angehörigen sind hoch. Der Beratungsbedarf nimmt zu, denn klassische Großfamilien mit klaren Regeln gibt es immer weniger. Die meisten Betroffenen verdrängen die anstehenden Entscheidungen und stehen dann vor einem Berg von emotionalen und logistischen Entscheidungen.
Gespräch mit Hans Kreis, Krisencoach und Buchautor:
Herr Kreis, was bedeutet es wenn Kinder plötzlich zu Eltern werden?
Hans Kreis: Das ist eine emotionale Belastung, der sich jeder Mensch stellen muss. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Deutschland wird alt. In den nächsten 20 Jahren wird jeder 4. Deutsche über 70 Jahre alt sein, jeder dritte Deutsche über 80 Jahre wird ein Pflegefall sein. Das gilt auch für die eigenen Eltern. Eine Aufgabe, die zwangsläufig auf jeden von uns zukommt: für die Eltern sorgen. Belastende Entscheidungen stehen bevor: Pflege, Umzug in ein Heim, medizinische Versorgung etc. Wie geht man mit dem schleichenden Rollentausch um? Plötzlich sehen wir das Ende unserer Kindheit. Sehen die Zerbrechlichkeit unserer Liebsten, sehen den Tod. Auch die Eltern leiden: Angst vor Krankheiten, Einsamkeit, Machtverlust gehören zum Alltag.
Frage: Wie geht man damit um? Ein unlösbarer Konflikt?
Kreis: Die Sorge wird zum eigentlichen Räuber unserer Lebenslust, nicht die Situation. Doch Probleme kann man lösen. Das Geheimrezept ist und bleibt: Reden“.
Frage: Sie reden in Ihrem Buch „Lebenskrisen als Chance zum Neubeginn“ von Chancen, die aus dieser Situation erwachsen. Welche sollen das sein?
Kreis: In der Tat sehe ich große Chancen in der schwierigsten Zeit des Lebens.
Kreis: Einige Beispiele:
1. Es kommt die Zeit zu vergeben. Sie können nachholen, was zu kurz gekommen ist. Stellen Sie Ihren Eltern Fragen, die Sie schon immer interessiert haben.
2. Ich kann mich öffnen für mein eigenes Leben. Oft spielt bei Entscheidungen der Wunsch der Eltern immer noch eine Rolle. In dieser direkten Auseinandersetzung wird vielen klar, was Sie selbst wirklich wollen.
3. Ich kann meine eigene Geschichte erkennen. Im Gespräch mit den Eltern sehen wir unseren Lebensweg deutlicher.
4. Ich kann als Ausgleich für alles, was meine Eltern mir gegeben haben, etwas zurückgeben. Viele leben mit Schuldgefühlen, ausgelöst durch Worte wie: „Ohne mich gäb’s Dich nicht“. Ein fataler Vorwurf, der Kindern ein lebenslanges schlechtes Gewissen einimpft, und psychische Einbußen von Lebensqualität zur Folge hat, die selbst erfahrene Therapeuten für nahezu untherapierbar halten.
5. Eltern sind ganz normale Menschen. Dieser Gedanke erleichtert das Abschied nehmen.
6. Ich kann vorauslernen für meinen eigenen Umgang mit Krankheit und Abschied. Aber nicht vergessen: Jetzt leben ist wichtiger als planen.
Die wichtigsten Tipps:
1. So früh wie möglich über alles reden.
2. Das Alter genießen. Die Eltern zu altersgemäßen Aktivitäten ermutigen, sie aber auch
vor allzu strapaziösen Touren warnen.
3. Krankheit und den Umgang damit oft ansprechen.
4. Tod und Sterben in Gespräche mit einbeziehen.
5. Zeit nehmen. Gefühle offen ansprechen. Eltern bleiben Eltern, ich bleibe das Kind. Eine Einstellung,
die Respekt aufrecht erhält und in dieser Situation einen friedvolleren Umgang ermöglich
PRAXISFÄLLE und einfühlsame Anleitungen in „Lebenskrisen als Chancen zum Neubeginn“, Hans Kreis , Verlag KnaurMensSana, Taschenbuch (amazon und Buchhandel).
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