Oft geht Giuseppe Gulisano zwischen Gottesacker und Heiterberg im Kleinwalsertal auf die "Jagd" nach Fossilien. Im Sommer 2006 fiel ihm ein kleiner, etwa erbsengrosser, goldgelber Fleck auf rostig angewittertem Sandstein auf. Der wachsartige Glanz und reichlich Pflanzenhäcksel auf der Schichtfläche des Sandsteins halfen bei der Bestimmung als Bernstein. Kein einziger anderer Fund war bisher aus Vorarlberg bekannt! Und es sollte auch das einzige Stück bleiben: Trotz wiederholter Begehungungen gelangen ihm keine weiteren Funde.
An der inatura wurde die Geschichte rekonstuiert: Das Harz, das nun zu Bernstein versteinert ist, tropfte irgendwann vor 95 bis 105 Millionen Jahren vom Baum. Gemeinsam mit Sand und anderen Pflanzenresten wurde es ins Meer gespült. Von der Flussmündung transportierten dann Trübeströme die Ablagerungen in tiefere Mereresbereiche, wo sie schliesslich zur Ruhe kamen. Später wurden diese Gesteine in den Alpenbau einbezogen.
Die paläontologische Bedeutung des Bernsteins liegt vor allem in seinen Einschlüssen. In jungem Bernstein eingebettete Pflanzen und Tiere sind bestens erhalten, während ältere Harze - und damit auch der Erstfund aus dem Kleinwalsertal - zu hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt waren. Dennoch wurden im altersgleichen Schliersee-Bernstein aus Bayern Mikrofossilien gefunden: Reste von Amöben, Algen und Pilzen liefern wertvolle Hinweise über die Evolution dieser Organismengruppen. Dass auch im Vorarlberger Stück ähnliche Fossilien erhalten sein könnten, ist naheliegend. Dennoch wird dieser Einzelfund weder für paläontologische noch geochemische Untersuchungen geopfert. Erst wenn weiteres Material gefunden wird, können auch solche Studien in Angriff genommen werden.