"Gibt es den Fachkräftemangel wirklich?", fragte eine Besucherin. Für Ministerin Ursula von der Leyen liegt die Antwort auf der Hand. Für sie sind es nicht nur die MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Natur und Technik) die großen Bedarf haben, sondern auch in den Sparten Pflege, Gesundheit und Erziehung beginne bereits der Facharbeitermangel. "Die Vakanzzeit unbesetzter Stellen wird immer länger", erklärte die rührige Arbeitsministerin vor rund 300 Gästen. "Das kostet die Unternehmen bares Geld."
Die Gründe dafür sind allgemein bekannt. "Wir werden immer älter, das ist ein Riesengeschenk", freute sich die promovierte Ärztin über den medizinischen Fortschritt. Doch der Geburtenrückgang der letzten Jahre bringe Probleme auf dem Arbeitsmarkt mit sich. Also was tun? Die Rente kürzen oder die Beiträge erhöhen? "Das will keiner", nahm die Ministerin die Antwort gleich vorweg. Deshalb müsse das Rentenalter eben um zwei Jahre heraufgesetzt werden. Die Fingerkuppen von Daumen und Zeigefinger spreizt sie währenddessen einen knappen Zentimeter auseinander. Sie will damit selbst dem letzten Skeptiker klar machen: Im Vergleich zum gewonnenen Lebensalter handelt es sich hier nur um einen kleinen Bruchteil.
Doch das allein reiche nicht. Das Potenzial der Arbeitnehmerschaft in der Bundesrepublik müsse viel besser ausgeschöpft werden. Vor allem bei Älteren, Frauen und Migranten sei dies ausbaufähig.
Zwei Jahre länger arbeiten? "Für akademische Berufe kein Problem, da brauchen wir gar nicht drüber reden", sagt die siebenfache Mutter. Problematischer sehe es bei schweren körperlichen Arbeiten aus. "Hier müssen kräfteschonende Verfahren entwickelt werden, damit Ältere möglichst lange gehalten werden können." Diese dürften dann aber nicht als "alte Eisen" abgestempelt werden, sondern müssten als "Silberschatz des Alters" Anerkennung finden.
Gleichzeitig müssten mehr Frauen ins Berufsleben gelockt werden. Dafür müsse jedoch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. "Nur wenn beide Partner die Möglichkeit haben, den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen, werden sie Kinder bekommen", erklärte Ursula von der Leyen. Dafür brauche es mehr Krippen, mehr Kindergärten, mehr Ganztagsschulen. Verbunden mit dieser Forderung gab sie sich auch selbstkritisch: "Der Staat hat seine Hausaufgaben hier nicht gemacht, aber jetzt sind wir auf einem guten Weg." In diesem Zusammenhang sprach sie sich erneut für eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen aus.
Der dritte wichtige Aspekt stelle die Gruppe der Migranten dar. "Ohne qualifizierte Zuwanderung geht es nicht", erklärte die Ministerin mit Hinblick auf den Fachkräftemangel. Zwar gebe es in Deutschland derzeit noch über drei Millionen Arbeitslose, gleichzeitig jedoch über eine Million offene Stellen. "Das Angebot und die Nachfrage sind nicht deckungsgleich", schilderte sie die aktuelle Situation.
Deshalb sollten deutsche Unternehmen Ausländern eine Chance geben. Dafür müsse die Gesellschaft allerdings noch an der Willkommenskultur arbeiten. "Wir haben derzeit nicht den Ruf besonders gastfreundlich zu sein", stellte Bundesarbeitsministerin von der Leyen fest.