Das Forderungspapier wurde den Bundesministern der Ressorts Arbeit und Soziales, des Innern, Wirtschaft und Technologie, Bildung und Forschung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zugestellt. Außerdem wandten sich die Vertreter der Wirtschaft Ostdeutschlands an den für den Aufbau Ost verantwortlichen Bundesminister, Wolfgang Tiefensee, und an die Wirtschaftsminister der fünf neuen Bundesländer.
Zur künftigen Sicherung des Berufsnachwuchses, so heißt es in der „Leipziger Erklärung“, ist es zum Beispiel erforderlich, dass „der Praxisbezug im Schulunterricht durch entsprechende Anpassung der Lehrpläne und Einführung von Unterrichtstagen in Wirtschaftsunternehmen deutlich verbessert wird“. Partnerschaften zwischen Unternehmen und Schulen seien flächendeckend auszubauen. Die Berufsvorbereitung für Jugendliche mit Leistungsdefiziten müsse z. B. durch Einstiegsqualifizierungen erweitert werden. Es sei außerdem erforderlich, „den nationalen Ausbildungsmarkt für Jugendliche aus osteuropäischen Beitrittsländern und aus Drittstaaten zu öffnen“.
Die Unterzeichner der „Leipziger Erklärung“ gehen davon aus, dass der Fachkräftebedarf der Wirtschaft in Zukunft nicht gänzlich aus eigener Kraft abzusichern ist. Der Hauptgrund hierfür liegt in der demografischen Entwicklung. Hinzu kommt, dass eine wachsende Zahl von Jugendlichen den Anforderungen an eine Berufsausbildung bzw. an ein Studium nicht gerecht wird und sich das rekrutierbare Fachkräftepotenzial aus dem Bestand der Arbeitslosen drastisch verringert hat. Vor diesem Hintergrund fordern die Unterzeichner die schnellstmögliche Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit in Deutschland. Dies soll u. a. durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
- vollständige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Bürger der im Jahr 2004 beigetretenen EU-Mitgliedsstaaten ab dem 01.05.2009; keine weitere Verlängerung der Beschränkungen der „2+3+2“-Regel bis 2011,
- sofortige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für sämtliche ausländische Hochschulabsolventen nach einem abgeschlossenen Studium in Deutschland.
Aufgrund der zunehmend drohenden Isolation Deutschlands und des daraus resultierenden dringenden Handlungsbedarfs schlagen die Kammern für die gezielte und möglichst kurzfristige Öffnung des Arbeitsmarktes folgende Sofortmaßnahmen vor, die spätestens zum Januar 2008 wirksam werden sollten:
- Im Verarbeitenden Gewerbe soll auf Arbeitsmarktprüfungen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten verzichtet werden, die mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können.
- Der Arbeitnehmeraustausch zwischen verbundenen, d. h. nachweislich grenzüberschreitend aktiven Unternehmen sollte von allen Arbeitsmarktprüfungen freigestellt werden.
Eine Kopplung der vorzeitigen Arbeitsmarktöffnung für osteuropäische Arbeitnehmer an die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne lehnen die ostdeutschen IHKs mehrheitlich ab. Aufgrund tariflicher Regelungen in Verbindung mit dem Entsendegesetz lassen sich nicht einmal mehr in sensiblen Bereichen die Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.
Die Kammern unterstreichen noch einmal nachdrücklich ihr Angebot, durch Voten und Gutachten in Zweifelsfällen die Entscheidungsfindung der zuständigen Behörden zu unterstützen. Sollte weiter an Arbeitsmarktprüfungen festgehalten werden, müssen diese wirtschaftsfreundlich und unbürokratisch erfolgen. Werkvertragsverfahren für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind entsprechend zu vereinfachen und zu beschleunigen.