Während in Baden-Württemberg 90 Prozent der mineralischen Abfälle recycelt und einer Wiederverwertung zugeführt werden, stecken andere EU-Mitgliedsstaaten beim Bauschutt-Recycling noch in den Kinderschuhen. So beispielsweise Rumänien. Doch das osteuropäische Land hat die Zeichen der Zeit erkannt: Im Oktober 2011 haben das Umweltministerium und die Umweltagentur Natura-Management mit Unterstützung des europäische Programms Life Plus ein Projekt auf den Weg gebracht, mit dem die Aufbereitung und Wiederverwertung von Bauschutt in Rumänien salonfähig werden soll.
Seit drei Jahren arbeitet ein Konsortium aus dem Rat des Landkreises Buzău im Südosten von Rumänien, dem Ministerium für Umwelt und Klimawandel; Abteilung Abfallwirtschaft und gefährliche Stoffe, der Agentur für Umweltschutz des Kreises Buzău und der Natur-Management GmbH an einem Management System zum Baustoff-Recycling. Ziel ist die Erarbeitung wichtiger Grundlagen und Standards, das Errichten einer Recycling-Pilotanlage und mittel- bis langfristig eine nationale Umsetzung. Mihai-Lucian Toniuc berichtete, dass es vielfach noch an der Akzeptanz für Umweltschutz und damit auch für Recycling fehle. Jährlich fallen in Rumänien etwa insgesamt 190 Millionen Tonnen Abfälle an. Gerade einmal fünf Prozent dieser Menge werden recycelt. Eine genaue Statistik zum Aufkommen und Verbleib mineralischer Bau- und Abbruchabfälle fehlt noch, weil es laut Mihai Toniuc, lokal und regional an einem einheitlichen System fehlt, in dessen Rahmen die Erfassung und Wiederaufbereitung von Bauabfällen koordiniert, dokumentiert und verbindlich festgelegt wird. Dementsprechend groß ist der Nachholbedarf in puncto Verwertungsquote, Dokumentation und Qualitätsmanagement in dem osteuropäischen Land. Außerdem müssen dem Vertreter der Natura-Management GmbH zufolge Richtlinien und Gütekriterien erarbeitet werden, durch die die Wiederaufbereitung von mineralischen Abfällen geregelt wird.
Beim Besuch des Recycling-Parks der Heinrich Feess GmbH & Co. KG in Kirchheim/Teck zeigte sich die rumänische Delegation, welche vom ISTE und QRB sowie vom Umweltministerium Baden-Württemberg begrüßt und begleitet wurde, von der technischen Umsetzung des Wiederaufbereitungsprozesses beeindruckt. Auf dem Gelände wird in einer Halle auch Boden aufbereitet und wieder eingebaut. Große Massen an Aushub, steinfreiem Boden, Talschotter, Humus und kontaminiertem Material können dort gelagert, aufbereitet und wieder nutzbar gemacht werden. Das Einfräsen von Bindemittel verbessert beispielsweise die Verdichtbarkeit des Bodens, wie Andreas Frey erklärte. Der Betriebsleiter des Recycling-Parks berichtete, dass durch Sieben die Kontaminierung eines Materials erheblich verringert werden kann. Beeindruckt zeigten sich die rumänischen Besucher auch von der Herstellung des RC-Betons. Ein Produkt, das es in ihrer Heimat bislang nicht gibt. Sie konnten die Herstellung eines "Öko-Stone", also Beton-Recycling "live" erleben.
Dr. Michael Oberdörfer vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen betonte, dass in Rumänien noch sehr viel bei der Produktion und Vermarktung von Recycling-Baustoffen getan werden müsse. "Ich denke, dass dies mittels beispielhafter Vorzeigeprojekte gelingen kann", so Oberdörfer. Eine Ansicht, die Dr. Bernd Susset teilte. Der ISTE-Umweltreferent und QRB-Geschäftsführer machte deutlich, dass es wichtig ist, eine gleichbleibend hohe Qualität zu garantieren. Daher beginne gutes Recycling schon auf der Baustelle beim selektiven Rückbau von Gebäuden. Aus diesem Grund sind alle Mitarbeiter der Firma Feess so geschult, dass sie nur bestes und sortenreines Material ohne Müll, Holz, Folien und anderen Fremdstoffen in den Recycling-Prozess einspeisen. "Nur aus gutem Ausgangsmaterial kann auch ein hervorragendes Recycling-Produkt entstehen das am Markt Akzeptanz und monetäre Wertschätzung erfährt", sagte Andreas Frey. Dr. Susset wies die rumänische Delegation aber auch darauf hin, dass die umfängliche Aufbereitungstechnik bei der Firma Feess auch in Deutschland nicht Standard ist. Man kann Qualitäts-Recycling auch mit geringerem maschinellem und finanziellem Einsatz Schritt für Schritt aufbauen. Dieses schrittweise Vorgehen ist für das rumänische Projekt der einzig richtige Weg, weiß Peter Dihlmann vom Umweltministerium Baden-Württemberg aus seiner langjährigen EU-Twinning-Tätigkeit in Kroatien - er ist erst vor kurzem nach Stuttgart zurückgekehrt. "Man kann bei uns nicht von 0 auf 100 fahren", nahm Cosmin Teo-doru vom Umweltministerium in Bukarest beruhigt zur Kenntnis.
Mihai Toniuc berichtete, dass im Rahmen des Life Plus-Projekts wichtige Akteure, wie Unternehmen, Behörden- oder Ministeriumsvertreter an den runden Tisch geholt werden, um Gütekriterien zu erarbeiten, aber auch um das Marketing für Recycling-Baustoffe zu verbessern und damit die Akzeptanz zu fördern. "Derzeit geben wir das wiederaufbereitete Material verbilligt ab, um einen Markt zu schaffen", sagte Toniuc. "Aber das muss sich durch Festlegung von Qualitätskriterien, die stetige Verbesserung und den Ausbau des Recyclings langfristig ändern." Der Besuch auf im Recycling-Park Feess hat der Delegation zahlreiche Impulse geliefert, um ihre Pionierarbeit weiter voranzutreiben.
Die Steine- und Erden-Industrie in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg gibt es rund 500 Unternehmen, die mineralische Rohstoffe gewinnen, weiterverarbeiten oder gebrauchte mineralische Rohstoffe recyceln. Insgesamt geschieht dies in rund 800 Werken mit 20.000 Beschäftigten. Diese Branche erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 5 Milliarden Euro pro Jahr im Land.
Pro Einwohner und Jahr müssen rund 10 Tonnen Material der Erde entnommen werden, damit Häuser, Bürogebäude, Straßen, Bahnlinien und Radwege gebaut werden können. Insgesamt werden so jährlich 100 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen und benötigt. Ziemlich genau entspricht das einem Kilogramm mineralische Rohstoffe pro Einwohner und Stunde. Gebrauchte Baustoffe werden durch Baustoffrecycling im Kreislauf gehalten. So wird bereits heute ca. 90 Prozent des Bauschuttes und Straßenaufbruchs recycelt.
Der ISTE wurde bereits sechs Jahre vor dem Land Baden-Württemberg im März 1946 als "Fachverband Steine und Erden Württemberg und Baden e.V." gegründet. Seitdem hat er sich zu einem modernen, dienstleistungsorientierten Wirtschafts- und Arbeitgeberverband entwickelt.