Peter Röhm, der auf der JHV einstimmig zum ISTE-Präsidenten gewählt wurde und damit Hans-Martin Peter, der sich nicht mehr zur Wahl stellte, ablöste, betonte, dass es "ein Unding ist, dass das Verkehrsministerium das Land um 100 Millionen Euro gebracht hat". Diese Misere, die angeblich aufgrund 200 fehlender Personalstellen entstanden sei, gehe zu Lasten der Bürger und der Wirtschaft. "Das Ministerium versprach zwar hier nachzubessern, doch angesichts maroder Brücken und Straßen ist das nur ein schwacher Trost", so Röhm. "Schließlich muss am Ende der baden-württembergische Steuerzahler die teure Zeche bezahlen." Bayern hingegen dürfe sich nun umso mehr über jedes mit Bundesfinanzmitteln ausgebesserte Schlagloch freuen dürfen.
"Politik der haltlosen Versprechen muss ein Ende haben"
Kritik, die Claus Schmiedel zähneknirschend hinnahm, aber darauf verwies dass die Regierung reagiere. Bis 2017/2018 sollen ihm zufolge 200 Ingenieure eingestellt werden, 30 davon schon in diesem Jahr. Energisch wehrte er sich gegen den landläufigen Vorwurf, dass die grün-rote Landesregierung nur wenig bis gar nicht in den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur investiere. "Fakt ist, dass wir in unserer Regierungszeit mehr Straßen saniert und gebaut haben als die Vorgängerregierung", sagte Schmiedel."2011 und 2012 haben wir alle Bundesmittel, die wir über Plan bekommen konnten, in die Stärkung der Sanierungspotentiale von Straßen und Brücken investiert."
In den nächsten fünf Jahren sollen dem SPD-Politiker zufolge jährlich zusätzlich rund 200 Millionen Euro in einen Sanierungstopf für die Infrastruktur eingezahlt werden. 140 Millionen seien dabei für den Hochbau, 60 Millionen für den Straßenbau vorgesehen, davon allein ca. 40 Millionen für Brücken. "Der Investitionsstau ist enorm", so Claus Schmiedel. "Der Bundesrechnungs-hof hat errechnet, dass der Nachholbedarf bei rund 20 Milliarden Euro liegt." Dieser lasse sich nicht von heute auf morgen aus der Welt räumen. Gleichwohl sei die Regierung dabei in den Schienenverkehr zu investieren.
Worauf Peter Rombold, der bei der JHV einstimmig zum Vizepräsidenten gewählt wurde, betonte, dass der Ausbau des Schienennetzes zwar sinnvoll und zu befürworten sei, dass die Rohstoffbetriebe davon allerdings in keinster Weise profitieren. "Wir sind auf eine dezentrale und verbrauchsnahe Versorgung der Baustellen im Land angewiesen", entgegnete er. "Nur so lassen sich Klimaschutzziele erreichen und die durch Staus verursachten volkswirtschaftlichen Kosten vermeiden."
ISTE-Hauptgeschäftsführer Thomas Beißwenger führte ins Feld, dass die grün-rote Landesregierung ihren Wunschzettel in punkto Neu- und Ausbauvorhaben von 230 angemeldeten Projekten bei der Bundesverkehrswegeplanung auf 158 reduziert habe, die zwischen 2015 und 2030 realisiert werden sollen. "Wenn man allein an die Ortsumfahrungen denkt, die für mehr Lärmentlastung, Verkehrssicherheit, Umweltverträglichkeit und einen besseren Verkehrsfluss sorgen und die der Streichung zum Opfer gefallen sind, dann stellt sich", für Beißwenger, "die Frage, wann mit der Politik der haltlosen Versprechen endlich Schluss ist?". Immerhin wären seine Verbandsmitglieder auf derartige Verkehrslösungen angewiesen und das nicht zuletzt, weil sich viele Gemeinden in der Nähe von Abbaustätten die genannten Entlastungen wünschen würden. Er kenne Beispiele, in denen Abbaubetriebe sich an den Kosten für die erforderliche Umfahrungen beteiligt haben. Doch Wirtschaftsförderung sehe anders aus, vor allem dann, wenn die öffentliche Hand und damit das Land der größte Bauherr und damit der größte Verbraucher von Steine- und Erdenprodukten sei. Als Lösung muss endlich mehr Geld in das System. Deshalb spricht sich der ISTE für eine zweckgebundene Pkw-Maut für alle aus.
Deutschland hat weltweit die dritthöchsten Strompreise
Ähnlich sah es Günther Oettinger. Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg und amtierende EU-Kommissar für Energie betonte entschieden, dass Investitionen in den Erhalt, den Ausbau und die Qualität des Straßennetzes, des Schienenverkehrs, des Energienetzes, den Bereich Wasser und Abwasser sowie maroder öffentlicher Gebäude dringend erforderlich sind. "Dass wir in Deutschland derzeit das Thema Mütterrente, Frühverrentung, Betreuungsgeld oder die 32-Stunde-Woche für Väter diskutieren, entspricht in keinster Weise meiner Erwartung und dem, was in Deutschland gerade notwendig ist", erklärte der CDU-Politiker.
Für Oettinger stand deshalb fest, dass politisch derzeit ein völlig falsches Signal ausgesendet wird. Die Wirtschaft floriere und die Jugend erhalte Perspektiven - daher müsse nachhaltig dar-über diskutiert werden, wie Deutschland mit seiner Ökonomie in Anbetracht der Alterspyramide global weiter obenauf bleiben könne und nicht dem Wettbewerb mit Asien und Amerika verliere. Ein wichtiger Faktor hierbei ist laut Günther Oettinger die Energiedebatte. "Vor 20 Jahren waren Arbeitskosten ein Thema, doch jetzt werden Energiekosten ein Problem", sagte er. "Allein für Gas wird hierzulande dreimal so viel bezahlt, wie in den USA, und das hält die energieintensive Industrie nicht durch. Wir haben hinter Zypern und Japan den höchsten Strompreis der Welt und er steigt weiter an."
Christian Knell, der bei der JHV ebenfalls einstimmig zum Vizepräsidenten gewählt wurde, machte in der Debatte deutlich, dass insbesondere die Zementindustrie von den Strompreisen hart getroffen werden, insbesondere dann, wenn die Ökostromrabatte infolge der EEG-Umlage fallen sollten. Eine derartige Produktionseinschränkung würde zu einer Stilllegung von 57 Prozent der Zementproduktion führen und für etwa 20 000 Arbeitsplätze das Aus bedeuten, wie Knell unter Berufung auf eine Studie der Energy Environment Forecast Analysis GmbH & Co. KG (EEFA) aus dem Jahr 2013 erklärte. Große Betriebe hingegen würden dann ins Ausland abwandern. Eine Ansicht, die Günther Oettinger teilte. Der EU-Kommissar pflichtete ihm bei, dass in diesem Fall zahllose Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen würden.
Erst Speichermöglichkeiten entwickeln, dann Anreize schaffen
"Unser Strompreis ist so verdorben, dass man den Marktpreis nicht akzeptieren kann", wie Oettinger unmissverständlich klar machte. "52 Prozent des Strompreises sind Steuern die der Staat einstreicht, 19 Prozent Umsatzsteuer entfallen dabei auf die EEG-Umlage." Allerdings leiste man sich auf der Schwäbischen Alb Scheunen in denen nie eine Kuh oder ein Traktor stand, auf deren Dach aber Photovoltaik-Anlagen angebracht sind, wofür Geld bezahlt werde.
Oettingers Fazit: Wer Solarenergie fördere müsse Netze und Speichermöglichkeiten schaffen, erst dann machen Günther Oettinger zufolge finanzielle Anreize und Förderungen einen Sinn, denn momentan werde überschüssiger Strom ins Ausland verschenkt. "Du kannst Gas in der Pipeline, Öl im Tank, Kohle im Keller, Biomasse auf dem Hof, Uranium im Panzerschrank und Trollinger im Fass speichern, aber Strom ist - aller Parteiprogramme zum Trotz - nicht speicher-bar. Punkt!", wie Oettinger polemisierte. "Erst wenn wir es schaffen Strom zu speichern, dann können wir den Industriestandort Deutschland und wertvolle Arbeitsplätze sichern."