FondsSuperMarkt: Seit unserem letzten Interview Ende November ist viel an und um die Finanzmärkte passiert. Was zeigen die fünf Tachometer Ihres Mr. Market Cockpits aktuell an?
Frank Fischer: Das Bild unseres Mr. Market Cockpits ist tatsächlich gemischt. Ganz grundsätzlich raten die Indikatoren weiterhin zu einer gewissen Vorsicht, was die Positionierung in Aktien angeht. Wir haben in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Faktoren gehabt, die sich als Belastung für die Märkte erweisen. Da ist vor allem die Änderung der Zinspolitik der Notenbanken, zunächst der Fed, aber zuletzt auch der EZB. Dann das Wiederaufflammen der Coronapandemie in China mit den harten Lockdowns, die sich als erneute Belastung der globalen Lieferketten und damit vor allem der deutschen Wirtschaft erwiesen haben. Last but not least der Ukraine-Krieg, der vor allem für die Westeuropäer eine Zäsur darstellt. Die schrecklichen Bilder und die menschlichen Tragödien gehen einher mit dem hektischen Versuch, Europa und vor allem Deutschland unabhängig von russischem Gas und Öl zu machen. Die Sanktionen und die russischen Blockaden führen zu sprunghaft steigenden Rohstoffpreisen, bei Energ ie ebenso wie bei Lebensmitteln, und befeuern so die Inflation zusätzlich.
All das bringt ein hohes Maß an Unsicherheit an die Kapitalmärkte, wobei vor allem das Ende der hohen Liquiditätsspritzen längerfristige Auswirkungen haben dürfte. So ist es wenig überraschend, dass sich das Mr. Market Cockpit fast täglich verändert, das heißt: Es herrscht große Verunsicherung bei den Investoren. Ein klares Beispiel dafür ist das Kapitulationssystem. Das hat in wenigen Tagen auf die aktuellen Turbulenzen reagiert – doch einige ruhigere Tage sorgen dann schon wieder für eine Beruhigung. Für uns heißt das: Wir bleiben mit dem Fuß neben der Bremse, so dass wir weiter aktiv auf Marktveränderungen reagieren können.
Nun muss man aus unserer Sicht ein paar Dinge dazu sagen. Das Mr. Market Cockpit beschreibt anhand verschiedener Indikatoren die aktuelle Marktstimmung. Es ist aber auf keinen Fall eine Handlungsanweisung für unsere Allokationsentscheidungen, sondern eines von mehreren Elementen, die in unsere Entscheidungen miteinfließen. Gerade für langfristig orientierte Investoren wie uns kann es manchmal sinnvoll sein, entgegen dem Stimmungsbild zu handeln, um sich bietende Gelegenheiten auszunutzen und „wunderbare“ Unternehmen zu attraktiven Kursen zu kaufen.
FondsSuperMarkt: Sie selbst haben zuletzt öffentlich die Rezession ausgerufen und darüber spekuliert, ob die Inflationszahlen nicht bereits ihren Höhepunkt überschritten haben könnten. Wie sehen Sie aktuell diesen Themenkomplex? Wie kann aus Ihrer Sicht das Gespenst einer Stagflation vertrieben werden?
Frank Fischer: Für die Eurozone wird 2022 eine Inflationsrate von rund 6,6 Prozent erwartet, die Erwartungen für das BIP-Wachstum liegen bei 2,7 Prozent. Das könnte ein Indiz für eine Stagflation sein. Vor allem die EZB ist hier in einem Dilemma, denn sie hat zu spät mit der Erhöhung der Zinsen begonnen. Nun hat sie im Juni ein Ende des Anleihenkaufprogramms angekündigt und zwei Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Ob das reicht, um die Inflation in den Griff zu kriegen, bleibt abzuwarten. Hinzu kommt, dass Zinserhöhungen die Rezession noch verstärken können. Das Bild ist also alles andere als rosig. In Deutschland sehen wir darüber hinaus noch Sondereffekte, denn hier steht seit dem Ukraine-Krieg vieles auf dem Prüfstand. Hinter vielen Säulen der deutschen Wirtschaft, wie der Automobilindustrie, stehen nun Fragezeichen. Der Krieg hat auch die Frage aufgeworfen, ob wir nicht zu abhängig von China sind – kein gutes Thema für einen Exportweltmeister.
FondsSuperMarkt: Relative Einigkeit herrscht unter den Marktteilnehmern darüber, dass die Inflation auch in nächster Zukunft hoch bleiben wird. An den Börsen ist es vor diesem Hintergrund im Herbst zu einem Favoritenwechsel von ‚Growth‘ zu ‚Value‘ gekommen, der sich im aktuellen Jahresverlauf bisher noch deutlich beschleunigt hat. Glauben Sie, dass dieser Trend wieder nachlässt, sobald mehr Klarheit in den geo- und finanzpolitischen Fragen herrscht, oder wird er so lange anhalten wie die hohe Inflation?
Frank Fischer: Ich davon aus, dass uns die geo- und finanzpolitischen Themen noch sehr lange begleiten werden. Der Krieg in der Ukraine wird nicht so schnell zu Ende gehen, und vor allem wird es danach kein Zurück zum alten Status geben. In der Ferne lauert der Konflikt zwischen China und den USA. Wenn sich das verschärft, wird das für die Weltwirtschaft deutlich schwerwiegendere Konsequenzen haben. Und in Europa ist ein Wiederaufflammen der Schuldenkrise denkbar, wenn die Zinsen jetzt steigen. Unsicherheit dürfte uns also lange begleiten, selbst wenn die Inflation wieder etwas zurückgeht, die Prognosen gehen ja derzeit in diese Richtung. Aber selbst, wenn die derzeit hohen Inflationsraten zurückgehen, dürften wir in Zukunft eine Sockelinflation haben, die deutlich über den Zahlen der Vergangenheit liegt und auch deutlich über dem Zielwert der EZB von zwei Prozent.
Ob uns die alte Kategorisierung zwischen „Growth“ und „Value“ vor diesem Hintergrund weiterbringen wird, ist fraglich. Ohnehin gibt es zwischen beiden Kategorien immer wieder Überschneidungen. Wir gucken deshalb lieber auf die jeweiligen Geschäftsmodelle: Wie sind Unternehmen für unsichere Zeiten gerüstet? Haben sie solide Finanzen, verfügen sie über strukturelle Wettbewerbsvorteile, die ihr Geschäft wie einen Burgraben schützen? Können Sie Preissteigerungen weitergeben? Ich glaube, die Qualität eines Unternehmens wird in Zukunft wieder wichtiger als die reine Bewertung. Oder um es mit Buffett zu sagen: Es ist weitaus besser, ein wunderbares Unternehmen zu einem fairen Preis zu kaufen, als ein mittelmäßiges Unternehmen zu einem wunderbaren Preis.
FondsSuperMarkt: Welche Konsequenzen haben Sie für Ihre Titelauswahl im Frankfurter Aktienfonds gezogen? Gab es größere Umschichtungen im Portfolio, die bestimmte Branchen, Regionen, Unternehmensgrößen oder Bewertungsrelationen betrafen?
Frank Fischer: Wir sind Stockpicker, von daher kommen unsere Portfolioveränderungen aus den Entscheidungen zu einzelnen Unternehmen. Für uns spielen Faktoren, wie der Favoritenwechsel zu Value-Titeln oder die Inflation, nur dann eine Rolle, wenn sie sich auf das Geschäftsmodel eines unserer Unternehmen auswirken oder die Bewertung beeinflussen. Entscheidungen auf Branchen- oder Ländereben sind nicht unsere Sache.
Wir haben die Volatilität der vergangenen Monate genutzt, um die Positionen bei einigen unserer „wunderbaren“ Unternehmen weiter auszubauen, etwa bei Adobe, Amazon, Microsoft oder Netflix.
Das Beispiel Netflix zeigt gut, wie wir hier denken. Die Aktie ist eingebrochen, nachdem Netflix einen Rückgang der Abozahlen vermeldet hat. Und auf kurze bis mittlere Sicht bleibt das Umfeld für Netflix sicher herausfordernd. Aber wir sind fest davon überzeugt, dass Streaming im Gegensatz zum linearen Fernsehen weiter wachsen wird und dass Netflix aufgrund seiner globalen Ausrichtung hier gut positioniert ist. Das Wachstum in Ländern wie Indien dürfte in den kommenden Jahren signifikant zu den Umsätzen beitragen. Gleichzeitig ist Netflix dabei, neue Erlösmodelle wie werbefinanzierte Abos zu entwickeln. An der Börse wird das nicht ausreichend berücksichtigt, und so tendiert die Aktie heute auf dem Niveau von 2018. Zu Unrecht, wie wir meinen, also haben wir nachgekauft.
FondsSuperMarkt: Werfen wir einen kurzen Blick auf die Bondmärkte: Mit dem Zinsanstieg sind auch die Spreads zwischen den Bonitäten gestiegen, u.a. zwischen Bundesanleihen und Anleihen der südlichen Euroländer. Sehen Sie vor diesem Hintergrund Folgen für die Gemeinschaftswährung und für die Politik der Europäischen Zentralbank?
Frank Fischer: Die EZB hat auf ihrer Sitzung im Juni klargemacht, dass sie einem Auseinanderlaufen der Renditen für Staatsanleihen im Euroraum nicht lange tatenlos zusehen wird. Allerdings hat sie offengelassen, mit welchen Maßnahmen sie gegensteuern wird, eventuell werden auslaufende Anleihen bestimmter Länder auch in Zukunft ersetzt. Für den Euro ist zunächst wichtig, dass die EZB gezeigt hat, dass sie bereit ist, den Kampf gegen die Inflation aufzunehmen. Das stabilisiert seinen Außenwert. Aber das ist ja leider nicht das Ende der Geschichte: Wenn wir ein Wiederaufflammen der Schuldenkrise kriegen, dürfte das zu sozialen Unruhen, vor allem in einigen Peripherieländern, führen. Die Populisten in Italien, aber auch in Frankreich stehen schon bereit. Das könnte Diskussionen um einen Italexit oder Frexit wieder neue Nahrung geben und den Euro langfristig unter Druck setzen.
FondsSuperMarkt: Haben Sie aktuell auch chinesische Aktien im Portfolio? Welche Entwicklung erwarten Sie vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der zögerlichen Haltung Chinas für das Reich der Mitte und für chinesische Aktien?
Frank Fischer: Wir halten mit Alibaba und Tencent zwei Titel aus China im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen. Beide Titel haben ordentlich unter der verschärften Gangart der chinesischen Behörden im letzten Jahr gelitten. Im Frühjahr hat sich der Wind jedoch gedreht. Vor dem Hintergrund des nachlassenden Wirtschaftswachstums in Folge der Corona-Lockdowns hat die Regierung angekündigt, auch die Internetunternehmen wieder stärker zu unterstützen. Für unsere beiden Titel ist das ein gutes Signal, zumal der eigentliche Investment Case weiterhin intakt ist. Beide Titel profitieren von anhaltenden Megatrends in China, wie dem Onlinehandel oder Gaming. Allerdings bewerten wir China insgesamt zunehmend kritisch. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine macht uns ein möglicher drohender Konflikt um Taiwan Sorgen. Wir werden uns deshalb mittelfristig aus China verabschieden, um „stranded assets“ zu vermeiden.
FondsSuperMarkt: Der Goldpreis ist seit Anfang März – in Dollar gerechnet – deutlich zurückgekommen. Hintergrund sind offenbar der Zinsanstieg bei US-amerikanischen Staatsanleihen und die jüngste Stärke des Dollars. Wie beurteilen Sie die Zukunft des gelben Metalls? Wie hoch ist der Goldanteil im Fondsportfolio des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen?
Frank Fischer: Da wir uns vor allem als Aktienhaus verstehen, ist Gold für uns keine strategische Position, sondern dient vor allem zur Absicherung des Portfolios. Aktuell halten wir kein Gold im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, wir haben die hohen Preise im Frühjahr genutzt, um Gewinne mitzunehmen. Gut möglich, dass wir in den kommenden Monaten wieder eine Goldposition aufbauen, wenn das Marktumfeld rauer wird. Ich rechne im Verlauf des Sommers noch mit einem Rücksetzer an den Aktienmärkten, Gold wäre dann eine mögliche Alternative.
Fondsdetails: Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen T
ISIN DE000A0M8HD2
WKN A0M8HD
Fondskategorie Aktienfonds
Ausgabeaufschlag 5,00 % (FondsSuperMarkt-Rabatt 100%)
Ertragsverwendung ausschüttend
Laufende Kosten 1,29 %
Performancegebühr 15 % über 8 % p.a. (über 5 Jahre rollierende High Watermark)
Auflegung 15.01.2008
Fondsvolumen 1,18 Mrd. EUR (per 31.05.2022)
Performance seit Auflage 196,42 % / 7,85 % durchschnittlich p.a. (31.05.2022)
Risiko- und Ertragsprofil (SRRI) 5 von 7
Über die Shareholder Value Management AG
Die Shareholder Value Management AG ist ein eigentümergeführter Investment Spezialist aus Frankfurt am Main. Sie berät als Advisor unter dem Haftungsdach der NFS Netfonds Financial Service GmbH mehrere Fonds und unterstützt Mandate mit einem Gesamt-Volumen von gut 1,5 Mrd. Euro. Dazu gehören der Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, der PRIMA – Globale Werte, der Frankfurter Stiftungsfonds und der Frankfurter – Value Focus Fund. Ferner unterstützt die Gesellschaft die gemeinnützige Share Value Stiftung und die Shareholder Value Beteiligungen AG.
Die Investment-Philosophie der Shareholder Value Management AG folgt konsequent dem Gedanken des Value-Investing im Sinne von Benjamin Graham und Warren Buffett. Das heißt: Die antizyklische Kapitalanlage in unterbewertete Unternehmen mit dem Ziel des Vermögenserhalts und -zuwachs unter Vermeidung des permanenten Kapitalverlustes.
Dabei gelten im Kern die vier bewährten Prinzipien des Value-Investings: Die Sicherheitsmarge („Margin of Safety“), die Investition in eigentümergeführte Unternehmen, („Business Owner“), der wirtschaftliche Burggraben („Economic Moat“) und schließlich, die Psychologie der Börse („Mr. Market“).
Ein Schwerpunkt der Shareholder Value Management AG liegt dabei auf dem Modern Value-Ansatz, bei dem die Bewertung ins Verhältnis zur erwarteten Gesamtrendite der Aktie gesetzt wird. Dieser Ansatz erlaubt auch die Investition in höher bewerte Unternehmen, wenn die langfristige Perspektive stimmt.