Mit einem einheitlichen Curriculum sollen berufsgruppenübergreifend alle die angesprochen werden, die in der Praxis mit der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden betraut sind. Hieraus resultierte die Orientierung an einer evidenzbasierten Wissensgenerierung, die einen Austausch auf Augenhöhe aller am Versorgungsprozess beteiligten Personen ermöglicht.
Seit 2006 ist die gemeinsame Zertifizierungsstelle von ICW und PersCert TÜV Rheinland für die Personalzertifizierung der Seminarteilnehmer zuständig. Dabei stellt die ICW die erforderliche Expertise auf fachlicher und pädagogischer Ebene, während der TÜV Rheinland für formale und normative Verfahren verantwortlich ist.
Das Konzept wird bis dato von mehr als 150 Anbietern erfolgreich umgesetzt. Der Erfolg des Bildungskonzeptes zeigt sich in der Tatsache, dass bereits mehr als 33.000 Absolventen eine Personalzertifizierung abgeschlossen haben.
Aufgrund der Übertragbarkeit der Inhalte des Wundexperten und der eindeutigen fachpädagogischen Ausrichtung fand dieses Seminar auch Interesse im Ausland. In China wird der Wundexperte seit 2010 zusammen mit einem deutschen Kooperationspartner an inzwischen drei Standorten mit Erfolg angeboten und wurde vom Gesundheitsministerium in Süd-West China als offizielle Fortbildung akzeptiert. Mit dem St. George Hospital in Beirut und den Apollo Kliniken in Indien folgten in den Jahren darauf weitere Partner, mit denen die ICW zudem einen kollegialen Austausch pflegt. In weiterer Planung ist derzeit eine Konzeptübertragung in die Türkei.
Im Laufe der Jahre wurde immer wieder der Bedarf nach einem spezifischen Seminar für Ärzte offenkundig, deren therapeutischen und diagnostischen Schwerpunkte im berufsübergreifenden Wundexperten ICW® nicht explizit berücksichtigt sind. Um diesem Bedarf zu entsprechen wurde die Qualifizierung Ärztlicher Wundexperte ICW® seit 2014 angeboten. Zunehmende Teilnehmerzahlen zeigen, dass das Curriculum genau diesen Anforderungen gerecht wird.
Frau Katrin Fitzler (Fachärztin für Allgemeinmedizin), die den Wundexperte ICW® 2009 und den Ärztlichen Wundexperten ICW® 2014 absolviert hat, äußert sich zum Seminar wie folgt:
ICW:
Frau Fitzler, Sie sind Hausärztin im hessischen Langenselbold. Was hat Sie als Ärztin bewogen, Wundexperten-Seminare der ICW zu belegen? Wundmanagement ist doch oft Sache der Pflegefachkräfte.
Fitzler:
Für Wundpatienten sind die Hausarztpraxen oft die erste Anlaufstelle. Und tatsächlich haben erfahrene Pflegefachkräfte und Homcareunternehmen deutlich mehr Ahnung von der Wundversorgung als wir Ärzte. Für mich war das riesige Angebot der verschiedenen Wundauflagen wie ein undurchschaubarer Dschungel. Das hat mich gewurmt und mich veranlasst, den ersten Kurs zum Wundexperten bei der ICW zu belegen. Ich habe ihn 2009 mit einer MFA gemeinsam gemacht, damit wir den gleichen Sachstand haben. Und das hat auch gut geklappt. Im Jahr 2014 habe ich dann noch das Seminar für Ärzte draufgesetzt.
ICW:
Was haben Sie erlernt?
Fitzler:
Das erste Seminar zusammen mit vielen Pflegenden hat sehr viel gebracht. Wir Ärzte konnten lernen, was in unserem Studium eigentlich vernachlässigt wurde, und zwar direkt und viel näher am Wundpatienten zu arbeiten. Da ist bei mir eine neue Nähe zur Pflege gewachsen, wovon ich sehr profitiere. Im Übrigen war auch die Warenkunde für mich wesentlich. So wurde der total unübersichtliche Markt der Verbandsmaterialien für mich durchschaubarer. Seit dem zweiten Kurs, dem für Ärzte, arbeite ich viel mehr mit anderen Kollegen zusammen. Das Networking wurde im Seminar gut vermittelt.
ICW:
Inwiefern ist solche Netzwerkarbeit für Wundpatienten wichtig?
Fitzler:
Die Patenten brauchen vom Arzt mehr als einen gut sitzenden Verband. Er muss wissen: Welche Kollegen muss ich mit ins Boot holen etwa für eine gute Überleitung eines Patienten ins Krankenhaus und wieder hinaus? Denn es geht ja auch viel Geld verloren, wenn die Patienten zunächst im Krankenhaus gut versorgt wurden und es dann im ambulanten Sektor hapert. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit orthopädischen Schuhmachern und Orthopädietechnikern hilft den Patienten direkt.
ICW:
Wie hat sich durch die ICW-Seminare Ihr Praxisalltag verändert?
Fitzler:
Einige Kontakte und Netzwerke bestanden auch schon vor dem ICW-Seminar. So hatte ich gemeinsam mit zwei Pflegekräften bereits das Wundzentrum in Langenselbold gegründet. Durch die Kurse hat sich der Kontakt intensiviert. In meinem Seminar waren auch viele Gefäßchirurgen. Da gab und gibt es einen sehr interessanten Austausch – auch was die Nöte der anderen angeht.
Wir Niedergelassenen haben zum Beispiel nur vage Vorstellungen von dem DRG-Abrechnungssystem der Kliniken. So dient es einer Klinik direkt, wenn Patienten mit chronischen Wunden zeitig aus der stationären in eine ambulante Versorgung übergeleitet werden können. Das Etablieren eines Entlassungsmanagements hilft also nicht nur dem Patienten, sondern sorgt auch für Einsparungen an den Schnittstellen zwischen den beiden Versorgungsebenen. So wächst das gegenseitige Verständnis.
Außerdem werden in den Seminaren auch Krankheitsbilder besprochen, die man sonst nur selten sieht. Jetzt stellen wir fest: So selten sind sie gar nicht! Viele Patienten, die mit ihrem Problem schon durch viele Praxen getingelt sind, kommen jetzt zu uns. Unser Know How hat sich offenbar herumgesprochen. Wenn man sich also intensiver mit bestimmten Dingen befasst, dann kommen sie eben auch vor.
ICW:
Bei allem zusätzlichen Know How – ein Geschäft ist die Wundversorgung nicht.
Fitzler:
Allerdings nicht! Wenn man bedenkt, dass man seine MFAs ausbilden muss und überwachen, dann sind die knapp acht Euro, die wir für einen MFA-Hausbesuch bekommen, ein betriebswirtschaftlicher Totalschaden. Da muss sich vor allem für Praxen mit einem Versorgungsschwerpunkt für Patienten mit chronischen Wunden perspektivisch dringend etwas ändern!
ICW:
Wenn Sie für das Seminar verantwortlich wären – wie würden Sie es aufziehen?
Fitzler:
Ich glaube, ich würde es modular aufbauen. So könnte man manche Seminarteile gemeinsam mit den Pflegenden besuchen, andere wären besser berufsgruppenspezifisch getrennt.
Das wäre praktisch für alle Beteiligten. Denn sie setzen verschiedene Schwerpunkte. So müssen die Pflegenden und MFAs lernen und üben, wie man einen Kompressionsverband wickelt. Ich muss das zwar auch, aber in erster Linie um zu kontrollieren, ob er so richtig gewickelt wurde. Vielleicht könnte man die Teilnehmer bitten, einen Problemfall aus ihrem Alltag mitzubringen, an dem dann gelernt werden kann. Zum Beispiel eine Wunde an schwierigen anatomischen Stellen. Es wäre doch interessant, zu erfahren, wie die Könner das machen!
ICW:
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Christian Beneker (freier Journalist).